Warum ausgerechnet Tuchel? Englands Monster ist der Auslöser der Trainer-Debatte

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Thomas Tuchel ist der neue Nationaltrainer Englands. Experten fragen sich, warum kein englischer Coach übernimmt. Die Antwort hat mit einem selbst erschaffenen Monster zu tun.

London – Ein Thomas soll die Tommys also retten. Und zwar ein deutscher Thomas. Genau dieser Umstand missfällt aktuell vielen englischen Fußballfans und sogar -experten: Warum ausgerechnet Tuchel als Nationaltrainer der Three Lions? Warum ein Deutscher?

Thomas Tuchel ist Englands neuer Nationaltrainer

Die Antwort ist ebenso brutal wie einfach und ehrlich: Weil die englischen Trainer schlichtweg nicht gut genug für den Job sind. Zuletzt hat man es im Mutterland des Fußballs jahrelang mit Gareth Southgate probiert. Eine einheimische Lösung, die national aber noch mehr belächelt wurde als international.

Der Head Coach stand nicht unbedingt dafür, den innovativsten Fußball spielen zu lassen. Jüngstes Beispiel ist die EM 2024, als sich die Engländer mit einem Luxus-Kader durch das Turnier rumpelten und nur dank viel Glück und individueller Klasse auf den letzten Drücker lange dabei blieben. Im Finale gegen Spanien war dann Endstation. Immerhin: Es war wieder einmal ein EM-Endspiel. 2021 scheiterte man im Elfmeterschießen an Italien. Southgates größtes Plus war, dass er die Three Lions immerhin ganz nah an die Trophäen heranführte. Mit Tuchel will man nun endlich etwas zum Anfassen.

Thomas Tuchel wird Englands neuer Nationaltrainer.
Thomas Tuchel wird Englands neuer Nationaltrainer. © Colorsport / Imago

Experten kritisieren Tuchel-Wahl: Lieber einen Engländer für Englands Nationalmannschaft

Tuchels Ernennung zum Nationaltrainer wird auf der Insel aber mit Stirnrunzeln gesehen. Von Gary Neville über Jamie Carragher und Gary Lineker – Englands Chefkritiker laufen aktuell zur Hochform auf und wundern sich, warum kein englischer Nationaltrainer die englische Nationalmannschaft übernimmt.

Aber: Kennen Sie einen international bekannten englischen Top-Trainer? Während Nationen wie Deutschland, Spanien oder Italien Premium-Fußballlehrer am laufenden Band hervorbringen, braucht es schon fast Fußball-Nerdwissen, um in England fündig zu werden. Am ehesten dürfte wohl noch Eddie Howe infrage kommen. Ein Trainer, der in der Vergangenheit im beschaulichen Bournemouth für Furore sorgte und nun bei Newcastle United erfolgreich ist.

Warum gibt es also so wenige Howes? So wenige englische Top-Trainer? Es sind die Geister, die das Mutterland des Fußballs rief. Es ist das Monster, das man 1992 erschuf. Die Folgen für die Generationen danach konnte man nicht erahnen. Die englische Premier League ist die mit Abstand spektakulärste, teuerste und gigantischste Fußball-Liga der Welt und groteskerweise der Hauptgrund dafür, warum es keine englischen Spitzentrainer gibt.

Mit zunehmender Zeit wurde aus der englischen Elite-Klasse eine internationale Show. Geld spielte ohnehin nie eine Rolle. Es war immer da. Also verpflichteten die Klubs einfach Top-Personal aus dem Ausland – vor allem auf der Trainerposition. Der Entwicklung von eigenen Talenten wurde nur selten Zeit und Raum eingeräumt. Und so haben es Trainer-Emporkömmlinge auf der Insel schwer. Der Erfolgsdruck ist enorm und wer keine Ergebnisse liefert, der fliegt sehr viel schneller als in anderen Ligen. Momentan gibt es drei englische Trainer in der Premier League. Eine vergleichbare Situation wäre in anderen Nationen absolut undenkbar.

32 Jahre Premier League – und kein einziger englischer Trainer hat sie jemals gewonnen

Ähnlich ist es bei den Spielern: Jude Bellingham und Jadon Sancho wählten beispielsweise den Umweg über Borussia Dortmund, um sich international in den Fokus zu spielen. Dort wurde ihrer Entwicklung Zeit gegeben, sie konnten sich außerdem bei einem Top-Klub beweisen. In England hätten sie bei den ganz großen Vereinen vermutlich kaum Spielzeit erhalten. Ihr Stern wäre wohl nur sehr viel langsamer aufgegangen.

Zurück auf die Trainerbank: In den satten 32 Jahren seit der Gründung der Premier League hat es doch tatsächlich kein einziger gebürtiger Engländer geschafft, den Titel zu gewinnen. Nein, es sind die Arsène Wengers, José Mourinhos, Pep Guardiolas und Jürgen Klopps dieser Welt, die den Trainerstil auf der Insel seit Jahrzehnten prägen. Und deshalb muss man sich nicht wundern, wenn das Monster Premier League sämtliches englisches Personal, das vielleicht einmal für den Nationaltrainer-Posten geeignet wäre, schon vorher auffrisst.

Groteskes Fußball-England: Rekord-Trainer ist ein Schotte, Nationalcoach ein Deutscher

Die atemberaubende Statistik bietet höchstens ein Schlupfloch: Britische Trainer haben die Premier League gewonnen. Sir Alex Ferguson ist beispielsweise der Rekordhalter, ganze 13 Mal hat er Manchester United zur Meisterschaft geführt. Aber: Ferguson ist Schotte. Und dann haben die Engländer vermutlich doch lieber einen Deutschen auf ihrem Trainerstuhl sitzen. (akl)

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