Macron vor Besuch bei Scholz über Ukraine-Hilfe: „Haben unserem Vokabular zu viele Grenzen gesetzt“

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Emmanuel Macron setzt vor seinem Berliner-Besuch den Ton bei der Ukraine-Unterstützung. Auch Olaf Scholz darf sich bei der Kritik angesprochen fühlen.

Paris – In Berlin werden an diesem Freitag die Weichen für die weitere Unterstützung der Ukraine gestellt. Bevor er zum Besuch bei Bundeskanzler Olaf Scholz aufbrach, verdeutlichte Emmanuel Macron in einem Interview mit den TV-Sendern TF1 und France 2 noch einmal, dass Russland im Ukraine-Krieg nur mit der Demonstration von Stärke beizukommen sei.

Macron zum Ukraine-Krieg: Westen muss „für den Frieden stark sein“

„Unsere Verantwortung ist es, für den Frieden stark zu sein“, betonte Frankreichs Präsident in dem gut halbstündigen Gespräch und verwies auf die europäische Einheit: „Unsere Einheit zu halten, bedeutet, stark zu sein - stark zu sein, um abzuschrecken, stark zu sein, um Widerstand zu leisten, stark zu sein für unsere Sicherheit.“

Sollte Russland den Krieg gewinnen, „wird die Glaubwürdigkeit Europas auf Null sinken. Welche Glaubwürdigkeit hätte eine Macht wie die Europäische Union vor unseren Mitgliedern, die das zugelassen hat?“ Es würde keine Sicherheit mehr geben auf dem Kontinent. Nicht für Frankreich und erst recht nicht für die Länder im Osten: „Glauben Sie, dass die Polen, die Litauer, die Esten, die Letten, die Rumänen, die Bulgaren eine Sekunde lang in Frieden leben können? Und ich spreche noch nicht einmal von Moldau, das zwar heute nicht in der Europäischen Union ist, aber in jeder Sekunde bedroht wäre.“

Zeigt sich entschlossen: Emmanuel Macron will bei der Hilfe der Ukraine keine Grenzen setzen. © Twitter/@TF1Info

Macron fordert im Interview: „Entschlossenheit, Willen und Mut“ zeigen - Verweis auf Scholz?

Für Macron ist deshalb klar: „Um Frieden in der Ukraine zu haben, dürfen wir einfach nicht schwach sein. Und deshalb müssen wir die Situation klar betrachten und mit Entschlossenheit, Willen und Mut sagen, dass wir zum Einsatz bereit sind.“

Dabei monierte Frankreichs Staatsoberhaupt auch das bisherige Vorgehen: „Wir haben unserem Vokabular, wenn ich das sagen darf, zu viele Grenzen gesetzt.“ Das führte der 46-Jährige auch weiter aus: „Vor zwei Jahren haben wir gesagt, dass wir niemals Panzer schicken. Dann haben wir es getan. Vor zwei Jahren haben wir gesagt, dass wir niemals Mittelstreckenraketen schicken. Dann haben wir es getan.“

So würden definitive Aussagen, „die von einigen in Europa gemacht werden“, relativiert werden. Auch wenn Macron hier keinen Namen nannte, könnte sich Scholz angesprochen fühlen. Denn der SPD-Politiker schließt eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern weiter kategorisch aus. Erst am Donnerstag war die Union mit einem entsprechenden Antrag im Bundestag gescheitert.

Macron warnt die Ukraine-Unterstützer: „Wenn wir schwach sind, entscheiden wir uns für die Niederlage“

Jedenfalls warnte Macron in dem Interview davor, sich von den Drohgebärden Wladimir Putins einschüchtern zu lassen. „Wenn wir uns heute entscheiden, schwach zu sein, wenn wir angesichts von jemandem, der keine Grenzen kennt, angesichts von jemandem, der alle Grenzen überschritten hat, naiv sagen: ‚Ich gehe nicht weiter als dies oder jenes.‘ In diesem Moment entscheiden wir uns nicht für den Frieden. Wir entscheiden uns bereits für die Niederlage“, nennt er die Folgen der Zögerlichkeit.

Diese Sätze fielen auf die Frage, ob er tatsächlich über die Entsendung von französischen Bodentruppen in die Ukraine nachdenke. Ansonsten ließ Macron diesem Zusammenhang wissen: „Wir haben ein Ziel: Russland kann und darf diesen Krieg nicht gewinnen. Seit zwei Jahren haben wir der Ukraine geholfen, und wenn die Dinge eskalieren sollten, wäre wieder einmal nur Russland dafür verantwortlich.“

Emmanuel Macron sitzt am Tisch mit den beiden Journalisten
Historisches Ambiente: In dem Saal des Élysée-Palasts sollen vor gut vier Jahren auch Kreml-Chef Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj aufeinandergetroffen sein. © Twitter/@TF1Info

Macron und die Atomwaffen: „Kein Instrument der Bedrohung, sondern eine Sicherheit“

Für ihn gelte: „Wir werden niemals eine Offensive führen, niemals die Initiative ergreifen. Frankreich ist eine Macht des Friedens.“ Dies sei umso wichtiger, da sein Land eine Nuklearmacht ist. Daher habe Frankreich eine „besondere Verantwortung, niemals die Eskalation zu suchen, weder verbal noch in Taten“. Atomwaffen seien „kein Instrument der Bedrohung, sondern eine Sicherheit“.

Was Putin und seine Gefolgsleute offenbar anders sehen. Moskau spielt regelmäßig offen mit dem Gedanken eines Einsatzes von Massenvernichtungswaffen. Was jedoch eher wie ein Mittel zur Abschreckung der Ukraine-Unterstützer wirkt.

Macron selbst habe bereits „hunderte von Stunden“ mit dem Kreml-Chef verhandelt. Nach eigenen Angaben mehr als jeder andere amtierende Spitzenpolitiker. Doch solche Diskussionen seien überflüssig geworden, seit Putin keinerlei Regeln mehr respektiere.

Macron trifft Scholz und Tusk: Weimarer Dreieck berät über Unterstützung der Ukraine

Im Dezember 2019 fand im Élysée-Palast auch das einzige Treffen zwischen Russlands Herrscher und dem erst wenige Monate zuvor ins Amt gekommenen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj statt. Laut Macron sogar im selben Saal wie nun das Interview.

Ein Dreiertreffen ganz anderer Art steigt in Berlin. Neben Macron hat Scholz auch den neuen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk eingeladen. Dessen Land so entschlossen hinter der Ukraine steht wie wohl kein anderes in Europa – was nicht zuletzt der gemeinsamen Grenze geschuldet sein dürfte. Damit treffen sich die Spitzenpolitiker des sogenannten Weimarer Dreiecks erstmals seit Juni 2023.

Damals hatte die Ukraine nach monatelanger Vorbereitung ihre mit großen Erwartungen aus dem Westen begleitete zweite Gegenoffensive gestartet. Die Wagner-Söldner machten sich auf einen abgebrochenen Marsch in Richtung Moskau – auf Befehl ihres später bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Chefs Jewgeni Prigoschin. In Deutschland kam die Debatte über Taurus-Lieferungen langsam in Gang. Doch kein Politiker im Westen schien damals ernsthaft darüber nachzudenken, eigene Soldaten in die Ukraine zu schicken. (mg)

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