Wohlhabender Landkreis Ebersberg: Ein Achtel der Jobs nahe Mindestlohn
Ebersberg gehört zu Deutschlands reichsten Regionen, doch viele verdienen nur den Mindestlohn. Eine Studie des Pestel-Instituts zeigt, dass rund 3700 Menschen weniger als 13 Euro die Stunde verdienen.
Landkreis - Der Landkreis Ebersberg gehört zu den wohlhabendsten Regionen Deutschlands. In der Kaufkraft-Rangliste des Marktforschungsinstitutes GfK rangiert er mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Betrag von 35 582 Euro, der pro Einwohner frei für Konsumausgaben oder zum Sparen zur Verfügung steht.
In dieser Statistik dürfte sich aber längst nicht jeder wiedererkennen. Denn mehr als ein Achtel der Arbeitsplätze im Landkreis Ebersberg ist gerade einmal mit einem Gehalt nahe dem aktuellen Mindestlohn von 12,41 Euro pro Stunde vergütet, 3700 Menschen verdienen weniger als 13 Euro. Das haben die Wissenschaftler des Pestel-Instituts mit Sitz in Niedersachsen im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten errechnet. Sie vertritt etwa Beschäftigte in der Gastronomie und Nahrungsmittelproduktion, deren Gehalt besonders häufig im Mindestlohnsektor angesiedelt ist.
Im Landkreis Ebersberg bedeutet das dem Forschungsinstitut zufolge: 7700 Jobs und damit 13 Prozent würden von einer Anhebung des Mindestlohns auf runde 14 Euro profitieren – die Mindestforderung der NGG München, die auch für den Landkreis Ebersberg zuständig ist. „Im Job alles geben – und trotzdem nur ein schmales Portemonnaie haben“, so fasst der Vorsitzende Tim Lünnemann aus seiner Sicht die Situation.
Eindeutig ist aber die mit den Zahlen verbundene Forderung nach mehr Geld für die Betroffenen und ihre Familien: „Davon würden enorm viele Menschen profitieren“, so Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts, in der Pressemitteilung. Und NGG-München-Geschäftsführer Tim Lünnemann ergänzt: „Ziel muss es sein, die Jobs im Kreis Ebersberg aus dem Lohnkeller zu holen.“ Der Mindestlohn sei nur die „unterste Haltelinie“, so der Gewerkschafter weiter. „Wirklich fair bezahlt wird nur, wer Tariflohn bekommt.“ Von einem Anstieg des Mindestlohns auf 15 Euro hätten 10 200 Jobs im Landkreis einen Vorteil, so die Studie.
Beispielsweise haben die Floristen, die von der IG Bau vertreten werden, eine Lohnerhöhung auf 14,66 Euro Stundenlohn verbuchen können, teilte die Gewerkschaft jüngst mit; im kommenden Sommer würden es 15,36 Euro Tariflohn, was sich auf ein Plus von zehn Prozent summiere. Für Gebäude-Reiniger fordert die IG Bau einen Anstieg um drei Euro auf dann 16,50 Euro die Stunde, hier laufen die Verhandlungen.
Die NGG betont: „Der gesetzliche Mindestlohn muss reichen, um davon bei einer Vollzeitarbeit vernünftig leben zu können.“ Im Kreis Ebersberg ist das schwieriger als anderswo. Vor allem am angespannten Wohnungsmarkt liegt es, dass er, Stand Oktober 2023, laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln unter 400 Kreisen und kreisfreien Städten am zehntteuersten abschneidet.