Richterwahl-Debakel: Merz-Regierung vor Zerreißprobe – SPD attackiert Spahn
Schwarz-Rot liegt wegen der abgesetzten Richterwahl im Streit. Merz sieht aber keine Demokratiekrise. Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer teilt weiter aus.
Berlin – Eine geplatzte Richterwahl hat die Koalition zwischen Union und SPD beschädigt, seit Tagen wird über die Causa Jens Spahn debattiert und vor der Sommerpause brodelt in der Regierung von Friedrich Merz (CDU) Streit. Die Fronten zwischen den Fraktionen bleiben dabei verhärtet: Der Bundeskanzler wiegelt den möglichen Eklat ab, doch SPD-Fraktionsgeschäftsführer Dirk Wiese sucht weiter die Konfrontation. „Natürlich gibt es immer wieder Gewissensentscheidungen im Deutschen Bundestag. Aber ehrlicherweise, es gibt auch Koalitionsverträge“, sagte der Politiker im Berliner Playbook Podcast von Politico.
Streit nach geplatzter Richterwahl: SPD übt scharfe Kritik an CDU – und Jens Spahn
Am 11. Juli war die letzte Sitzungswoche des Bundestags vor der Sommerpause im Streit geendet. Die Wahlen von zwei neuen Richterinnen und einem neuen Richter für Karlsruhe waren kurzfristig von der Tagesordnung abgesetzt worden. Hintergrund war der Druck in der CDU gegen die Potsdamer Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf, die Fraktionsführung konnte die mit dem Koalitionspartner verabredete Unterstützung nicht mehr garantieren. Merz hatte am Sonntag in der ARD gesagt, man könne Abgeordneten keine Befehle von oben geben und gesagt, es ginge bei Personalentscheidungen wie der Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht auch um Gewissensfragen.
Angesichts des Streits um die Richterwahl erklärte Wiese: „Es gibt Dinge, auf die verständigt man sich.“ Zugleich richtete er seine Kritik an Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) und warf ihm wegen der geplatzten Wahl einen Vertrauensverlust vor. „Wenn wir eine Zusage bekommen, dass Richterinnen-Vorschläge für das Bundesverfassungsgericht eine Mehrheit bekommen und dann am Ende letztendlich Jens Spahn zurückrudern muss, dann ist das schon in gewisser Weise ein Vertrauensverlust.“
Streit im Bundestag: Richterwahl spaltet CDU und SPD – Nicht nur Koalitionsfrieden steht auf dem Spiel
Der Streit um die Richterwahl wird die Koalition aus Union und SPD auch die kommenden Wochen beschäftigen. Denn: Wegen der parlamentarischen Sommerpause kommt der Bundestag erst am 10. September zu seiner nächsten regulären Sitzung zusammen. Spätestens bis dann sollte aber eine Lösung gefunden sein. Es geht dabei um viel: Es steht nicht nur der Koalitionsfrieden auf dem Spiel, sondern auch das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts, die Handlungsfähigkeit des Bundestags und das politische Schicksal eines führenden Koalitionspolitikers.

Wenn ein Koalitionspartner dem anderen öffentlich Führungsversagen vorwirft, bedeutet das Alarmstufe Rot für ein Regierungsbündnis. Genau das hat der Vizekanzler und SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil am Freitag vom Rednerpult im Bundestag getan. Führung und Verantwortung seien „nichts für Sonntagsreden“, sagte er kurz nach der geplatzten Richterwahl. Jens Spahn steht indes unter Zugzwang und muss schnell seine beschädigte Position festigen: Erst am Sonntag erhielt er erst die deutliche Unterstützung von Merz. Auf die Frage, ob Spahn noch der richtige Mann als Fraktionschef sei, sagte der Kanzler: „Eindeutig ja.“ Das dürfte Spahn seinen Posten zunächst sichern.
Streit über Richterwahl: Handlungsfähigkeit des Bundestags infrage gestellt
Der Streit über die Richterwahl hat aber auch die Handlungsfähigkeit des Bundestags infrage gestellt. Letztlich geht es bei der jetzigen Suche nach einer Lösung auch um die grundsätzliche Frage, wie handlungsfähig der Bundestag in seiner jetzigen Zusammensetzung noch ist. Sollte der Bundestag sich nicht über die Richter-Nachbesetzungen einigen können, geht die Entscheidung an den Bundesrat über. Das wäre das Eingeständnis, dass das Parlament nicht mehr voll entscheidungsfähig ist. (fbu/dpa)