TV-Kolumne „Wie geht's Deutschland?“ - Der sehnlichste Wunsch vieler Bürger bleibt in ZDF-Wahl-Sendung unerfüllt

Nicht einmal mehr ein Monat bis zur Bundestagswahl. Ab jetzt muss man damit rechnen, dass das Fernsehen senderübergreifend und quasi rund um die Uhr den Deutschen den Puls misst, auf den Zahn fühlt und ihre Situation auf Herz und Niere prüft: Wie geht’s, Deutschland?

Das ZDF hat aus dieser Frage eine abendfüllende Sendung gemacht: Dunja Hayali und Mitri Sirin geben ausgewählten Bürgern die Chance, endlich mal das auszusprechen, was ihnen gerade Bauchweh verursacht.

Die Fragen der potenziellen Wähler sollen dann ausgewählte Parteivertreter beantworten. Klingt nach ganz wunderbar direkter Demokratie, oder?

Ganz viel Gestern – und keine Lösung für morgen

In Wahrheit reden auch bei diesem Format Wahlvolk und Volksvertreter wortreich aneinander vorbei. Was nicht an den gestellten Fragen liegt: Die sind relativ konkret und zeigen deutlich die Sehnsucht der Menschen nach klaren Antworten und schnell realisierbaren Lösungen für die Probleme unserer Zeit.

Die teilnehmenden Parteivertreter hingegen nutzen die 45 Sekunden, die ihnen jeweils zur Verfügung stehen, erst für langatmige Sympathiebekundungen den Fragenden gegenüber und dann für schwammiges Drumherum-Reden. Beispiel gefällig?

Gefragt nach den im Wahlprogramm verankerten Klimaschutzmaßnahmen, erklärt Sahra Wagenknecht für das BSW nur, wie sich das Klima nicht schützen lässt: „Wer den Menschen weißmacht, dass man das Weltklima in den Heizungskellern rettet, und gleichzeitig während der grünen Regierungszeit nichts getan wurde, um etwa die Bahn zu einem attraktiven Unternehmen zu machen, der macht sich auch persönlich ...“ Trööt, schon ist die Redezeit vorbei.

Wir haben verstanden- oder auch nicht

Was das BSW in Sachen Klimawandel unternehmen würde, bleibt weiter ein Rätsel. Der Fragende schaut unzufrieden via Online-Konferenz aus seinem Wohnzimmer ins Studio: „Das sind Dinge von gestern. Wir müssen doch an unsere Kinder und Enkel denken: Welche Welt hinterlassen wir ihnen – und wollen wir das?“

Die weiteren Versuche Wagenknechts, sich aus dem Dilemma zu reden, würgt Moderator Sirin ab: „Wir haben’s verstanden beziehungsweise nicht verstanden und machen jetzt weiter mit der nächsten Frage.“

Bei der Frage nach den Vorhaben der Parteien hinsichtlich der Migrationsfrage und konkret zum Fünf-Punkte-Plan der Union gegen irreguläre Einwanderung drückt sich Thorsten Frei als CDU-Vertreter mit jeder Menge „einerseits“ und „andererseits“ um ein klares Statement: Weder mit den bereits Eingewanderten noch mit den Migrationsgegnern will er es sich verderben.

„Wir sind ein weltoffenes Land und wollen das auch bleiben“, sekundiert Alexander Dobrindt von der CSU, um schon im nächsten Satz mehr Strenge bei der Zuwanderung zu fordern. Die zugeschalteten Wähler lassen jede Menge zornige Smileys und gesenkte Daumen über den Screen fliegen.

Klare Kante? Die leistet sich nur die FDP

Wie geht’s, Deutschland? Annalena Baerbock als Stellvertreterin der Grünen weiß zumindest, wie Deutschland sich fühlen sollte: dankbar nämlich. Denn „Deutschland ist eines der freiesten Länder der Welt.“

Ein Zeichen dafür sei eben, dass man sich für die Zuwanderung integrationswilliger Fachkräfte und zugleich für die Ausweisung straffälliger Asylanten aussprechen dürfe. Noch so eine Aussage, gegen die wenig zu sagen ist, weil sie maximal wischi-waschi ist.  

Bei solchen windelweichen Ausflüchten ist man fast froh über Christian Lindner, der auf die Frage von Wähler Elmer Otto nach der Sinnhaftigkeit von Technologieoffenheit statt strikter Förderung der Elektromobilität klar sagt, dass die FDP hier eben eine andere Meinung vertritt und Herr Otto mit seinem Faible für das Elektroauto dann eben am 23. Februar eben die Grünen wählen müsse.

Gut möglich, dass Lindner mit dieser Ansage vielleicht einen Wähler verprellt, aber dafür einige neue Sympathisanten gewonnen hat.