Dachgiebel im Lagerhaus für Tauben versperrt, 120 Tier obdachlos

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In schwindelerregender Höhe: Auch bei den Vorbereitungsmaßnahmen im September für die Taubenaktion am Lagerhaus war Sabine Helbig (im Korb links außen) mit dabei. © Hans-Helmut Herold

120 Schongauer Stadttauben sind nun quasi obdachlos. Nach einer teils abenteuerlichen Aktion wurden die drei Giebelfenster des Lagerhauses in der Altstadt verschlossen. Schongaus Taubenbetreuerin kam buchstäblich ins Schwitzen, bis wirklich das letzte Tier raus war aus dem Dachboden.

Schongau – Ganz kurzfristig anberaumt worden war die nächste große Aktion zur Kontrolle der Taubenpopulation in Schongau: Die Schließung des Dachgiebels im Lagerhaus. Schon die Vorbereitung im Laufe der vergangenen Monate war entsprechend aufwendig, gibt es doch keine andere Möglichkeit, als per Drehleiter der Schongauer Feuerwehr oder Autokran so hoch unters Dach zu kommen.

Schongaus Taubenbetreuerin hatte viel Mühe, ins Lagerhaus zu kommen - und wieder hinaus

Immer mit dabei: Mitarbeiter des Schongauer Bauhofs und die Feuerwehr. Die Hauptperson war aber sicherlich Schongaus Taubenbetreuerin Sabine Helbig. In Vollmontur und Atemmaske quetschte sie sich mit den Füßen voraus durch eines der beiden größeren Fenster hinein ins Gebäude – nur knapp passten ihre Schultern hindurch. „Beim ersten Mal dachte ich, ich werde zum Schongauer Wahrzeichen“, erzählt sie. Denn lange sei ihr nicht klar gewesen, wie sie dort wieder herauskommen sollte – das Fenster reichte ihr bis zum Kinn. Dass sie früher Felskletterin gewesen war und offenbar keine Höhenangst hat, war wohl recht hilfreich.

Auch beim abschließenden Einsatz war das Verschließen der ersten beiden Fenster durch den Bauhof vermutlich die kleinste Übung. Helbigs Horrorvorstellung, dass alle Vögel im Dachgebälk nisten würden, bewahrheitete sich aber nicht. Auch musste sie nicht wie befürchtet durch knietiefen jahrzehntealten Taubenkot waten. Zehn bis 15 Zentimeter hoch bedeckt war der Boden aber dennoch. Im hinteren Drittel saßen die Tauben gut erreichbar am Boden, auch die Nistplätze waren dort.

Vier Wochen zuvor die Eier der Tauben entfernt

Eine weitere Horrorvorstellung der Taubenbetreuerin: Dass es Küken geben werde zum Aufpäppeln, was eine sehr mühsame Prozedur sein muss. Sie hatte vorgesorgt: Vier Wochen zuvor hatte sie alle Eier entnommen. Zu Schaden kam dabei kein Tier, denn jedes einzelne Ei hatte sie zuvor fachgerecht mit einer Schierlampe kontrolliert, die zeigt, ob ein Ei befruchtet ist. „Man sieht genau, wie weit ein Embryo entwickelt ist“, so die Altenstadterin. Jetzt fand sie nur einige Jungvögel vor, aber alle bereits flugfähig.

Schweißtreibend: Mit Schutzanzug und Atemmaste 120 Tauben verscheucht

Dann wurde es schweißtreibend mit Ganzkörperschutzanzug und Atemmaske: Die ersten Tauben hätten sich noch relativ rasch hinausscheuchen lassen, die letzten fünf verbliebenen waren dann aber wohl eine echte Herausforderung. „Es hat über eine Stunde gedauert“, erzählt die Taubenbetreuerin, die auch irgendwann den Bodenbrettern zwischen den Trägerdachbalken nicht mehr so recht trauen wollte, „überall hat es geknackst“.

„Die letzte Taube habe ich fast übersehen, nach ganz oben in den Giebel hatte sie sich verzogen“, so Helbig. Da halfen selbst Staffelei und Kescher nicht mehr viel. Schlussendlich kletterte sie einen Dachbalken hinauf und bekam knapp die Schwanzfedern der Taube zu fassen. Sie steckte das Tier kurzerhand vorne in ihren Overall, damit es nicht wieder davonfliegen konnte.

Die Taubenbetreuerin kletterte in voller Schutzmontur durch eines der Fenster im Giebel.
Die Taubenbetreuerin kletterte in voller Schutzmontur durch eines der Fenster im Giebel. © Hans-Helmut Herold

Insgesamt 120 Tiere hatten unterm Lagerhausdach ihr Zuhause. „Jetzt sind sie obdachlos“, fasst es Helbig in einem Satz zusammen. „Ich habe mitgelitten, nachts nicht gut geschlafen“, so die Taubenbetreuerin. Die Tiere seien standorttreu, würden nun immer wieder versuchen, ins Gebäude zu gelangen, fliegen gegen die Fensterverkleidung. „Opfer“ habe sie allerdings bisher nicht gefunden. Zeitgleich werde nun im Taubenhaus stärker gefüttert. Sie hofft, dass das erste Paar es bald verstanden hat und sich im Taubenhaus niederlässt.

Das Taubenhaus der Stadt hat 70 Nistplätze für 70 Taubenpaare

Platz bietet das Taubenhaus westlich der Stadtmauer für 140 Tauben bei 70 Nistplätzen. Zunächst einmal sollen die Tauben dort ihre Brutstätte annehmen und auch einmal brüten. Ziel ist, danach von den acht bis zehn Eiern im Jahr – pro Gelege immer zwei Eier – jeweils die drei ersten Gelege zu entfernen und den Tauben das vierte zu lassen. „Sonst suchen sie sich eine neue Brutstätte“, so Helbig. Sollte es irgendwann zu eng werden im Taubenhaus, müsse ein neuer Standort für ein zweites gesucht werden. Das könnte der Fall werden, wenn man die andere große Taubenunterkunft angeht in der Altstadt – hoch über den Dächern im Kirchturm der Schongauer Stadtpfarrkirche.

Brutstätten melden: Die Stadttauben sind jetzt auf der Suche nach neuen Nistplätzen. Sollten sie einen neuen Unterschlupf in der Altstadt finden, können sich Bürger an die Stadt wenden, damit eventuell Maßnahmen ergriffen werden. Ansprechpartnerin ist Bettina Schade unter 08861/214-133 (schade.bettina@schongau.de) oder 214-130.

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