Ausbeutung von Arbeitskräften - Azubi muss 66 Stunden pro Woche in Restaurant schuften und bekommt Hungerlohn
Ein 21-jähriger Azubi aus Vietnam arbeitete in einem Berliner Restaurant, das von einem Arbeitgeber mit vietnamesischer Zuwanderungsgeschichte geführt wird. Obwohl sein Ausbildungsvertag eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden und eine Vergütung von 1100 Euro vorschrieb, musste er nach eigenen Angaben im Schnitt 66 Stunden pro Woche arbeiten und erhielt dafür nur 419 Euro in bar. Nach einem Monat wurde Xuan gekündigt. Das berichtet der MDR.
IHK Berlin erklärt Ausbildungsvertrag für ungültig
Dem Bericht zufolge wandte sich der junge Mann an die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, die seinen Ausbildungsvertrag für ungültig erklärte. Der Vertrag sei von einer Person abgeschlossen worden, die nicht berechtigt war, als Ausbilder zu fungieren. Xuan hatte dieser Person eine Vermittlungsgebühr von 6000 Euro gezahlt.
Studie: Schlechte Bedingungen und Hungerlohn für vietnamesische Azubis in Deutschland
Eine aktuelle Studie der Freien Universität Berlin, auf die sich der MDR bezieht, zeigt, dass vietnamesische Azubis häufig unter schwierigen Bedingungen arbeiten und ausgebeutet werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte in diesem Jahr eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, um faire Bedingungen für vietnamesische Fachkräfte zu schaffen.
„Arbeitsausbeutung gehört in manchen Branchen zum System“
In Deutschland ist arbeitsrechtliche Ausbeutung laut der Hans-Böckler-Stiftung ein bedeutendes Problem. Studien und Befragungen zeigten, dass besonders in Branchen wie Reinigung, Gastronomie, Hotelgewerbe, Logistik und Bauwirtschaft ausbeuterische Arbeitsverhältnisse vorhanden seien. Auch wenn der Paragraf 233 des Strafgesetzbuches seit 2016 verschärft wurde, gibt es laut René Böhme von der Universität Bremen ein „klares Kontrollversagen“ bei der Durchsetzung der Regelungen. Er schätzt, dass es jährlich bis zu 200.000 Fälle gibt, obwohl nur 10 bis 30 Fälle in die Kriminalstatistik eingehen.
Betroffene, oft aus Ländern wie Rumänien, Bulgarien, oder Syrien, haben meist nicht die Mittel, um sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen zu wehren. Fehlende Sprachkenntnisse, soziale Unterstützung und finanzielle Ressourcen verhindern häufig eine Beschwerde.
Experten fordern daher bessere staatliche Kontrollen und Unterstützung für die betroffenen Arbeitnehmer, um die systemische Ausbeutung zu bekämpfen. „Arbeitsausbeutung gehört in manchen Branchen zum System“, so Christina Schildmann von der Hans-Böckler-Stiftung.
Jede zweite ausländische Fachkraft wird in Deutschland Opfer von Diskriminierung
Ausbeutung ist das eine, Diskriminierung ein weiteres Problem. Laut einer OECD-Studie wird jede zweite ausländische Fachkraft in Deutschland diskriminiert. Besonders häufig berichten Betroffene von Benachteiligungen auf dem Wohnungsmarkt sowie von Diskriminierung und Rassismus in Geschäften, Restaurants und auf der Straße. „Das sind erschreckend hohe Werte“, betonte Thomas Liebig von der OECD.
Die Studie zeigt auch, dass die meisten Befragten sich über lange Wartezeiten für Visa beklagen. In der Türkei bewertet jeder dritte Befragte seine Erfahrungen mit dem deutschen Einwanderungssystem als „eher schlecht“ oder „sehr schlecht“. Die OECD empfiehlt daher, die Visastellen im Ausland und die Ausländerbehörden in Deutschland personell besser auszustatten und Maßnahmen gegen Diskriminierung und Rassismus zu verstärken.