Darm-Expertin Michaela Axt-Gadermann - Fasten versetzt den Körper in „Better-Aging-Programm“ – wenn Sie einen Fehler vermeiden
Artenreiches Mikrobiom schützt vor Krankheiten
Unter dem Mikrobiom, früher war der Begriff „Darmflora“ geläufig, versteht man die Gesamtheit aller Bakterien, Viren und Pilze im Darm, auf der Haut oder den Schleimhäuten. Dank neuer Analysemethoden ist die Bedeutung der Darmbakterien für die menschliche Gesamtgesundheit seit Anfang der 2000er Jahre immer mehr in den Fokus gerückt.
Das Darmmikrobiom fasziniert Forscher weltweit. Heute steht fest, dass das Mikrobiom, je nach Zustand, das Risiko für fast alle Erkrankungen erhöhen oder senken kann. Das trifft auf Depressionen und neurodegenerative Erkrankungen ebenso zu wie auf Allergien und Autoimmunerkrankungen, Übergewicht und Diabetes mellitus oder Krebserkrankungen und Arteriosklerose.
Das Mikrobiom in einem guten Zustand zu halten, stellt deshalb einen wissenschaftlich fundierten Ansatz der Prävention und Gesundheitsförderung dar. Artenreichtum, Vielfalt und Diversität, also das Vorhandensein zahlreicher unterschiedlicher Bakterien, ist ein wichtiges Kriterium für eine intakte Darmflora.
Das Darmmikrobiom profitiert von einer ballaststoffreichen Ernährung, von regelmäßiger Bewegung und einem nicht allzu hygienischen Lebensumfeld. Fasten ist eine weitere Möglichkeit, um den Zustand des Mikrobioms zu verbessern. Allerdings sind die Effekte abhängig von den Begleitumständen des Nahrungsverzichts.
Studien, die das Ramadan-Fasten näher untersuchten, vermuten, dass neben dem Fasten vor allem auch die Nahrungsmittel, die nach dem Fastentag verzehrt werden, zu den Veränderungen des Mikrobioms beitragen. Fehlen Ballaststoffe und wichtige Nährstoffe, dann verbessern sich nicht alle Parameter in eine gleichermaßen positive Richtung.
Fasten macht das Mikrobiom gesünder – wenn es ohne Darmreinigung geschieht
Fasten ist gesund – begleitende Maßnahmen wie Darmreinigungen, trockene Weißmehlsemmeln mit leeren Kohlenhydraten oder „Kur-Wein“, der noch immer Bestandteil mancher Heilfastenkuren ist, sind es nicht. Fasten wirkt auch ohne diese Maßnahmen und die Effekte auf die Gesundheit sind sogar besser, wenn auf „Althergebrachtes“ verzichtet wird.
Die Konzepte der klassischen Heilfastenkuren sind zwischen 100 und 200 Jahre alt und werden seitdem mit geringen Variationen beibehalten. Damals war das Mikrobiom noch unbekannt, Ernährungswissenschaften gab es nicht. Bis auf wenige Ausnahmen fehlen aktuelle wissenschaftliche Studien, die die Effekte der unterschiedlichen Heilfastenkuren auf das Darmmikrobiom systematisch untersucht haben.
Bei vielen Heilfastenkuren gehören regelmäßige, teilweise tägliche Darmreinigungen mit Glaubersalz, Bittersalz oder Colon-Hydrotherapien zum festen Ritual und sind sogar in den Leitlinien der Ärztegesellschaft Heilfasten und Ernährung verankert.
Je nach Dauer der Heilfastenkur wird zehnmal oder auch noch häufiger abgeführt und der Darm „durchgespült“. Doch wissenschaftliche Studien, die sich mit der Darmreinigung als vorbereitende Maßnahme auf eine Darmspiegelung beschäftigen, legen nahe, dass bereits einmaliges Abführen das Mikrobiom schädigen kann. Die Vorbereitung auf eine Darmspiegelung ist einer der wenigen Gründe, die diese Abführmaßnahmen rechtfertigen.
In einer Übersichtsarbeit analysierte eine italienische Forschergruppe die Ergebnisse von sieben Studien, die sich mit den Auswirkungen einer Darmreinigung auf die das mikrobielle Gleichgewicht im Darm beschäftigten. Sie stellten fest, dass die Darmreinigungen einen unmittelbaren Einfluss auf Balance und Zusammensetzung des Mikrobioms hatten, vergleichbar mit denen einer längeren Antibiotikatherapie. Häufig wurde ein starker Rückgang wichtiger Milchsäurebakterien beschrieben sowie eine deutliche Zunahme entzündungsfördernder Mikroorganismen.
Abführmittel erhöhen Demenzrisiko
Zudem ergab eine Auswertung der Daten von mehr als 500 000 Personen, die in der UK Biobank gespeichert sind, dass die regelmäßige Verwendung von Abführmitteln Demenz begünstigen kann. Vor allem für die Einnahme so genannter „osmotischer Abführmittel“, zu denen auch Glaubersalz und Bittersalz zählen, ließ sich ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko für Demenz nachweisen.
Die Autoren vermuten, dass die Veränderung des Darmmikrobioms die Produktion zahlreicher Neurotransmitter beeinflusst und dadurch auf Dauer die kognitiven Funktionen beeinträchtigt. Durch die veränderte bakterielle Zusammensetzung nach dem Abführen könnte sich auch die Produktion von Darmgiften erhöhen und die Darmbarriere beschädigt werden, wodurch neurotoxische Stoffwechselprodukte vermehrt aus dem Darm zum Gehirn gelangen und dort Schäden verursachen.