Die „René will Rendite“-Kolumne - Mit Milliardenversprechen ignorieren die Parteien Deutschlands gigantische Finanzlöcher

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Cat Finanzlücken des Staates: Wahlversprechen ohne Deckung
Mittwoch, 18.12.2024, 09:43

Nach dem erfolgreichen Misstrauensvotum ist der Weg für Neuwahlen jetzt endgültig frei, die Jagd auf Wählerstimmen beginnt. Die Parteien werben mit mehr Leistungen, Zuschüssen oder weniger Steuern. Dabei reicht schon jetzt das Geld nicht und gewaltige Ausgaben kommen auf den Staat zu.

Gut 40 Milliarden Euro für Zinsen wird der Bund wohl in diesem Jahr ausgeben und fast 50 Milliarden Euro neue Schulden machen. Von Sparvorschlägen ist in den Wahlprogrammen der Parteien aber wenig zu lesen. Dafür steht dort umso mehr, wo der Staat künftig mehr Geld ausgeben soll. Besonders bemerkenswert ist dabei die Rede von Olaf Scholz nach seiner Nominierung zum SPD-Kanzlerkandidaten. Es solle bei den Ausgaben kein Entweder-oder geben. Stattdessen plädierte Scholz für ein großes „Und“. Woher das Geld kommen soll – da bleibt Scholz vage.

Auch bei der CDU redet man nicht so gerne über die Gegenfinanzierung der Pläne im Wahlprogramm. Dabei kündigt die CDU so einiges an: Unternehmen sollen entlastet werden, die Pendlerpauschale steigen und die Umsatzsteuer in der Gastronomie sinken – um nur einige Beispiele zu nennen.

Über den Finanz-Experten Clemens Schömann-Finck

Über den Finanz-Experten Clemens Schömann-Finck
Clemens Schömann-Fink

Clemens Schömann-Finck ist Finanz-Experte und steht hinter dem Youtube-Kanal "René will Rendite". In seiner Kolumne bei FOCUS online beleuchtet er aktuelle Themen rund um Börse und Geldanlage. Abonnieren Sie hier seinen Newsletter für mehr Finanz-Infos.

Gewaltige Finanzlöcher tun sich auf

Es ist damit absehbar, dass neue Milliardenbelastungen auf den Bundeshaushalt zu kommen und sich somit die Finanzsituation weiter verschärft. Zusätzlich zu den Ankündigungen der Parteien ist schon jetzt klar, dass der Bund in den nächsten Jahren massiv mehr Geld brauchen wird.

  • Ändert sich nicht noch etwas am Zeitplan, sollen ab 2028 die während der Pandemie und der Energiekrise aufgenommenen „Notlagenkredite“ zurückgezahlt werden, und ab 2031 steht dann zusätzlich die Tilgung der Schulden des Bundeswehr-Sondervermögens an. Als Konsequenz wird der Bund ohne eine Änderung der Schuldenbremse ab 2031 bei einer normalen wirtschaftlichen Lage per Saldo kaum noch neue Schulden aufnehmen können (siehe Grafik).
  • Gleichzeitig kommen zusätzliche Belastungen auf den Bundeshaushalt zu: Spätestens 2028 dürfte das Bundeswehr-Sondervermögen aufgebraucht sein. Die Regierung muss also die notwendigen Mittel für die Modernisierung der Bundeswehr auf anderem Wege organisieren. Die Lücke ist gewaltig: Wenn Deutschland – wie in der NATO vereinbart – zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung ausgeben will, beläuft sich die Summe im Jahr 2028 auf rund 100 Milliarden Euro. Das ist fast doppelt so hoch wie derzeit für 2027 – dem letzten Jahr in der letzten gültigen Finanzplanung – mit knapp 52 Milliarden Euro eingeplant.
  • Zudem dürften in dieser Zeit ohne eine durchgreifende Rentenreform auch die Zuschüsse des Bundes zur gesetzlichen Rentenversicherung massiv steigen.
  • Schließlich muss die EU nach der aktuellen Rechtslage wohl ab Ende der 2020er Jahre die zur Finanzierung des „Wiederaufbaufonds“ aufgenommen Schulden aus ihrem Haushalt wieder tilgen, womit die EU-Beiträge der Mitgliedsländer eher steigen dürften.
Maximale von der Schuldenbremse erlaubte Nettokreditaufnahme auf Basis der Potenzial-Schätzung der Bundesregierung und der Commerzbank-Wachstumsprognose, ab 2030 Normalauslastung; Tilgungen für Notlagenkredite und Bundeswehr-Sondervermögen, in Mrd Euro
Bundesfinanzministerium, Commerzbank-Research Maximale von der Schuldenbremse erlaubte Nettokreditaufnahme auf Basis der Potenzial-Schätzung der Bundesregierung und der Commerzbank-Wachstumsprognose, ab 2030 Normalauslastung; Tilgungen für Notlagenkredite und Bundeswehr-Sondervermögen, in Mrd Euro

Die Schuldenbremse zu lockern ist keine Lösung

Die pauschale Antwort „Die Schuldenbremse lockern“ wird dabei nicht reichen, um das nötige Geld aufzutreiben – einmal davon abgesehen, dass neue Schulden für noch höhere Zinszahlungen sorgen. Schon jetzt gibt der Bund mehr Geld für Zinsen aus als für Gesundheit und Bildung. Selbst bei bei einer weitgehenden Lockerung der Schuldenbremse gäbe es mit den Regeln auf europäischer Ebene eine weitere Hürde. Diese sehen nach ihrer im Frühjahr endgültig beschlossenen Überarbeitung vor, dass die Mitgliedsländer auf mittlere Sicht ihr strukturelles Budgetdefizit auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes begrenzen und ihre Schuldenquote weiter drücken müssen. Damit läge das Schuldenlimit für Deutschland bei gut 63 Milliarden Euro. Dabei werden Investitionen grundsätzlich nicht anders behandelt als konsumtive Ausgaben.

Die neue Bundesregierung mag darauf hoffen, dass sich die EU-Kommission bei der Interpretation dieser Regeln sehr „flexibel“ zeigen wird. Allerdings würden viele Euro-Länder, die derzeit auch wegen dieser Regeln ihre Defizite eigentlich drücken müssen, eine deutliche Lockerung der deutschen Finanzpolitik sicherlich als Signal interpretieren, bei diesen Bemühungen weniger Ehrgeiz zu zeigen, womit der Anstieg der bereits jetzt hohen Staatsverschuldung im Euroraum weiter an Fahrt gewinnen würde.

Zusammengenommen heißt das: Für teure Wahlversprechen ist kein Platz. Der Bund kann froh sein, wenn er seine Finanzen selbst ohne zusätzliche Ausgaben in den Griff kriegt.