Präkrastination: Wer nie etwas aufschiebt, macht es auch nicht unbedingt besser

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Präkrastination: Wer nie etwas aufschiebt, macht es auch nicht unbedingt besser 

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Die meisten Menschen kennen wohl die Prokrastination. Weitaus weniger bekannt ist hingegen die Präkrastination. Sie ist das Gegenteil – und wird auch als „Vorzieheritis“ bezeichnet. 

Der Begriff Prokrastination („Aufschieberitis“) ist inzwischen fest in unserer Gesellschaft und Sprache etabliert. So gut wie jede und jeder von uns hat diesen Begriff schon einmal gehört und kennt das Aufschiebeverhalten vermutlich auch aus dem eigenen Alltag.  Die Beweggründe, weshalb jemand prokrastiniert, können unterschiedlicher Natur sein. Häufig liegt es daran, dass mit einer bestimmten Aufgabe negative Gefühle verknüpft werden oder Furcht vor Kritik besteht. Auch eine fehlerhafte Priorisierung, mangelhafte Zeiteinteilung sowie unrealistische Ziele können beim Aufschieben eine Rolle spielen. Allerdings kann Prokrastination auch ein Symptom psychischer Erkrankungen wie Depressionen sein. 

Während sich Prokrastination zu einem bekannten Modewort entwickelt hat, stellt Präkrastination einen noch eher unbekannten Begriff dar. Im Gegensatz zur Prokrastination findet er kaum Verwendung. Was hat es mit der Gewohnheit der Präkrastination auf sich? Und ist es tatsächlich immer von Vorteil, alles unverzüglich zu erledigen? 

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Präkrastination und die wissenschaftliche Betrachtung 

Schreibmaschine mit Schriftzug heutige Erledigungen.
Präkrastination beschreibt die Angewohnheit, eine Aufgabe so bald wie möglich zu beginnen. © IMAGO/Sascha Steinach

Meistens tritt ein positives Gefühl ein, wenn Sie etwas erledigen. Wenn Sie eine To-Do-Liste führen, auf der Sie die abgeschlossene Aufgabe anschließend abhaken können, fühlen Sie sich wahrscheinlich noch besser. Möglicherweise haken Sie gelegentlich sogar bereits erledigte Aufgaben erneut ab oder notieren selbst kleinste Zwischenschritte auf der Liste. Diese Neigung beschreibt das Phänomen der Präkrastination: das positive Gefühl, das entsteht, wenn Sie eine Aufgabe so schnell wie möglich ausführen. Präkrastination beschreibt somit die Angewohnheit, eine Aufgabe so bald wie möglich zu beginnen oder zu bearbeiten. 

Bisher ist die Präkrastination nur spärlich erforscht. Im Jahr 2014 führten Forschende eine Studie durch, um dieses Phänomen näher zu untersuchen. Dabei setzten sie ein simples Experiment mit den Teilnehmenden um – das sogenannte Eimer-Experiment. Hierfür platzierten die Forschenden zwei Eimer auf einer bestimmten Strecke. Einer der beiden Eimer befand sich dabei stets näher am Ziel als der andere. Die Teilnehmenden erhielten dann die Aufgabe, die Strecke zurückzulegen und einen Eimer ihrer Wahl zum Ziel zu bringen. Entgegen der Erwartung, dass viele den weiter entfernten Eimer nehmen und ins Ziel tragen würden, zeigte sich das Gegenteil. Die Mehrheit der Teilnehmenden wählte den Eimer, der näher am Startpunkt stand, und transportierte diesen zum Ziel – selbst wenn dies bedeutete, dass sie den Eimer über eine längere Distanz tragen mussten. Auch bei weiteren Aufgaben der Studie konnten die Studienleitenden diese Tendenz zur Präkrastination beobachten.

Wie kommt es zur Präkrastination? 

Warum entschieden sich die Teilnehmenden für diesen scheinbar unlogischen Weg, den ersten Eimer trotz höherem körperlichem Aufwand zum Ziel zu befördern? Die Mehrheit der Teilnehmenden gab als Begründung für ihre Entscheidung an, dass sie die Aufgabe so rasch wie möglich erledigen wollten. Obwohl sie durch ihre Wahl des ersten Eimers nicht wirklich schneller fertig wurden, empfanden sie es dennoch so, als hätten sie die Aufgabe früher begonnen und könnten sie somit auch früher abschließen. Präkrastination beschreibt den Drang, etwas unverzüglich erledigen zu müssen oder zu wollen. 

Die Forschenden selbst nannten zudem drei Gründe, warum Menschen zur Präkrastination tendieren: 

  • Wenn Sie ein Teilziel erreichen, haben Sie das Gefühl, dem Hauptziel näher zu sein. 
  • Sie fühlen sich besser, wenn Sie beschäftigt sind, als wenn Sie untätig sind. 
  • Der laut den Forschenden wichtigste Grund für Präkrastination ist, dass kognitive Ressourcen beansprucht werden, um Aufgaben im Arbeitsgedächtnis zu behalten. Wenn Menschen die Möglichkeit haben, Aufgaben frühzeitig zu erledigen und somit das Gedächtnis zu entlasten, tun sie dies in der Regel – unabhängig davon, ob dies mit mehr Aufwand verbunden ist oder nicht. 

Die Nachteile der „Vorzieheritis“ 

Man könnte annehmen, dass Präkrastinieren immer vorteilhaft ist. Grundsätzlich ist es natürlich positiv, wenn Sie Ihr Arbeitsgedächtnis entlasten und nicht ständig prokrastinieren. Wenn Sie jedoch permanent präkrastinieren und den Drang verspüren, Aufgaben sofort erledigen zu müssen, kann dies auch negative Auswirkungen auf Sie haben. 

Möglicherweise verbringen Sie insgesamt mehr Zeit mit einer Aufgabe, da Sie begonnen haben, bevor alle Einzelheiten geklärt waren. Dann müssen Sie später eventuell noch Änderungen vornehmen und unter Umständen sogar bereits geleistete Arbeit verwerfen. So kann Präkrastination beispielsweise zu einem erhöhten Stresslevel führen.

Sie können die Konzentration auf Aufgaben mit höherer Priorität verlieren. Oberflächliches und schnelles Arbeiten kann zudem eine geringere Qualität Ihrer Arbeit zur Folge haben. Und im Extremfall kann es sogar zu psychischen Folgen wie Burnout kommen, wenn Sie Ihr Arbeitspensum zu stark erhöhen. 

Sieben Ratschläge für den Umgang mit Präkrastination 

Ähnlich wie bei der Prokrastination kann es durchaus angebracht sein, gelegentlich zu präkrastinieren. Es ist jedoch wichtig, darauf zu achten, es nicht zu übertreiben und sich nicht zu überfordern. Wenn Sie feststellen, dass Sie stark zur Präkrastination neigen, haben wir hier sieben Tipps, wie Sie damit umgehen können: 

  1. Machen Sie sich bewusst, dass Sie präkrastinieren – andernfalls können Sie auch nicht dagegen vorgehen. 
  2. Hinterfragen Sie die Ursachen des Hangs zur Präkrastination. Verspüren Sie einen bestimmten Druck? Möchten Sie dadurch bestimmten Vorstellungen gerecht werden? 
  3. Wenn Sie das nächste Mal den Wunsch verspüren, eine Aufgabe sofort zu erledigen, fragen Sie sich zuvor: Ist dies wirklich der Weg des geringsten Aufwands oder gibt es möglicherweise weniger aufwendige Alternativen? Denn wie die Studie deutlich zeigte, präkrastinieren Menschen oft, weil sie eine Aufgabe schnell erledigen wollen, obwohl dies einen Mehraufwand bedeuten kann. Um Stress oder andere Auswirkungen für Sie zu vermeiden, kann das Hinterfragen hilfreich sein. 
  4. Es kann zudem helfen anstelle der herkömmlichen To-Do-Liste das sogenannte Eisenhower-Prinzip anzuwenden und Ihre Prioritäten zu ermitteln. So sind Sie sich bewusst, was die höchste Priorität hat und wann Sie die verschiedenen Aufgaben erledigen sollten. Dies entlastet ebenfalls Ihr Arbeitsgedächtnis. Eine Not-To-Do-Liste kann eine zusätzliche Unterstützung darstellen. 
  5. Ebenso kann es gegen Präkrastination helfen, wenn Sie Ihre Arbeitswoche tageweise vorstrukturieren. So behalten Sie den Überblick und wissen genau, wann Sie was zu erledigen haben. 
  6. Vermeiden Sie Multitasking und Unterbrechungen. Deaktivieren Sie Benachrichtigungen auf Ihren Geräten und aktivieren Sie gegebenenfalls den Fokus-Modus. Lassen Sie sich außerdem nicht von anderen Tätigkeiten ablenken, die Sie nebenbei ausführen, sondern konzentrieren Sie sich vollständig auf Ihre Aufgabe. 
  7. Entschleunigen Sie Ihren Alltag. Erlernen Sie Meditation oder integrieren Sie kleine Achtsamkeitsübungen. 

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