Ukraine-Krieg - Stimmen und Entwicklungen - Klitschko bringt Ukraine-Referendum ins Spiel - Selenskyj riskiere politischen Selbstmord

Klitschko bringt Ukraine-Referendum ins Spiel - Selenskyj riskiere politischen Selbstmord

Sonntag, 21. Juli, 16.32 Uhr: Im Ringen um eine Lösung des Ukraine-Kriegs könnte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach den Worten von Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko auf ein Referendum zurückgreifen müssen. „Denn ich glaube nicht, dass er ohne Legitimation des Volkes so schmerzhafte und wichtige Vereinbarungen allein treffen kann“, sagte Klitschko in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“.

Die Debatten um mögliche Szenarien für einen Friedensschluss mit Russland stellen den Präsidenten nach Einschätzung von Klitschko vor große Schwierigkeiten. Die kommenden Monate würden für Selenskyj sehr schwierig, sagte er. „Wird er den Krieg mit neuen Toten und Zerstörung fortsetzen oder einen territorialen Kompromiss mit (dem russischen Präsidenten Wladimir) Putin in Betracht ziehen?“, fragte Klitschko. „Wie auch immer er sich entscheidet, unser Präsident riskiert politischen Selbstmord.“

Beide Szenarien könnten ihn in Erklärungsnot bringen. Insbesondere mögliche territoriale Zugeständnisse, die einen Gebietsabtritt an Russland zur Beendigung des Krieges vorsehen würden, könnten den Ukrainern nur schwer zu vermitteln sein. „Wie soll er dem Land und den Menschen erklären, dass es notwendig ist, Teile unseres Territoriums aufzugeben, die Tausende unserer kämpfenden Helden das Leben gekostet haben?“, so Klitschko weiter.

Die Bildung einer Koalition der nationalen Einheit, wie es in Israel nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober geschah, könnte eine Möglichkeit für die Ukraine sein, für Stabilität und größeren Rückhalt zu sorgen, sagte Klitschko weiter. Er sei sich jedoch nicht sicher, ob Präsident Selenskyj dazu bereit sei, die in seinen Händen zentralisierte Macht aufzugeben, die ihm seit dem ersten Tag der russischen Invasion das Kriegsrecht garantiert hat.

Klitschko und Selenskyj gelten als politische Konkurrenten, dem Ex-Boxweltmeister werden Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt. Angesprochen auf ihr Verhältnis sagte Klitschko nun: „Um es klar zu sagen, ich habe immer gute Beziehungen zu ihm gehabt, er ist es, der schlechte zu mir hat.“ Klitschko betonte zugleich, dass er angesichts des Ablaufs von Selenskyjs Amtszeit im Mai Wahlen zum jetzigen Zeitpunkt für falsch hält.

Mordkomplott? Prominente Politikerin in Ukraine erliegt Schussverletzungen

Samstag, 20. Juli, 13.53 Uhr: Im Westen der Ukraine ist die wegen ihrer antirussischen Äußerungen bekannte rechtsnationalistische frühere Parlamentsabgeordnete Iryna Farion durch einen Schuss in den Kopf getötet worden. Die 60-Jährige erlag in Lwiw (Lemberg) im Krankenhaus ihren Verletzungen. Die Polizei und Geheimdienstmitarbeiter seien auf der Suche nach dem Täter, sagte der ukrainische Innenminister Ihor Klymenko. Farion hatte vor allem die in der Ukraine verbreitete russische Sprache mit radikalen Aussagen bekämpft. Ihre rechtsnationalistische Partei Swoboda vermutet deshalb eine russische Spur in dem Mordfall.

Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte den Anschlag auf Farion und wies Innenminister Klymenko und den Geheimdienstchef Wassyl Maljuk an, das Verbrechen aufzuklären. Die Verantwortlichen müssten zur Verantwortung gezogen werden, sagte der Staatschef. Farion war am Freitagabend vor ihrem Wohnhaus durch einen Schuss in die Schläfe lebensgefährlich verletzt worden. Im Krankenhaus kämpften Ärzte ohne Erfolg um ihr Leben.

Mögliche russische Spur und Genugtuung in Moskau

Innenminister Klymenko sieht einen Zusammenhang zwischen dem Mord und Farions gesellschaftlicher Tätigkeit. „Die grundlegenden Versionen, die derzeit in Betracht gezogen werden, sind persönliche Feindseligkeit, soziale und politische Aktivitäten von Frau Farion. Wir schließen nicht aus, dass es sich um einen Auftragsmord handelt“, schrieb der Minister bei Telegram. Auch er schloss eine russische Spur nicht aus.

Farion hatte wegen Äußerungen, die sich gegen die russischsprachige Bevölkerung richteten, auch Ärger mit der ukrainischen Justiz. Sie verlor etwa nach Protesten von Studierenden zeitweilig ihre Stelle an der Universität, an der die studierte Philologin Ukrainisch lehrte. Unter anderem hatte die Professorin scharf kritisiert, dass viele ukrainische Soldaten an der Front weiter ihre Muttersprache Russisch sprechen. Für den Kampf gegen den russischen Angriffskrieg kaufte sie nach eigenen Angaben selbst auch Drohnen.

Kind bei Raketenschlag auf ukrainische Großstadt getötet

21.54 Uhr: Infolge eines russischen Raketenschlags sind in einem Wohngebiet in der südukrainischen Großstadt Mykolajiw mindestens drei Menschen getötet worden, unter ihnen ein Kind. „Ein Einschlag auf einen Kinderspielplatz nahe einem gewöhnlichen Haus“, schrieb Präsident Wolodymyr Selenskyj bei Telegram. Fünf weitere Menschen seien verletzt worden. Selenskyj sprach den Angehörigen sein Mitgefühl aus und erneuerte seine Forderung nach stärkerer Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes.

Die Ukraine wehrt seit über zwei Jahren eine russische Invasion ab. Aufgrund der ständigen Raketen- und Drohnenangriffe mit zivilen Opfern drängt Kiew seine westlichen Verbündeten immer wieder zu neuen Lieferungen von Mitteln für die Flugabwehr.

US-Journalist Evan Gershkovich in Russland zu 16 Jahren Haft verurteilt

Freitag, 19. Juli, 14.12 Uhr: Die russische Justiz hat den US-Reporter Evan Gershkovich in einem umstrittenen Prozess wegen angeblicher Spionage zu 16 Jahren strenger Lagerhaft verurteilt. Das meldeten russische Nachrichtenagenturen aus dem Gericht in der Stadt Jekaterinburg am Ural.