Dieter Nuhr ist kein bequemer Mensch. Aber als Kabarettist wäre das vermutlich auch eher kontraproduktiv, schließlich ist die Zu- und Überspitzung der Dinge ein Teil der Jobbeschreibung. Da Nuhr aber keine Beißhemmung kennt gerade bei Dingen, die Kultur- und Kreativschaffenden tendenziell am Herzen liegen – geschlechtergerechte Sprache, Fridays for Future, Multikuli –, hat er in den letzten Jahren viele Feinde gemacht.
Dabei ist der leidenschaftliche Woke-Verächter für Deutschland eine humoristische Notwendigkeit. Denn innerhalb der eigenen Blase über Andersdenkende zu lachen, ist leicht. Zum gesellschaftlichen Lackmus-Test wird ein Kabarettist erst, wenn er seinem Publikum nicht nur den Bauch streichelt, sondern ihm auch mal auf die Finger haut. Weiterentwicklung findet nur außerhalb der Komfortzone statt.
Etwa, wenn Dieter Nuhr sich mit dem Hip-Begriff der Work-Life-Balance beschäftigt: Arbeit also, die hierzulande „als das Gegenteil von Leben“ gesehen wird. Nuhrs Warnung an Deutschland: „Wir werden zu einem Land von Leistungsbeziehern: Wenn wir das Wort Leistung hören, denken wir oft: Super – wo kann ich die beantragen?“
Bei „Maischberger“: Dieter Nuhr mit klarer Meinung zur „Stadtbild“-Debatte
Wenn Dieter Nuhr als Solo-Talkgast bei „Maischberger“ angekündigt ist, sind die Hoffnungen entsprechend hoch gehängt: Worüber dürfen wir uns schon morgen aufregen? Doch Dieter Nuhr verweigert sich diesmal dieser Erwartungshaltung. Vielleicht, weil er von der „Stadtbild“-Debatte gelernt hat: „Wir diskutieren zu viel über Dinge, die nicht so wichtig sind.“ Weil es leider leichter ist, als sich mit den wirklich wichtigen Dingen zu beschäftigen.
Bildung zum Beispiel wäre eines dieser wichtigen, aber hochkomplexen Dinge. „40 Jahre progressive Reformpolitik haben ins Nichts geführt“, postuliert Nuhr, und wer will ihm da widersprechen? Allerdings hat der Humorarbeiter hier auch keine Lösung. Oder zumindest will er diesbezüglich eher nicht konkret werden. Schließlich hat er ja einmal postuliert: „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten.“
Viel von Baerbock gelernt: Subtile Kritik an Wadephul
Neukanzler Friedrich Merz ist für Nuhr momentan noch keine Steilvorlage, der Mann sei ja gerade erst im Amt angekommen. Über Johann Wadephul hat er sich hingegen schon eine Meinung gemacht: Nach dessen Auftritt in Japan habe er den Eindruck, der Außenminister habe doch viel von Amtsvorgängerin Annalena Baerbock gelernt. Was bei Dieter Nuhr garantiert kein Kompliment ist. Diplomatie: Dieses Wort vermisst Dieter Nuhr immer stärker im Auswärtigen Amt. Ihm ist ein Rätsel, wieso Deutschland gerade den Posten des Außenministers immer wieder mit jemandem besetzt, der keinen Fettnapf auslässt.
Der Ritt auf dem moralisch hohen Ross trägt Deutschland immer stärker ins Aus: Auch mit den USA müsse man diplomatisch umgehen. Deren Präsident sei zwar „ein großer Schwätzer“. Aber er bewege auch Dinge, Stichwort: Naher Osten. Was man vom deutschen Spitzenpersonal nicht direkt behaupten kann.
Dieter Nuhrs vermisst Robert Habeck
Vieles war früher besser, auch die Kanzler: Befragt nach seinem Lieblingsmenschen im Bundeskanzleramt, fällt Nuhr nur Konrad Adenauer ein. Doch da ist noch ein anderer, den er überraschenderweise vermisst: Robert Habeck. Und das aus einem ganz egoistischen Grund: Politiker wie er, „das sind Pointen-Bringer, die kriegt man so nicht wieder“.
Habeck ist der Typ Politiker, von dem Kabarettisten träumen: „Kein Schimmer von dem, was er tut, traut es sich aber zu.“ Derlei Haltung, so Dieter Nuhr, finde man jetzt eigentlich nur noch bei der AfD. Die Grünen gleichzusetzen mit der AfD: Da zuckt selbst Nuhr – einst Gründungsmitglied der Grünen – kurz zusammen. Doch Humor ist ja bekanntlich, wenn man trotzdem lacht.