Söder will Bürgergeld für alle Ukrainer streichen – und stellt sich damit gegen Koalitionsvertrag

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Beim Bürgergeld fordert Markus Söder eine „komplette Veränderung“: Geht es nach dem CSU-Chef, sollten alle in Deutschland lebenden Ukrainer raus aus dem System.

Berlin – Die schwarz-rote Regierung will das Bürgergeld reformieren. CSU-Chef Markus Söder plädierte nun im ARD-Sommerinterview für eine „komplette Veränderung des Bürgergelds“. Dabei nannte der bayrische Ministerpräsident zwei Punkte: „Es muss endlich dafür gesorgt werden, dass jeder Arbeit annehmen muss, der arbeiten kann.“ Zudem sprach er sich dafür aus, dass die in Deutschland lebenden Ukrainer kein Bürgergeld mehr erhalten sollten, „und zwar am besten nicht nur die, die in der Zukunft kommen, sondern alle“. 

Söder will Bürgergeld für Ukrainer abschaffen – und widerspricht Koalitionsvertrag

Damit geht der CSU-Chef über das Vorhaben der schwarz-roten Regierung hinaus: Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD darauf verständigt, dass nur neu nach Deutschland kommende Ukrainer kein Bürgergeld mehr erhalten sollten. Söder begründete seine neue Forderung mit Donald Trumps neuen US-Handelszöllen. Dadurch verändere sich die wirtschaftliche Lage und die Koalition aus Union und SPD brauche ein „Update, was wirtschaftlich notwendig ist“.

„Wir werden dieses System Bürgergeld vom Kopf auf die Füße stellen, da werden sich zweistellige Milliardenbeträge einsparen lassen“, hatte Bundeskanzler Friedrich Merz im Wahlkampf mit Blick auf eine Bürgergeld-Reform angekündigt. Mit Blick auf den Bundeshaushalt sieht es in Sachen Einsparungspotential schon deutlich verhaltener aus: Der Haushaltsentwurf für 2026 sieht 1,5 Milliarden Euro weniger für den Regelsatz und die Kosten der Unterkunft vor.

Bürgergeld: Zahlungen steigen auf 47 Milliarden Euro

Im vergangenen Jahr sind die Zahlungen für Menschen im Bürgergeld auf 46,9 Milliarden Euro gestiegen – ein Plus von rund vier Milliarden Euro, wie die Deutsche Presse-Agentur meldet. Dies geht aus der Antwort des Bundessozialministeriums auf eine kleine Anfrage der AfD im Bundestag hervor. Den Regierungsangaben zufolge wurden etwa 24,7 Milliarden Euro oder 52,6 Prozent der Gesamtsumme an Deutsche ausgezahlt, 22,2 Milliarden Euro an Menschen ohne deutschen Pass (47,4 Prozent). Diese Aufteilung liegt in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. 

CSU-Chef Markus Söder: Alle ukrainischen Geflüchteten sollen aus Bürgergeld raus.
CSU-Chef Markus Söder: Alle ukrainischen Geflüchteten sollen aus Bürgergeld raus. (Symvolbild) © IMAGO/Frank Hoermann / SVEN SIMON

In der Gruppe der ausländischen Bezieher sind mehrere Hunderttausend Ukrainerinnen und Ukrainer und deren Kinder, die seit 2022 vor dem russischen Angriffskrieg nach Deutschland geflüchtet sind. An sie flossen 2024 laut Ministerium rund 6,3 Milliarden Euro. Der AfD-Abgeordnete René Springer kritisierte: „Die Ausgaben beim Bürgergeld schießen weiterhin unkontrolliert in die Höhe.“ Er verband dies mit der Forderung: „Ausländern ist der Zugang zum Bürgergeld grundsätzlich zu verwehren.“

Bürgergeld: Experte wiederspricht AfD-Argument – Anstieg auf Inflation zurückzuführen

Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg widerspricht jedoch in beiden Punkten. Der jüngste Anstieg der Gesamtsumme erkläre sich unter anderem mit einer deutlichen Erhöhung der Regelsätze 2023 und 2024 wegen der Inflation. In diesem Jahr folgte eine Nullrunde, dies wird auch für 2026 erwartet. „Das ist also kein Trend, der absehbar so weiter gehen wird“, sagte Weber gegenüber dpa. Die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten gehe zudem seit Herbst 2024 zurück. „Das ist eine Trendwende“, sagte der Wissenschaftler. 

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marc Biadacz, bezeichnete den Anstieg der Ausgaben als Weckruf. Die Entwicklung erhöhe den Reformdruck erheblich, sagte der CDU-Politiker dem Handelsblatt. Deutschland brauche schnell die im Koalitionsvertrag vereinbarte neue Grundsicherung, die Arbeit in den Mittelpunkt stelle, Vermittlung stärke und klare Mitwirkungspflichten vorsehe. An die Adresse von Ressortchefin Bärbel Bas (SPD) sagte er: „Das Bundesarbeitsministerium muss jetzt liefern.“ (pav/dpa)

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