„Keine risikofreie Menge“ bei Alkohol: Laut Fachgesellschaft ist schon ein Glas Wein am Abend ungesund

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Neue Auswertungen zeigen: Schon kleinste Mengen Alkohol können schaden. Was nach bisherigen Empfehlungen okay war, wird nun als gefährliche Mengen eingestuft.

Bonn – Ein Bierchen gilt unter Fußballern nach dem Training als isotonische Erfrischung, einem Gläschen Rotwein hat man lange sogar eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt. Solange man sich mäßigt, ist Alkohol halb so wild, so der generelle Glauben. Diesem Irrtum widerspricht nun die Deutschen Ernährungsgesellschaft (DGE) deutlich.

Nach Auswertung neuer Daten stellt die Fachgesellschaft klar, dass schon ab den ersten Tropfen Alkohol schädlich ist. Und passt daher ihre Handlungsempfehlung fürs Trinken an. Wer sich jeden Abend nach der Arbeit ein kleines Bier oder ein Glas Wein gönnt, setze seine Gesundheit schon einem erheblichen Risiko aus. Egal ob Mann oder Frau.

„Eine psychoaktive Droge“: DGE warnt vor den Folgen von Alkohol

Nach bisherigen Verständnis konnten Männer mehr vertragen. Doch: „Es gibt keine risikofreie Alkoholmenge“, stellt die DGE in ihrem neuen Positionspapier klar. Wer Alkohol trinkt, gefährdet seine Gesundheit. Schon geringe Mengen könnten das Risiko verschiedenster Krankheiten erhöhen.

Zwei Frauen sitzen gemeinsam auf dem Sofa und trinken ein Glas Rotwein. (Symbolfoto)
Ein Gläschen Rotwein am Abend soll ein kleines Wunder für die Herzgesundheit bewirken. Ein Mythos, wie auch die DGE nochmals klarstellt. Neue Auswertungen in deren Positionspapier zeigen, dass schon kleinste Mengen immer schädlich sind. (Symbolfoto) © Imago

Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zufolge, zählen Leber- und Krebserkrankungen zu den häufigsten Folgen von Alkoholkonsum. Demenz oder andere Schäden des Gehirns sowie Störungen und Veränderungen der Persönlichkeit können ebenfalls entstehen.

„Alkohol ist eine psychoaktive Droge und wurde als kausaler Faktor für mehr als 200 negative gesundheitliche Folgen wie Krankheiten und Unfälle identifiziert“, schreibt die DGE weiter. In einem kürzlichen Fall verwechselte ein 18-Jähriger einen Alkohol-Kater mit einer tödlichen Krankheit.

Bisherige Mengen fast doppelt so hoch: DGE korrigiert Empfehlungen für Alkoholkonsum

Nach einer neuen Risikobewertung stuft die DGE schon ein bis zwei kleinere Gläser Wein (280 ml) oder ein bis zwei kleine Flaschen Bier (660 ml) in der Woche als gefährlich ein, obgleich das Risiko gering sei. Bis zu fünf kleine Gläser Wein (825 ml) oder sechs kleine Flaschen Bier (2 L) trinkt, nimmt ein moderates Gesundheitsrisiko in Kauf, alles darüber sei riskant. Frei von Risiko sei nur die Null-Promille-Grenze. Eine Ausnahme dürfte das Eigenbrauer-Sydrom sein, an dem ein Mann aus den USA leidet.

Die neuen Handlungsempfehlungen für Alkohol der DGE.
Nach neuem Positionspapier der Deutschen Ernährungsgesellschaft (DGE) sind die Handlungsempfehlungen für Alkohol deutlich strikter. Entgegen gängigen Konsens können schon kleine Mengen schädlich sein. © Deutschen Ernährungsgesellschaft (DGE)

Damit korrigierte die Fachgesellschaft die bisherigen Empfehlungen von maximal 70 Gramm pro Woche für Frauen und 140 Gramm für Männer. „Nach den aktuellen Daten, die wir im Positionspapier veröffentlicht haben, würden Frauen mit dieser Menge bereits nahe am riskanten Bereich von ( >81 g/Woche ) liegen, bei Männern mit 140 g/Woche wäre der Konsum sogar doppelt so hoch, wie die riskante Menge“, erklärt DGE-Pressesprecherin Antje Gahl auf Anfragen von IPPEN.MEDIA.

Nach der neuen Empfehlung werden keine geschlechterspezifischen Unterschiede mehr gemacht. Die Mengen beruhen auf neuen Berechnungen des Canadian Centre on Substance Use and Addiction aus 2023 sowie berücksichtigter Daten der Global Burden of Disease Study aus dem Jahr 2022. 

WHO warnt: Alle zwölf Sekunden stirbt auf der Welt jemand durch Alkohol

Der Alkoholkonsum in Deutschland ist alarmierend hoch – auch, weil er kulturell verwurzelt ist, wie die Weltgesundheitsorganisation erst kürzlich mahnte. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit 12,2 Liter jährlichen Pro-Kopf-Konsum mehr als doppelt über dem weltweiten Durchschnitt (5,5 L). Untersucht wurde das Trinkverhalten ab 15 Jahren.

Ein Gläschen schadet nicht – hinter dem Mythos steckt das französische Paradoxon

Ein Bierchen hier, ein Schnäpschen da – nach einer generellen Annahme habe das keine Auswirkung auf die Sterblichkeit. Einer längst überholten Studie zufolge, sei etwas Rotwein der Herz-Kreislauf-Gesundheit sogar zuträglich. Dieser Irrglaube wird dem französischen Paradoxon zugeschrieben, einer Hypothese, dass die Menschen in Frankreich trotz Alkohol- und Fettkonsums vergleichsweise länger leben würden. Die DGE widerspricht nun deutlich.

Doch die Folgen sind erschreckend: Alle zwölf Sekunden stirbt auf der Welt ein Mensch durch Alkohol, schreibt die WHO. Das seien jährlich etwa 2,6 Millionen Menschen. Alleine in Deutschland sterben rund 20.000 daran, wie die BZgA informiert. Fast jede dritte Gewalttat würde unter Alkoholeinfluss begangen, bei mehr als 35.000 Verkehrsunfällen sei Alkohol im Spiel. Die WHO fordert daher höhere Steuern auf Alkohol und Zucker.

Auffällig sind die geschlechterspezifischen Unterschiede. Weltweit sterben rund dreimal so viele Männer an den Folgen von Alkohol als Frauen und werden fast dreimal so oft wegen alkoholbedingter Verhaltensstörungen behandelt. „Die DGE empfiehlt, auf alkoholische Getränke zu verzichten“, heißt es in dem neuen Positionspapier. „Wer dennoch Alkohol trinkt, soll vor allem hohe Alkoholmengen und Rauschtrinken vermeiden. Das gilt insbesondere für junge Menschen. Kinder, Jugendliche, Schwangere und Stillende sollen auf Alkohol generell verzichten“, sagt Dr. Kiran Virmani, Geschäftsführerin der DGE. (rku)

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