Nürnberger Zoo will Paviane wegen Artenschutz töten – Tierschützer drohen mit Strafanzeige

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Nürnberger Zoo will Paviane wegen Artenschutz töten – und schließt Raubtier-Fütterung nicht aus

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Ein Pavian springt in seinem Gehege im Tiergarten Nürnberg auf einen Baumstamm. Der Nürnberger Zoo will künftig einzelne Tiere aus seiner 45-köpfigen Gruppe töten, um die Population besser managen zu können. © picture alliance/dpa | Daniel Karmann

Dürfen Zoos gesunde Tiere töten und an Raubtiere verfüttern? Was bei einigen Arten bereits Praxis ist, will der Nürnberger Zoo nun auch für Paviane einführen. Tierschützer protestieren.

Nürnberg – Im Tiergarten Nürnberg sollen Pavian-Affen getötet werden. Die Verantwortlichen des Zoos argumentieren mit Artenschutz. Aus Gründen des Populationsmanagements wolle man einzelne Tiere der Pavian-Gruppe töten, machte der Nürnberger Tiergarten am Donnerstag (8. Februar) bekannt. Wie viele Tiere es treffen soll, ist noch unklar. Kritik gibt es von Tierschutz- und rechtsorganisationen wie Peta. In einer am Freitag (9. Februar) veröffentlichten Mitteilung warf Peta dem Zoo vor, das Publikum mit vermeintlichen Artenschutzargumenten zu täuschen – und drohte mit einer Strafanzeige.

Volles Affenhaus – Platz für Paviane ist knapp im Nürnberger Zoo

Das Problem den Angaben des Zoos zufolge: Die 45-köpfige Gruppe der Guinea-Paviane sei zu groß, ihre soziale Struktur ungünstig. Die Anlage sei nur für 25 Tiere ausgelegt, der Platz reiche somit nicht aus. Als Folge könne nicht jedes Tier in der Gruppe bleiben. Die Haltungskapazitäten zu erweitern, würde das Problem nur für kurze Zeit lösen, hieß es in der Mitteilung.

Im Nürnberger Tiergarten lebt den Angaben zufolge etwa jeder fünfte der 220 Guinea-Paviane Europas. Das Problem ist auch ein Resultat des Erfolgs der Zoos. Bis in die 1980er-Jahre konnte die Vermehrung von Zootieren, vor allem bei schwer zu haltenden Arten, keineswegs garantiert werden. In den Jahren danach gelang es mehr und mehr, die Haltungsbedingungen so anzupassen, dass die Tiere Nachwuchs bekamen. Mittlerweile gibt es wieder mehr Einzeltiere – aber nicht unbedingt die richtigen im Sinne der Arterhaltung. 

Nürnberger Zoo: „Tierschutzkommission hat alle Optionen geprüft“

Bei den Pavianen habe der Tiergarten in Nürnberg nach Angaben des Direktors Dag Encke bereits vieles versucht, um die Subpopulation in die richtigen Bahnen zu lenken: Fünf Tiere seien nach Paris abgegeben worden, elf weitere nach China. 15 Exemplare, die ebenfalls nach China sollten, blieben in Nürnberg, da die „Haltungsvoraussetzungen unzureichend“ gewesen seien.

Auch Versuche, die Gruppenstruktur und -größe durch die zeitweise Verhütung von rund 20 Weibchen stabil zu halten und gleichzeitig die Gruppenwachstumsrate zu reduzieren, hätten nicht den gewünschten Effekt gebracht, hieß es weiter. Der Grund: Die Weibchen blieben dauerhaft unfruchtbar und wurden nicht mehr trächtig – mit langfristigen Folgen für die Sozialstruktur und die genetische Diversität.

Nach zahlreichen Beratungen: Tötung von Pavianen kann „vernünftige Lösung“ sein

Eine Auswilderung komme laut Nürnberger Zoo nicht infrage. In den Herkunftsgebieten gebe es keine geeigneten Areale, auf denen man Paviane ansiedeln könnte und in denen sie sicher leben könnten. In der Mitteilung heißt es weiter, dass die Tierschutzkommission des Zoos nach „zahlreichen Beratungen auch mit externen Experten“ zu dem Schluss gekommen ist, dass auch bei Guinea-Pavianen „die Tötung eine vernünftige Lösung“ sein kann.

Guinea-Paviane im Tiergarten Nürnberg 09.02.2024
Die Entscheidung des Nürnberger Zoos ist umstritten. Tierschutzorganisationen protestieren. © picture alliance/dpa | Daniel Karmann

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Wann und wie viele Tiere getötet werden, stehe noch nicht fest, teilte der Zoo mit. Man wolle die Pavian-Gruppe schrittweise reduzieren und dann jeweils beobachten, ob und wie sich die Situation verändert. Unklar sei zudem noch, wie die Tiere getötet werden sollen. Der Tiergarten versichert jedoch auf seiner Internetseite, dass die Tötung den Vorgaben des Tierschutzgesetzes entspreche. Auch werde im Einzelfall entschieden, ob die Paviane an Raubtiere verfüttert werden. „Der Tiergarten strebt aber wie bei allen Tieren soweit möglich eine respektvolle Verwertung des Tierkörpers an“, erklärte der Zoo.

Nürnberger Zoo will Diskussion um Artenschutz anstoßen – rechtliche Grauzone

„Im Artenschutz befinden wir uns in einem menschengemachten Dilemma, das uns allen Entscheidungen abverlangt, die sich nicht gut anfühlen“, sagte der Chef des Nürnberger Tiergartens Encke. „Wir sind dennoch in der Verantwortung. Es ist ein Gebot der Vernunft, dass wir sie annehmen.“

Bei Huftieren wie Schafen, Rindern oder Ziegen, bei Vögeln oder Kängurus wird das Töten zum Populationsmanagement bereits praktiziert. „Dort, wo wir glauben, dass es einen gesellschaftlichen Konsens gibt“. Nun will der Zoo eine Diskussion anstoßen, um die aus Sicht des Artenschutzes sinnvolle Maßnahme auch bei Primaten gesellschaftlich durchzusetzen. 

Mit den Plänen befindet sich der Zoo in einer rechtlichen Grauzone. „Wir werden mit hundertprozentiger Sicherheit angezeigt“, sagt Encke. Ob sich das Vorhaben dann als Straftat herausstellt, könne man erst im Nachhinein wissen – eine Zwickmühle. Laut Tierschutzgesetz braucht es für das Töten einen „vernünftigen Grund“. Ob der vorliegt, ist Ansichtssache.

Von Tierschutzorganisationen kommt Protest – „selbst geschaffener Teufelskreis“

Vom Deutschen Tierschutzbund kam umgehend Kritik an dem Vorhaben des Zoos. „Einen Freibrief zur Tötung als Teil des Populationsmanagements lehnen wir klar ab“, hieß es in einer Stellungnahme. Tiergärten hätten eine Verantwortung gegenüber jedem einzelnen Individuum in ihrer Obhut, der sie gerecht werden müssten. „Wenn das nicht möglich ist, muss auf die Haltung der Tierart verzichtet werden.“

Auch Peta protestierte – und drohte dem Nürnberger Zoo mit einer Strafanzeige, sollte die Ankündigung wahrgemacht und gesunde Pavian-Affen getötet werden. Das Zoopublikum werde mit vermeintlichen Artenschutzargumenten getäuscht, teilte die Tierrechtsorganisation am Freitag mit. Und weiter: „Auch das Argument, die Zucht weiterer Tiere sei notwendig für das Sozialgefüge, ist reine Doppelmoral.“

Peta droht mit Strafanzeige

Das Züchten und Töten von Tieren sei ein von Zoos „selbst geschaffener Teufelskreis“. „Dieser kann nur durchbrochen werden, wenn Pläne zu Zuchtstopps und der Schließung von Zoos erarbeitet werden, anstatt über die etwaige Tötung der Tiere zu diskutieren – egal welche Art es betrifft“, sagte Peta-Biologin Yvonne Würz. Eine Tiertötung könne nicht durch eine Zwangssituation begründet werden, die man zuvor selbst herbeigeführt hat. 

Wie von Zoo-Chef Encke vorausgesagt, prüft Peta eigenen Angaben nach nun eine Strafanzeige gegen den Tiergarten. Im Falle von Pavian-Tötungen wird die Tierschutzorganisation demnach Strafanzeige gegen die Verantwortlichen des Nürnberger Zoos erstatten.

(mit Informationen der dpa)

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