Kritik an deutscher Außenpolitik - Hamas-Chef bunkerte UN-Essen: Warum Baerbock-Amt trotzdem Geld nach Gaza schickt

Am 7. Oktober 2023 verüben palästinensische Terroristen in Israel das schlimmste Massaker an Juden seit dem Holocaust. Seit jenem Tag befindet sich Israel im Krieg. Im Gazastreifen kämpfen israelische Truppen gegen die Hamas. Im Norden kämpfen sie gegen die Hisbollah. An dem Vorgehen, insbesondere jenem im Gazastreifen, gab es teils heftige Kritik – auch aus Deutschland. 

So forderte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei ihrem Besuch in der Krisenregion Anfang September von Israel noch einen sofortigen Stopp der Militäroperationen im Gazastreifen.

Israel setzte seine militärischen Maßnahmen jedoch davon unbeeindruckt fort. Den israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) und dem israelischen Geheimdienst Mossad ist es seither gelungen, eine Reihe führender Köpfe der Terrororganisationen Hamas und Hisbollah zu töten – zuletzt Hamas-Chef Yahya Sinwar. Der 61-Jährige galt als Drahtzieher des Hamas-Großangriffs auf Israel und als Verhinderer eines Waffenstillstands.

Experte kritisiert Außenpolitik von Annalena Baerbock scharf

„Hätte Israel auf die deutsche Außenministerin und den Westen gehört und Yehya Sinwar verschont, würde dieser Konflikt nie in einem Ende resultieren, sondern vielmehr in einer Verlängerung und Verschärfung“, kritisiert Nahost-Experte Guy Katz in einem Gastkommentar für FOCUS online

Ein solches Vorgehen, wie es Baerbock vorgeschlagen habe, hätte Sinwar und die Hamas nur weiter gestärkt, argumentiert der deutsch-israelische Professor. „Sinwar wäre am Leben geblieben, und die Bevölkerung in Gaza würde ohne Aussicht auf Veränderung weiter unter der brutalen Herrschaft der Hamas leiden.“ 

Denn: „Es sind nicht die israelischen Maßnahmen, die das Leid der Bevölkerung verschärfen, sondern die Hamas selbst, die Hilfsgüter und Hilfsgelder abzweigt und in eigenen Lagern hortet“, so Katz weiter.

Auswärtiges Amt reagiert auf Kritik

Von den Rufen Baerbocks nach militärischer Zurückhaltung Israels war nach der Tötung Sinwar jedoch kaum noch etwas zu hören. Im Gegenteil: Im Rahmen einer Gemeinsamen Erklärung mit US-Außenminister Antony Blinken nach einem Treffen in Berlin am 18. Oktober 2024 sagte die Außenministerin:

„Yahya Sinwar war ein brutaler Mörder und Terrorist, der Israel und sein Volk vernichten wollte. Als perfider Drahtzieher der Terroranschläge vom 7. Oktober brachte er tausenden Menschen den Tod und unermessliches Leid über eine ganze Region. Sinwar stand einem Waffenstillstand im Gazastreifen im Weg. Sein Tod kann einen Anstoß geben, den Krieg zu beenden. Alle Geiseln müssen freigelassen werden. Gleichzeitig muss mehr humanitäre Hilfe zur notleidenden Zivilbevölkerung in Gaza gelangen. Deutschland und die Vereinigten Staaten werden gemeinsam mit Partnern alle Anstrengungen auf diesem Weg unternehmen.“ 

Doch was sagt Baerbock zu der Kritik von Katz?  Waren ihre Forderungen, Israel solle sich zurückhalten, keine Bodenoffensive durchführen und nicht in Rafah eindringen, eine Fehleinschätzung? Dazu heißt es aus dem Auswärtigen Amt auf Anfrage von FOCUS online:  

„Sinwar war ein Mörder und Terrorist. Israel hat das Recht, sich gegen Hamas und Hisbollah-Terror zu verteidigen. Und zugleich braucht es eine nachhaltige Lösung des Nahostkonflikts, damit die Menschen in Israel auch langfristig sicher sind.“ 

UNRWA bekommt weiter Geld aus Deutschland

Die Kritik entzündet sich jedoch nicht nur an Baerbocks Mahnungen, die für Katz für das Scheitern der deutschen Außenpolitik stehen. Die deutsche Außen- und auch Entwicklungspolitik werden immer wieder auch mit Blick auf das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) kritisiert, das von Deutschland finanziell unterstützt wird. 

Der Hintergrund: Israel wirft UNRWA vor, von der Hamas unterwandert zu sein und am Anschlag vom 7. Oktober beteiligt gewesen zu sein. Diese Vorwürfe beziehen sich auf angebliche Verbindungen von UNRWA-Mitarbeitern zu Terrorgruppen und die Duldung von Hamas-Tunneln unter UNRWA-Gebäuden.  

Ein im April veröffentlichte Bericht unabhängiger Experten entlastet die UNRWA in den meisten Punkten. Es wurden demnach keine Beweise für eine aktive Beteiligung von UNRWA-Mitarbeitern an den Angriffen oder für eine generelle Unterwanderung durch die Hamas gefunden, heißt es darin.

Bericht über UNRWA stellt Verbesserungsbedarf fest

Gleichzeitig stellt der Bericht aber auch Verbesserungsbedarf fest, insbesondere was die Neutralität der Organisation betrifft. Empfehlungen lauten unter anderem, das Personal genauer zu überprüfen und die UNRWA-Einrichtungen besser vor militärischem Missbrauch zu schützen. Einige Mitarbeiter hätten durch politische Äußerungen die Neutralität gefährdet. Israel kritisierte den Bericht. 

Im Rahmen der Tötung Sinwars veröffentlichte die israelische Armee zudem zuletzt Aufnahmen, die zeigen, wie der Hamas-Chef und seine Frau in einem luxuriösen Bunker lebten. Außerdem im Video zu sehen: Sinwar lagerte in seinem Bunker säckeweise UNRWA-Hilfsgüter, die eigentlich für die Bevölkerung im Gazastreifen vorgesehen waren. Die Aufnahmen nähren den Verdacht gegen UNRWA erneut. 

Das Auswärtige Amt dazu: „Deutschland finanziert keine Terroristen. Das Auswärtige Amt hat in 2024 bisher 38 Millionen Euro für die Arbeit des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) in der Region zur Verfügung gestellt. Es handelt sich dabei ausschließlich um Mittel für humanitäre Hilfe.“  

Zu den Vorwürfen gegen UNRWA teilt das Auswärtige Amt mit, man nehme diese sehr ernst. „Unsere klare Erwartung an UNRWA war und ist, dass konkrete Fälle rasch und umfassend aufgeklärt werden und die notwendigen Konsequenzen gezogen werden.“ 

UNRWA habe sich verpflichtet, die Empfehlungen des Berichts rasch und vollumfänglich umzusetzen, um die Neutralitätsmaßnahmen innerhalb der Organisation weiter zu stärken, erklärt das Auswärtige Amt weiter. Im Umgang mit den Ergebnissen des Berichts habe UNRWA gezeigt, dass die Organisation Konsequenzen aus den Ermittlungen ziehe. 

Finanziert werden „Maßnahmen in Libanon, Jordanien, Westjordanland und Syrien“

Von den 38 Millionen Euro, die aus Deutschland an das Hilfswerk fließen, sind laut Auswärtigem Amt 15 Millionen Euro Nahrungsmittelnothilfe für Gaza, drei Millionen Euro Nahrungsmittelnothilfe für das Westjordanland und 20 Millionen Euro für die Hilfen für Palästina-Flüchtlinge in Libanon, Jordanien und Syrien

Zusätzlich werde das Auswärtige Amt zeitnah die erste Tranche des freiwilligen ungebundenen Beitrags an UNRWA in Höhe von fünf Millionen Euro sowie die zweite Tranche in Höhe von 12,3 Millionen Euro auszahlen, heißt es weiter. „Damit werden u.a. Maßnahmen in Libanon, Jordanien, Westjordanland und Syrien finanziert.“ 

Aber wie wird sichergestellt, dass das Geld aus Deutschland, das an die UNRWA fließt, auch wirklich der Zivilbevölkerung zugutekommt? Dazu teilte eine Sprecherin aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gegenüber FOCUS online mit, dass Mittel an UNRWA einem mehrstufigen Kontrollsystem unterlägen.

Damit werde sichergestellt, dass Mittel direkt bei den Bedürftigen ankämen und nicht in die Hände der Hamas oder anderer Terrororganisationen gelangten. Israelische Behörden seien bei der Umsetzung in den Palästinensischen Gebieten eng eingebunden, in Gaza etwa bei der Genehmigung von Materialeinfuhren.

Weiter teilt die Sprecherin mit: Die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit UNRWA werde weiterhin unter der Maßgabe erfolgen, dass UNRWA entsprechend den Empfehlungen des Berichts Reformen umsetzt. Die Bundesregierung halte die 50 konkreten Reformempfehlungen des Berichts gemeinsam mit anderen Gebern in regelmäßigen Austauschen mit UNRWA nach. 

Es bestehe breiter Konsens in der internationalen Gemeinschaft, „dass UNRWA ein wichtiger Stabilitätsfaktor in der Region ist und unter schwierigsten Bedingungen einen derzeit unverzichtbaren Beitrag zur Grundversorgung der Zivilbevölkerung in Gaza mit Nahrung, Wasser und Basis-Gesundheitsversorgung leistet“, so die BMZ-Sprecherin weiter. 

Auch andere internationale Hilfsorganisationen seien in ihrer Arbeit auf die operativen Strukturen von UNRWA in Gaza angewiesen.