Schießen wir zurück - Trumps Zölle: Na und? Auch Europa hat fünf scharfe Folterinstrumente
Donald Trump hat sein bevorzugtes Folterinstrument ausgepackt: Wie in seiner ersten Amtszeit, verfügt der US-Präsident erneut deftige Zölle auf Einfuhren in die Vereinigten Staaten. Ab März sollen es 25 Prozent auf Stahlimporte und 10 Prozent auf Aluminium-Importe sein – das trifft China, aber auch Europa. Nur für Australien wird eine Ausnahme geprüft, weil der fünfte Kontinent mehr aus den USA importiert als er dorthin exportiert. Und auch Autos und andere Produkte können noch an die Reihe kommen.
Wie sollte Europa reagieren? Vor allem gilt: Nicht von Trump verrückt machen lassen, nicht ängstlich agieren. Dann einen Blick in sein Buch „The Art of the Deal“ (deutsch: „Die Kunst des Erfolges“) werfen, in dem er (bzw. sein Ghostwriter Tony Schwartz) schrieb: „Meine Art, Geschäfte abzuschließen, ist ziemlich einfach und unkompliziert. Ich ziele sehr hoch und dann dränge ich einfach immer weiter, um das zu bekommen, was ich will. Manchmal gebe ich mich mit weniger zufrieden, als ich wollte, aber in den meisten Fällen bekomme ich am Ende trotzdem, was ich will.“
Und wenn Europa das verstanden hat, sollte es seine eigenen Folterwerkzeuge in der Sonne blinken lassen. Denn es gibt auf dem alten Kontinent durchaus Instrumente, mit denen auch den USA Schmerzen zugefügt werden können.
Trump-Folterinstrument 1: Revanche wie beim ersten Mal
Als Trump 2017 Zölle auf Stahl und Aluminium verhängte, reagierte die Europäische Union mit ähnlichen Aufschlägen auf amerikanische Exportschlager wie Whiskey, Jeans, Orangensaft und Motorräder. Jede Harley-Davidson wurde damit rechnerisch um 2200 Euro teurer.
Die Folge: Harley-Davidson verlagerte Teile seiner Produktion nach Brasilien, Indien und Thailand. Allein durch die Verlagerung nach Thailand verloren rund 600 Arbeiter im Stammwerk Milwaukee und beim Dienstleister Syncreon in Kansas City ihren Job. Aber Trump ließ sich weder davon noch von den EU-Gegenmaßnahmen umstimmen. Erst nach Trumps Abwahl wurden die Zölle ab 2022 nominell aufgehoben. Doch dafür erließ die Administration von Präsident Joe Biden eine Einfuhrquote, die bei 3,3 Millionen Tonnen Stahl und 384.000 Tonnen Aluminium lag. Auf alles, was darüber hinaus ging, mussten 25 Prozent (Stahl) bzw.10 Prozent (Aluminium) gezahlt werden. Diese Regelung gilt derzeit bis zum 31. März.
Das kann man erneut versuchen. Aber es wird teuer für die USA und für Europa – und ein Erfolg ist nicht gesichert. Also: Üblere Instrumente müssen her.
Folterinstrument 2: Steuern statt Zölle
Marktbeherrschend sind die USA in der Digitalwirtschaft – und weil in Berlin ebenso wie in Brüssel Steuererhöhungen so beliebt sind wie Zölle bei Trump, wird nun über eine stärkere Besteuerung der entsprechenden Produkte nachgedacht. (In Berlin allerdings wegen des Wahlkampfs aktuell nur auf den unteren Etagen der Ministerien.)
Das Planspiel geht so: Unternehmen wie Google (Werbung), Apple (App Store), Amazon (E-Commerce) oder Microsoft (Cloud-Dienste) erwirtschaften ihre Gewinne in Europa, zahlen den Großteil ihrer Steuern aber in den USA. Um die Diskrepanz zwischen dem Ort der Wertschöpfung und dem Ort der Steuerzahlung aufzuheben, könnte man gezielt gegen US-Unternehmen eine Digitalsteuer einführen.
Mehrere EU-Länder haben dies bereits getan. Den Anfang machte am 1. Januar 2019 Frankreich: Paris führte eine Digitalsteuer von 3 Prozent ein. Es folgten Italien und Spanien. Nicht-EU-Mitglied-Großbritannien erhebt eine Digitalsteuer von 2 Prozent. Deutschland, Luxemburg und Irland verzichteten bislang darauf. Theoretisch könnte diese Steuer indes EU-weit eingeführt, vielleicht gar erhöht werden – gezielt gegen US-Unternehmen, die in Europa hohe Umsätze generieren, aber geringe Steuern zahlen.
Zu vermuten wäre, dass die Unternehmen die Aufschläge teilweise an ihre Zulieferer (so praktiziert dies Amazon) oder Kunden weiterreicht und die Produkte schlicht teurer würden. In der Summe geht es jedoch um viele Milliarden Dollar. Das würde Raum schaffen für kleinere, hungrige Konkurrenten und neue Startups. Lässt sich Trump davon beeindrucken? Unwahrscheinlich. Allerdings würde der Druck aufs Weiße Haus erhöht, wenn diese Digitalsteuern nicht als Alternative zu den Steuern auf Jeans, Bourbon oder Harley-Davidson erhoben würden, sondern als Ergänzung.
Folterinstrument 3: Neue Wirtschaftsallianzen formieren
Wenn sich die USA abschotten, könnten die Europäer neue Handelspartner suchen. Vom Potenzial her bietet sich vor allem China an. Doch eine noch engere wirtschaftliche Verflechtung mit dem Reich der Mitte würde dem De-Risking-Konzept der Bundesregierung widersprechen, das auch von einem Bundeskanzler Friedrich Merz verfolgt werden dürfte.
Lateinamerika und Kanada hingegen kämen als neue Partner für gemeinsame Handelsstrategien mit Europa in Frage, zumal diese Regionen ebenfalls von US-Zöllen betroffen sind. Auch Indien und die Märkte der zehn ASEAN-Länder, unter ihnen Vietnam, Singapur und Indonesien, könnten für europäische Unternehmen attraktiver werden, falls die Handelsbeziehungen mit den USA ins Stocken geraten. Zwar könnte keiner dieser Staaten die ökonomische Bedeutung der USA kompensieren. Andererseits: Es geht darum, Trump ein möglichst breites Spektrum von Gegenständen mit Spitzen und scharfen Schneiden zu zeigen. Darum könnten Gipfel mit diesen Ansprechpartnern durchaus Eindruck machen. (Und zwischendurch mag ein verantwortlicher europäischer Politiker mal in einem Interview laut darüber nachdenken, welche Möglichkeiten man doch noch mit Peking habe.)
Folterinstrument 4: Sich von US-Importen noch weiter abkoppeln
2019 stammten noch 72 Prozent der Sojabohnenimporte der EU aus den USA. Seitdem hat Europa seine Bezugsquellen diversifiziert. In den ersten vier Monaten des Wirtschaftsjahres 2024/25 (Juli bis November 2024) importierte die EU nur noch etwa 31 Prozent ihres Soja-Bedarfs aus den Vereinigten Staaten. Die Importe aus Brasilien stiegen im gleichen Zeitraum auf etwa 2,3 Millionen Tonnen, was 57,9 Prozent der EU-Sojaimporte entspricht. Brasilien ist zweifellos bereit, noch höhere Soja-Mengen nach
Europa zu verkaufen – und Argentinien (ist unter Javier Milei gerade sehr auf Handelspartner angewiesen!), Paraguay und Kanada veräußern das Produkt ebenfalls.
Folterinstrument 5: Marktzugangsgebühren
Die EU könnte eine Marktzugangsgebühr für digitale Plattformen erheben, um ausländische Anbieter stärker zur Kasse zu bitten. Diese Gebühren könnten an Umsatz oder Nutzerzahlen gekoppelt werden, sodass sie vor allem große US-Unternehmen betreffen. Beispiel: Plattformen wie YouTube oder Facebook und Suchmaschinen wie Google könnten verpflichtet werden, für den Zugang zum europäischen Markt eine jährliche Lizenzgebühr zu zahlen. Natürlich müssten diese Auflagen auch für europäische Plattformen gelten. Ach, die gibt es gar nicht in einer nennenswerten Größe? Tja, dann ist das halt so.
Blättern wir nochmals in „The Art of the Deal“. Den nachfolgenden schönen Satz sollten alle Gesprächs- und Handelspartner des Präsidenten beherzigen: „Das Schlimmste, was man bei einem Deal machen kann, ist, verzweifelt zu wirken. Dann riecht der andere Blut, und dann ist man erledigt.“
Von Autor Ansgar Graw ist soeben das Buch erschienen „ Die Ära Trump. Chancen und Risiken für Amerika und die Welt “ (Langen Müller, 272 S., 22 Euro).