Fünf Frauen, fünf Generationen, ein Bild
Fünf Frauen im Alter zwischen 96 Jahren und wenigen Wochen, fünf Generationen, vier Nachnamen, drei Wohnorte, eine Familie. Wir trafen sie in einem Haus in Zorneding.
Josefa Niebler, genannt Peppi, ist die Ururoma „Ich kann nicht mehr viel machen. Ich bin eigentlich nur Beobachterin“, sagt sie beim Gespräch. Die Augen blitzen auf, wenn sie das jüngste Mitglied der Familie sieht. „Sie ist so ein hübsches Mädchen. So schöne, blaue Augen.“ Josefa Niebler ist 96 Jahre alt. Sie leidet seit über 20 Jahren an der Parkinson-Krankheit. Ein Rollator ist für sie wichtig. Im Haus lebt eine Untermieterin, die sich um die Seniorin kümmert. Dazu kommt der Sozialdienst, Essen auf Rädern der Nachbarschaftshilfe. Josefa Niebler ist aber auch die Seniorchefin von fünf Familiengenerationen, von ihrer Tochter über die Enkelin und die Urenkelin, die jüngst Mama geworden ist. Fünf Frauen, die zusammenhalten.
Die Familienmitglieder sind im regelmäßigen Kontakt. Mit der neuen Technik sei das alles viel einfacher, sagt Tochter Adele Feil (67). „Wir wissen auch immer, wann wer wo im Urlaub ist.“ Der Sonnenschein der Familie ist jetzt Antonia Amelie, geboren in Rosenheim. Die junge Mama Anna ist 21 Jahre alt. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten ist ihre Heimat ein Bauernhof in Kleinhöhenrain, ein Stück südlich der Landkreisgrenze in der Gemeinde Feldkirchen-Westerham. Putenhaltung, Felder und Biogasanlage. „Ich habe jetzt einen neuen Titel, ich bin Uroma“, sagt Adele Feil aus Bruck, und das mit 67 Jahren. Josefa Niebler aus Zorneding, Adele Feil und Susanne Sieke aus Bruck, Anna Sieke und Antonia Amelie Glockner, die schon den Namen des Vaters trägt, aus Kleinhöhenrain. Das macht fünf Generationen, vier Nachnamen, drei Wohnorte in zwei Landkreisen und vor allem: eine Familie.
Mit jedem Kind geht die Familiengeschichte weiter.“
Während des Gesprächs bei der Ururoma in Zorneding schläft das Baby die meiste Zeit. Dazwischen lächelt das Mädchen fröhlich, öffnet kurz die Augen unter dem weißen Stirnband mit der weißen Schleife, nickt zufrieden wieder ein. Gehalten wird sie liebevoll abwechselnd von den weiblichen Mitgliedern der Familie. „Bei uns hatte keine Schwierigkeiten in der Schwangerschaft“, sagt die Seniorchefin. Die junge Mutter bestätigt das, wünscht sich für Antonia Amelie ein Geschwisterchen. Eine Familientradition scheint auch zu sein, dass die Kinder ausgeglichen sind. „Wenn neben ihr der Bulldog läuft, macht ihr das gar nichts aus“, sagt die Mutter. „Sie schläft auch, wenn ich mit dem Staubsauger unterwegs bin.“ Stören würde das Baby hingegen, wenn es ganz ruhig sei. „Bei uns ist aber immer etwas los“, sagt die 45-jährige Oma, Susanne Sieke, wie ihre Mutter aus Bruck. Schön sei auch, dass die Familie nicht weit auseinander wohne.
Mit viel Humor und Wortwitz
Die Seniorchefin (96) steckt voller Humor und Wortwitz. „Ich bin heute nicht so gut drauf“, sagt sie. „Sonst würde ich noch viel mehr erzählen.“ Eine Geschichte kommt dann doch: Kürzlich habe ein Betrüger bei ihr angerufen und es mit dem Enkeltrick bei ihr versucht, Geld zu ergaunern. Da war unter anderem von einem Unfall die Rede. Die Seniorin fragte nach, wo denn der Anrufer sei. Die Antwort durchs Telefon: „Bei der Polizei“. Reaktion der alten Dame: „Da gehörst du auch hin.“ Sie legte den Hörer auf. Josefa Niebler erstatte Anzeige.
Vielleicht liegt die Entspanntheit auch an der aktiven Lebensgeschichte der Familie. Nach dem Vater der Seniorin ist eine Straße benannt: Georg Huber war Bürgermeister von Pöring. Aus einer Werkstatt für Fahrräder und Motorräder wurde später ein Autohaus, Sitz heute in Eglharting. Die Seniorin war übrigens auch mehrere Jahre Sekretärin in der früheren Gemeinde Pöring und freie Mitarbeiterin der Ebersberger Zeitung. „Zehn Pfenninge habe ich damals für die Zeile verdient“, sagt sie ganz beiläufig. Im Familienunternehmen arbeite sie auch mit. Bis ihr erstes Kind geboren wurde, dauerte es sieben Jahre. „Mein Mann und ich hatten uns schon überlegt, ein Kind zu adoptieren.“ Um so mehr freut sich die Familienchefin darüber, dass sie drei Kinder hat. Ein Einzelkind würde sehr behütet. „Da darfst du nichts tun.“ Mit Geschwistern sei das einfacher. Mutter Anna Sieke freut sich über ihren jüngeren Bruder Kilian (18). Der habe zunächst nicht gewusst, wie er mit seiner Nichte umgehen sollte. Inzwischen schaukle er sie liebevoll im Arm, ein ganz stolzer Onkel. „Mit jedem Kind geht die Familiengeschichte weiter“, sagt Uroma Adele Feil und ihre Mutter Josefa Niebler, die Ururoma, nickt ihr zu, stolz auf fünf Generationen lebende, lebendige Familiengeschichte.