Kommentar zum BVB-Beben - Das Problem in Dortmund ist nicht Sahin, sondern der Machtkampf um Watzkes Erbe

Seit der langjährige Sportdirektor Michael Zorc sein Amt niedergelegt hat, herrscht ein bis heute ungefülltes Vakuum. Im Januar letzten Jahres verkündete dann auch Watzke seinen Abschied für den Herbst 2025. Der Kampf ums Erbe des BVB war eröffnet.

Statt Sebastian Kehl, seinerzeit Zorc-Nachfolger, für die nächstgrößere Aufgabe zu befördern, setzte Watzke ihm Ricken vor die Nase. Der war zuvor als Nachwuchskoordinator und Direktor des Nachwuchsleistungszentrums tätig.

Kehl, Ricken, Mislintat, Watzke, Sammer - sie alle mischen beim BVB mit

Zeitgleich wurde Sven Mislintat zurückgeholt. Der entdeckte einst als BVB-Chefscout Talente wie Pierre-Emerick Aubameyang, Ousmane Dembélé und Shinji Kagawa, die in Dortmund zu Stars wurden. Diamantenauge haben sie ihn getauft. 

Nach einem Streit mit dem damaligen Trainer Thomas Tuchel zog es Mislintat raus in die weite Fußballwelt. Erst Arsenal, dann Stuttgart, dann Ajax Amsterdam. Mislintat mischte als Sportdirektor ganz oben mit.Nun soll er sich als Technischer Direktor in Dortmund wieder unterordnen.

Als Ricken im Mai vergangenen Jahres offiziell vorgestellt und zeitgleich Mislintat präsentiert wurde, tätigte Watzke bereits eine interessante Aussage: „Jeder von denen, die dann auch eine gewisse Qualität ausstrahlen, hat auch ein gewisses Ego. Wenn die drei es hinkriegen, konstruktiv und wirklich vertrauensvoll unter Lars’ Führung zusammenzuarbeiten, haben wir eine Riesenchance. Ich hoffe, dass sie es hinkriegen – es kann aber auch sein, dass es nicht funktioniert.“

Es funktioniert nicht. Besonders die Zusammenarbeit zwischen Kehl und Mislintat ist belastet. Im Sommer war Watzke bereits zu einem ersten Intervention gezwungen.

BVB: Alle gegen jeden

Kompetenzen wurden klarer definiert, Rollen besser zugeschnitten, nach Außen Harmonie und Einigkeit demonstriert. Hinter den Türen bleiben die Machtspielchen. Das Klima ist vergiftet. Kehl, Ricken, Mislintat, Watzke, Sammer - sie alle mischen mit, alle spielen gegeneinander. 

Im Kern sieht das so aus: Mislintat will Kehls Job, Kehl will Rickens Job. Der kann niemanden vertrauen und hat zeitgleich die Stimme von Sammer im Ohr. Und am Ende gehen alle relevanten Entscheidungen doch über Watzkes Schreibtisch.

Dennoch hat Ricken zum Jahresstart den auslaufenden Vertrag von verlängert - auch aufgrund seines engen Drahtes zu Sahin und der Mannschaft. Bei Mislintat soll dieser Vorgang laut „Sport-Bild“ auf großes Unverständnis gestoßen haben und er soll sich intern „in einer lockeren Runde mit mehreren Mitarbeitern“ darüber ausgelassen haben - inklusive Seitenhieb gegen Ricken, der „nicht durchsetzungstark genug gewesen sein soll“, so die „Sport-Bild“.

Keine Führungsspieler im BVB-Team

So entstehen stete „Nebenkriegsschauplätze“, wie sie Sahin selbst nach der Bologna-Pleite bei Prime Video beklagte. Wer soll in dieser Unruhe einen Vereinen mit derart erhöhten Erwartungen zum Erfolg führen?