Rentenplan von Heil und Lindner - Ökonomen zerlegen Rentenpaket: „Alles, was man falsch machen kann, ist falsch gemacht“
Das Rentenpaket von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist im Kabinett beschlossen worden. Es fixiert vor allem das Rentenniveau bei 48 Prozent. Was Heil als wichtigen Schritt für einen auskömmlichen Ruhestand lobt, kritisieren Ökonomen hingegen scharf. Ein Überblick.
Kaum ein gutes Haar lassen Wirtschaftsexperten am Rentenpaket II von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Selten hörte man so viele scharfe Verurteilungen aus so vielen verschiedenen Richtungen. FOCUS online hat die Meinungen zusammengetragen:
„Das ist ein großer Wurf ins Unheil“, Rentenökonom Bernd Raffelhüschen

Rentenökonom Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwissenschaft an der Universität in Freiburg sagte im Interview auf dem TV-Sender Phoenix: „Das ist ein großer Wurf ins Unheil. Wir haben die Generationengerechtigkeit in diesem Rentenpaket mit Füßen getreten, wir haben kein Verursacherprinzip angelegt, wir haben das gesetzliche Rentenzugangsalter weiterhin konstant gehalten, also eigentlich alles, was man falsch machen kann, ist falsch gemacht.“
Raffelhüschen kritisiert regelmäßig, dass die Last in der gesetzlichen Rentenversicherung zunehmend den Beitragszahlern aufgebürdet wird: „Das ist etwas, was nicht generationengerecht ist und auch nicht verursachergerecht ist, denn der Verursacher der Last sind nicht unsere Kinder sondern die geburtenstarken Jahrgänge, diese haben es selbst verschuldet, dass es so wenige Beitragszahler gibt.“ 45,8 Millionen Erwerbstätige finanzieren aktuell 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner. Um das Rentenniveau bei 48 Prozent zu halte, soll der Beitragssatz von derzeit 18,6 Prozent auf 20 Prozent im Jahr 2028 und 22,3 Prozent im Jahr 2035 steigen.
“Es ist nicht generationengerecht", Monika Schnitzer, Chefin der Wirtschaftsweisen

Die Chefin des Sachverständigenrats für Wirtschaft, die sogenannten Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, sagte der „Rheinischen Post“: „„Das Rentenpaket II ist leider das Gegenteil des Vorschlags des Sachverständigenrats. Es ist nicht generationengerecht und schon gar nicht der benötigte große Wurf, um das Rentensystem langfristig zu stabilisieren.“ Schnitzer und die anderen Experten des Gremiums fordern, die Renten, statt wie bisher an die Lohnentwicklung an die Preisentwicklung zu koppeln (Was das für Rentner bedeuten würde, lesen Sie hier ). Auch das geplante Generationenkapital kritisiert sie. Es bleibe „weit hinter dem Vorschlag des Sachverständigenrats zur Aktienrente zurück und wird das Rentensystem nicht wesentlich entlasten“, so Monika Schnitzer in der RP.
„Ein Tropfen auf den heißen Stein“, DIW-Chef Marcel Fratzscher

DIW-Chef Marcel Fratzscher, ein regelmäßiger Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz, hält das Rentenpaket II der Bundesregierung für einen Fehler. Es sei zwar „eine gute Nachricht für die Babyboomer“, sagte er „ntv.de“. „Aber konkret heißt das auch, dass eine noch stärkere Umverteilung von Jung zu Alt stattfindet. Denn um das Rentenniveau stabil zu halten, werden die Beiträge der Beschäftigten steigen müssen, von im Augenblick 18,6 Prozent auf 22,3 Prozent im Jahr 2035.“
Auch Fratzscher kritisiert die geplanten Aktienrente. Das sogenannte Generationenkapital in Höhe von 200 Milliarden Euro werde „nicht genug Rendite generieren, um die gesetzliche Rente spürbar zu entlasten“. Es gehe um zehn Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen pro Jahr. „Das ist. Das wird vorn und hinten nicht reichen, um die gesetzliche Rente besser zu unterstützen.“
Ihn stört zudem die Finanzierung des sogenannten Generationenkapital über Schulden: „Ich halte das für eine schlechte Idee. Nicht, weil es prinzipiell unsinnig wäre, sondern weil es die falschen Prioritäten setzt. Der Bundesfinanzminister und die Bundesregierung nehmen Schulden auf, um das Geld in ausländische Unternehmen zu investieren. Sie wollen keine Schulden aufnehmen, um in Bildung, in Qualifizierung, in gute Infrastruktur in Deutschland zu investieren.“
„Wir stehen zwei, drei Jahre vor einem richtigen Sprung bei den Rentenbeitragssätzen.“, Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied der Wirtschaftsweisen

„Das Rentenpaket II kündigt im Grunde die Lastenaufteilung zwischen Jung und Alt für die Folgen der demografischen Alterung auf. Ob das gerecht ist, weiß ich nicht. Aber es ist auf jeden Fall eine kurzsichtige Reform“, sagt Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied der Wirtschaftsweisen im „ZDF“.
„Wir stehen ohnehin zwei, drei Jahre vor einem richtigen Sprung bei den Renten-Beitragssätzen“, so der Ökonom. Der Anstieg werde schnell auf 20 Prozent gehen und weiter steigen, auch nach den aktuellen Regeln, das Rentenpaket werde diesen Vorgang nun beschleunigen: „Der Prozess entfaltet sich über 10, 15 Jahre immer stärker. Es geht im Zeitraum bis 2039, den dieses Rentenpaket jetzt umfassen soll, um 500 Milliarden Euro, die zusätzlich an Beitragsmitteln fließen müssen“, erklärt Werding - und die müssen nun mal die Beitragszahler schultern.
So schaffe die Reform nur kurzfristig Sicherheit für Rentner. Diese sollten sich aber nicht zu sehr auf die Versprechungen von heute verlassen: „Ich bin aber ziemlich sicher, wenn der Beitragssatz einmal so richtig zu steigen beginnt, wird das Fass neu aufgemacht. Und langfristige Sicherheit schaffen wir eigentlich erst, wenn wir im Rentensystem ergänzend ansparen, würden“, so Werding.