Badehaus Waldram-Föhrenwald: Dank junger Dokumentarfilmer bekommt „Geschichte ein Gesicht“

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Bescherten den Besuchern einen informativen Abend: Junge, ehrenamtlich engagierte Mitglieder des Vereins Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald sowie Schülerinnen und Schüler des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums in Icking. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Junge „Badehäusler“ und Ickinger Gymnasiasten berichten über Zeitzeugeninterviews – und eine Einladung in die Residenz des israelischen Staatspräsidenten.

Wolfratshausen – Vor knapp einem Jahr reisten sie nach Israel, um sich dort mit einstigen Bewohnern des ehemaligen DP-Lagers Föhrenwald zu treffen und diese Zeitzeugeninterviews zu filmen. Zur Premiere der Dokumentation „(Dis)placed“ luden die jungen, ehrenamtlich engagierten Mitglieder des Vereins Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald am Sonntagabend auch Schüler des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums in Icking ein. Dort beschäftigten sich zwei Seminare mit Schicksalen von Holocaust-Überlebenden und Heimatvertriebenen.

„Das macht mir Mut und Hoffnung. Da braucht es uns um Deutschland nicht bange zu sein“, zeigte sich Badehaus-Vorsitzende Dr. Sybille Krafft am Ende des Abends begeistert. Zuvor berichteten zunächst Rhiannon Moutafis, André Mitschke sowie die Brüder Jonathan und Joseph Coenen über die Eindrücke während der Dreharbeiten in Israel.

„Wir kamen da mit einem richtigen Filmstudio an und haben die Wohnungen unserer Gastgeber umdekoriert“, so Mitschke rückblickend. Beim selbstauferlegten Pensum von drei Interviews pro Tag kam mitunter sogar Zeitdruck auf. Doch es gab auch Überraschungen, wie beispielsweise den von einem interviewten Israeli vermittelten Kurzbesuch der Residenz des israelischen Staatspräsidenten Benjamin Netanjahu. Im Oktober stoppte der Ausbruch des Krieges mit der Hamas erneute Dreharbeiten.

Dennoch reichte das Material für einen sehenswerten Dokumentarfilm, in dem die Zeitzeugin Lea Goren ihre abenteuerliche Lebensgeschichte erzählte. Ihre Mutter brachte sie kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf der zweijährigen Flucht in der Nähe der polnischen Stadt Chelm zur Welt. Danach führte die Odyssee der Familie ins Lager Föhrenwald. Dort hätte die kleine Lea ihren Vater beinahe an die Militärpolizei verraten, weil er in seinem Lebensmittelgeschäft unerlaubterweise Zigaretten verkauft und die Packungen unter der Matratze ihres Kinderbettes versteckt hatte. Doch die Kontrolleure verstanden den undeutlich gemurmelten jiddischen Hinweis der damals Zweijährigen nicht, sodass ihre Eltern straffrei blieben.

Neue Ausstellung im Badehaus
Im Max-Mannheimer-Forum des Badehauses am Kolpingplatz in Waldram ist seit Sonntag eine neue Ausstellung zu sehen. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Krieg in Israel macht Ickinger Gymnasiasten Strich durch den Drehplan

Kurz darauf misslang der Familie 1947 die Übersiedlung nach Palästina, weil die Briten die Passagiere des Flüchtlingsschiffes „Exodus“ wieder zurück nach Europa schickten. Erst nach der Gründung des Staates Israel fand Lea Goren dort 1948 ihre neue Heimat und hat mittlerweile vier Söhne und vier Enkelkinder.

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„Es war eine schlechte Zeit, aber wir haben sie überwunden und leben nun weiter“, sagte die Seniorin am Ende des Films. Für Kameramann André Mitschke war die Begegnung mit ihr eine wichtige Erfahrung. „Die Geschichte bekommt ein Gesicht, wenn man mit Menschen redet“, betonte er am Sonntag in der abschließenden Gesprächsrunde.

So wie ihm ging es auch den Schülern und Schülerinnen des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums in Icking. Weil eine Reise nach Israel für sie aufgrund des Krieges nicht mehr möglich war, unterhielten sie sich online mit den Zeitzeugen. Dabei erfuhr ein Seminarteilnehmer zum Beispiel, dass der heute 76-jährige Föhrenwalder Abraham Ben im Münchner Stadtteil Giesing gemeinsam mit dem kürzlich verstorbenen Fußballidol Franz Beckenbauer dieselbe Schule besuchte.

Badehaus-Vize-Vorsitzender Jonathan Coenen ermunterte die jungen Ickinger, sich nach ihrem Abitur für die Erinnerungsarbeit im Badehaus zu engagieren. „Wir haben hier viele Plätze frei für euch“, bot er an. Eine am Sonntagabend eröffnete Ausstellung, in die die Erkenntnisse der neuen Zeitzeugeninterviews eingeflossen sind, ist im Max-Mannheimer-Forum des Badehauses am Kolpingplatz zu sehen.

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