Rückzug von Brosius-Gersdorf hinterlässt Spuren: SPD empört – „Ein Triumph des rechten Mobs“
Die SPD-Kandidatin für das Amt der Verfassungsrichterin, Frauke Brosius-Gersdorf, schmeißt hin. Schuld sehen die Sozialdemokraten bei der Union.
Berlin – Nach einer beispiellosen Kampagne gegen ihre Person ist die Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf von der Kandidatur zur Verfassungsrichterin zurückgetreten. Die SPD-Kandidatin teilte am Donnerstag (7. August) über eine Bonner Kanzlei mit, nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Hintergrund: Die CDU/CSU-Fraktion habe ihr deutlich signalisiert, sie nicht zu wählen, und das Gespräch nicht gesucht. Auch kritisierte die 54-jährige Staatsrechtlerin Teile der Medien wegen der Verbreitung von Unwahrheiten.

In der SPD ist der Unmut groß und die Erwartungshaltung an die Union eindeutig: mehr Verlässlichkeit und Loyalität. Die sozialdemokratische Bundesjustizministerin Stefanie Hubig sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass „Kampagnen“ nicht dazu führen dürften, qualifizierte Bewerber:innen zu verlieren: „Wir müssen daraus lernen – alle gemeinsam. Es geht um eine bessere Diskussionskultur und darum, solchen Angriffen auf die Demokratie künftig besser standzuhalten.“
Und SPD-Fraktionschef Matthias Miersch schrieb in einem Brief an seine Abgeordneten, CDU und CSU müssten sich zu den Spielregeln des Regierens bekennen. „Nur wenn Zusagen Bestand haben, sind tragfähige Kompromisse möglich. Nur dann können wir Vertrauen zurückgewinnen und politische Handlungsfähigkeit sichern.“
Nach Rückzug von Brosius-Gersdorf übt die SPD Kritik an der Union – „Vertrauen zurückgewinnen“
Im Ton schärfer formuliert es SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner. Er forderte von Kanzler Friedrich Merz (CDU) ein deutliches Bekenntnis gegen Rechts: „Der Tag wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem der rechte Mob erstmals einen Triumph gefeiert hat“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Die demokratischen Parteien haben sich demgegenüber als wehrlos erwiesen. Der politische Skalp hängt am Gürtel von Björn Höcke“. Es sei zu hoffen, dass dies als „Warnschuss“ begriffen werde.
Stegner forderte Merz auf, die Mehrheitsfähigkeit der Koalition sicherzustellen oder Fraktionschef Jens Spahn (CDU) auszuwechseln. „Wenn die Union keine demokratische Mehrheit garantieren kann, stellt sich die Führungsfrage.“ Die Union müsse verstehen, „welchen Dammbruch sie ermöglicht hat“, sagte Stegner. „Eine Wiederholung eines solchen Vorgangs muss ausgeschlossen werden“. Als Zeichen gegen Rechts könne etwa ein Ausschluss der wegen ihrer Nähe zur AfD in die Kritik geratenen Brandenburger CDU-Abgeordneten Saskia Ludwig aus der Bundestagsfraktion gehören, schlug Stegner vor.
Union hatte bei Richterwahl gegen SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf agitiert
Der Bundestag hätte am 11. Juli über die Neubesetzung von drei Richterposten beim Bundesverfassungsgericht abstimmen sollen, doch forderte die Unionsfraktion kurzfristig die Absetzung der Wahl der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. Nach Krisengesprächen zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD und nach anschließender Abstimmung im Bundestag, bei der nur die AfD für eine sofortige Wahl plädierte, wurden schließlich alle drei geplanten Richterwahlen von der Tagesordnung genommen. (mit dpa)