Ohne Panzer, ohne Pulver: Putin – ein Feldherr von Kims Gnaden

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Bis zu 30.000 frische Kräfte verspricht Nordkoreas Diktator dem Verbündeten. Und Panzer. Die Rechnung kommt später. Und China rätselt über die Höhe.

Pjöngjang – „Kim versprach, alles zu tun, was ich kann, um Moskau zu unterstützen‘“, schreibt Helen Davidson. Die Autorin des britischen Guardian hat die beiden Potentaten Kim Jong-un und Wladimir Putin am Rande von Chinas Militärparade als zwei Staatschefs beschrieben, die Seite an Seite marschieren – „gesellig beieinander“ frotzelt t-online. Die russischen Streitkräfte verließen sich mittlerweile stark auf nordkoreanische Waffen, schreibt das russische Military Watch Magazin – möglicherweise ginge Putin im Ukraine-Krieg ohne seinen gewichtigen nordkoreanischen Partner sogar die Puste aus.

Diktatoren-Umarmung in China: „Kim hatte einen solchen Durchbruch dringend nötig“

Während die Lunte des Weltenbrandes offen liegt, spiele Nordkoreas Diktator Kim Jong-un mit dem Feuer, orakelte bereits das Magazin Newsweek im Rahmen der Waffenhilfe in Kursk: Nordkoreas Führer Kim Jong-un könnte die Truppen seines Landes, die er Putin an die Front gegen die Ukraine geschickt hatte, als Druckmittel einsetzen für Provokationen Pjöngjangs in Ostasien, hatte Newsweek-Autor Brendan Cole angedeutet. Für die Großzügigkeit der nordkoreanischen Regierung gegenüber Russland, mit mindestens 10.000 kämpfenden Kräften seine Invasion in der Ukraine durchzufechten, wird sie über kurz oder lang die Rechnung präsentieren – und die könnte höher ausfallen, als das, was Kim bisher hatte haben wollen.

Neben dem diplomatischen Einfluss, den Kim wohl bereits während des jüngsten Staatsbesuchs in China geltend gemacht haben könnte, brächten seine Söldner Geld, wie die New York Times (NYT) schreibt. Daneben Nahrungsmittel, Öl und moderne Waffensysteme; beispielsweise moderne Kampfjets. Dem Nordkoreaner sei damit geholfen, indem er an internationalen Sanktionen vorbei seine konventionellen Streitkräfte modernisieren könne, so NYT-Autor Choe Sang-Hun: „Kim hatte einen solchen Durchbruch dringend nötig.“ Im April war einer auf der Website des Kremls veröffentlichten Erklärung zu entnehmen, „Putin lobte die nordkoreanischen Soldaten, die ‚Schulter an Schulter mit russischen Kämpfern unser Vaterland als ihr eigenes verteidigten‘“, worüber die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) berichtete.

Ohne Nordkorea bricht die Front ein: Verhandelt wird über Waffen, die Kim hat, und die Putin benötigt

Im Juni hatte die russische Nachrichtenagentur Tass gemeldet, dass Nordkorea plane, 1.000 Pioniere zur Minenräumung und 5.000 militärische Bauarbeiter zur Wiederherstellung der Infrastruktur nach Kursk zu schicken. „Es wird erwartet, dass sich die Beteiligung Nordkoreas an den russisch-ukrainischen Kriegsanstrengungen weiter ausweitet“, kommentiert Military Watch später. Das Magazin berichtete im Juni davon, dass 25.000 nordkoreanische Industriearbeiter in Russlands Drohnenproduktion eingesetzt werden sollten. Der US-Sender CNN hatte von bis zu 30.000 Kräften gesprochen. Military Watch legt nahe, dass die Arbeitsmigranten vor allem durch ihr höheres Bildungsniveau eine Verstärkung für Russlands militärisch-industriellen Sektor darstellen könnten. Oder sie werden als Soldaten das nächste Kanonenfutter für die Front, wie beispielsweise CNN gemutmaßt hat.

„China behauptet, es gebe in seiner Beziehung zu Russland ‚keine Grenzen‘, doch in der Praxis zögert es und blickt ständig über die Schulter, aus Angst vor dem Druck des Westens, der EU und der Nato.“

Über die Personaldienstleistung hinaus fokussiert die Wirtschaftsbeziehung zwischen Putin und Kim wohl aber eher auf Waffen, die Kim hat, und die Putin benötigt. Im August hatte Military Watch verkündet, Nordkorea würde neue Chonma-2-Panzer in den Kampf gegen die Ukraine entsenden. Damit könnte Russland seine horrenden Verluste an Kampfpanzern kompensieren. Allerdings hat diese Waffe aufgrund der Drohnen-Dominanz an Schlagkraft verloren. Ganz anders als die Artillerie – Military Watch gibt zwischen den Zeilen zu, dass Russland offenbar demnächst sein letztes Pulver verschossen haben wird. Oder schon längst das Feuer hätte einstellen müssen, wenn Kims Generosität gefehlt hätte: „Im zweiten Quartal 2025 stammte fast die Hälfte der von der russischen Armee eingesetzten Artilleriegeschosse aus Nordkorea, und viele russische Artillerieeinheiten waren mittlerweile fast vollständig auf Munition angewiesen, die von diesem ostasiatischen Staat geliefert wurde“, schreibt das Magazin.

Neben der Munition sei Russland offenbar auch auf Kims 170-Millimeter-Selbstfahrlafette angewiesen, die im Westen unter dem Namen „Koksan“ bekannt ist. Diese Geschütze sollen schon seit Ende 2024 durch russische Truppen eingesetzt worden sein. Kurzum scheint der Ukraine-Krieg ohne den stetig fließenden Fluss an Nachschub aus Nordkorea ein anderer geworden zu sein, als der, der er ist. Oder er hätte gemündet in ein Happy End für die Ukraine. „In Seoul besteht die Befürchtung, dass Kim in Zukunft möglicherweise russische Hilfe bei der Entwicklung von Technologien aushandeln könnte, die für Atomraketen benötigt werden, die Ziele jenseits des Pazifiks treffen könnten“, schreibt Choe Sang-Hun für die New York Times. Um das aber gleichzeitig von einem Analysten des in Seoul ansässigen Institute for National Security Strategy relativieren zu lassen.

Putins Verstärkungen aus Nordkorea: Experte rechnet mit Vorbereitung einer Offensive

„Ich glaube nicht, dass sie schon das Stadium erreicht haben, in dem Russland sensible Nuklear- und Raketentechnologien und -komponenten liefern würde“, zitiert die NYT Jang Seho zum Verhältnis zwischen den – vielleicht auf Gedeih und Verderb – verschweißten Diktatoren. Ende 2024 war gemunkelt worden, Kim wollte sich seine ursprünglich fast 13.000 mehr oder weniger todgeweihten Söldner mit Su-35-Kampfjets vergelten lassen. Möglicherweise vergeblich; auch China hat Einwände gegen eine erstarkte nordkoreanische Luftwaffe, die an ihrer Dominanz in Asien kratzen könnte. Raketentechnologie würde Kim einen noch längeren Hebel der Macht in die Hände spielen; was Putin auch auf Schlingerkurs gegenüber China führen würde.

Wladimir Putin und Kim Jong-un sitzen gemeinsam im Fond einer Limousine
Freie Fahrt dank fester Freundschaft: Wladimir Putin (links) und der nordkoreanische Führer Kim Jong-un nach der Militärparade zum 80. Jahrestag des Sieges über Japan und dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Peking. Eine Gelegenheit der gegenseitigen Versicherung ihrer gemeinsamen Gegnerschaft zum Westen. © AFP/KCNA via KNS

Für Jared Martin ist der demonstrative Schulterschluss der beiden militärischen Schwergewichte jedenfalls ein alarmierendes Zeichen – was die strategische Ausrichtung Putins im Ukraine-Krieg betrifft: „Russlands zunehmende Abhängigkeit von ausländischem Militär aus Nordkorea signalisiert seine Absicht, die Ukraine durch Zermürbung zu schwächen, bis es den Sieg zu seinen Bedingungen erringt“, wie er aktuell für das Modern War Institute an der US-Militärakademie West Point schreibt. Ihm zufolge könnten die vermuteten fast 30.000 frischen Kräfte Russlands Taktik des Einsatzes schierer Menschenmassen massiv unterstützen – ob als Produktiv- oder kämpfende Kräfte. Martin rechnet eher mit einem militärischen Einsatz und demzufolge mit der Vorbereitung einer Offensive.

China argwöhnt gegen Putin – und seinem „Versuch, die Schlachtfeldkalkulation zu verändern“

Die sei nämlich personalintensiver als reine Verteidigung. Die Nordkoreaner in russischen Uniformen seien „ein Versuch, die Schlachtfeldkalkulation zu verändern“, schreibt Jared Martin und verweist auf einen Bericht des Thinktanks Institute for the Study of War (ISW), in dem davon ausgegangen werde, „dass russische Streitkräfte bei der derzeitigen Vormarschgeschwindigkeit über 83 Jahre brauchen würden, um die restlichen 80 Prozent des ukrainischen Territoriums einzunehmen, und dass russische Soldaten fast 2,5-mal so oft getötet oder verwundet werden wie ukrainische Kämpfer“, zitiert der West Point-Autor. Er schlussfolgert, dass das „eindeutig ein inakzeptabler Status quo“ für den Kreml-Chef sein müsse.

Allerdings scheint die Allianz zwischen Putin und Kim seine Grenzen zu haben, und die scheint vor allem der chinesische Staatenlenker bestimmen zu wollen. Carla Freeman und Naiyu Kuo sehen Xi Jinping durch Kims Vorstoß in die Bredouille manövriert. „Wird China in der Lage sein, die Distanz zu dem Konflikt, die es zu wahren versucht hat, aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Moskau zu unterstützen?“, fragen die beiden Analysten des US-Thinktanks United States Institute of Peace. Möglicherweise könnte China sogar einen seiner beiden Vasallen-Staaten fallenlassen, um sich geopolitisch Ruhe zu verschaffen.

Allerdings kann sich China auch schwer leisten, Kim offensiv zurechtzustutzen, weil dann wieder Südkorea mitsamt der nordamerikanischen Militärpräsenz eine zu gewichtige Rolle in der Region zuwachsen würde. Das gilt gleichermaßen für Xi Jinpings Verhältnis zu Wladimir Putins Aggressivität, wie Amy HawkinsAndrew Roth und Helen Davidson im Guardian nahelegen. „China behauptet, es gebe in seiner Beziehung zu Russland ‚keine Grenzen‘, doch in der Praxis zögert es und blickt ständig über die Schulter, aus Angst vor dem Druck des Westens, der EU und der Nato.

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