„Eine Horrorzeit“ - Yannick (20) wird in Psychiatrie eingewiesen – weil er Zecke zu spät entfernte
Mit dem Antibiotikum ging es Yannick erst besser, dann wieder schlechter
Der Arzt verschrieb ihm das Antibiotikum Doxycyclin für zwei Wochen. Yannick nahm die Tabletten ein. Die ersten Tage schlug das Medikament auch gut an, danach verschlechterte sich der Zustand wieder. Die Ärzte meinten, das sei eine allergische Reaktion und ersetzen das Antibiotikum durch ein anderes.
„Doch ich vermutete eher, dass es sich um eine Herxheimer-Reaktion handelte“, erzählt der junge Mann rückblickend. Das ist eine immunologische Reaktion. Auslöser sind Giftstoffe, die die Bakterien bei ihrem Zerfall freisetzen, wenn sie von den Antibiotika angegriffen werden. Auf diese Giftstoffe kann der Körper mit starken Beschwerden reagieren. Warum kommt Yannick zur Annahme, dass es nicht eine Allergie auf das Medikament war? „Ich nehme seit einiger Zeit wieder Doxycyclin und vertrage es gut, bin also nicht allergisch.“
Hausarzt weist Yannick schließlich in Psychiatrie ein
Die Ersatzantibiotika wirkten jedoch nicht so gut, die Symptome verschlimmerten sich sogar. Der Hausarzt meinte, nach zwei Wochen Antibiotika-Therapie sollte die Borreliose ausgeheilt sein und Yannicks Beschwerden wären nun psychisch bedingt. Er schlug ihm deshalb eine Behandlung in der Psychiatrie vor, wegen Panikstörungen.
Der Kranke willigte in die Einweisung ein, weil es ihm immer schlechter ging und er einfach nichts unversucht lassen wollte, was ihm vielleicht helfen könnte. Er hatte nichts mehr zu verlieren. „Übrigens bin ich nicht der Einzige, der mit Borreliose in der Psychiatrie landete, ich habe durch meine Kontakte einige Betroffene kennengelernt, denen es ähnlich erging“, berichtet er.
Antidepressiva und Psychotherapie helfen nicht
Anfang November verbrachte er zwei Wochen in der Psychiatrie, versuchte alle Angebote dort wahrzunehmen, schluckte Antidepressiva und nahm an den Gesprächsrunden teil – für die er jedoch mit der Zeit zu schwach wurde. Er konnte kaum noch laufen. Er erkannte, „hier bin ich falsch und so entließ ich mich wieder“.
Die Ärzte-Odyssee setzte sich fort. Insgesamt sammelte er dabei 26 verschiedene Diagnosen, von psychischen Problemen wie einer Panikstörung bis zu HWS oder chronischer Migräne, obwohl er gar keine Kopfschmerzen hatte. Ein großer Halt war und ist seine Freundin, die Yannick einen Tag vor Ausbruch der Borreliose kennengelernt hatte und die bis heute an seiner Seite steht und ihn unterstützt.
Hilfe durch Spezialisten für Infektionskrankheiten und Borreliose
Er gab nicht auf und bemühte sich weiter um Hilfe. „Erst als ich beim Borreliose-Bund anrief, bekam ich die Bestätigung, dass ich kein Einzelfall bin und es vielen so ergeht wie mir, das war ein bisschen meine Rettung“, sagt er heute. Er begann, auch Privatpraxen in Betracht zu ziehen. Im Internet stieß er auf eine Ärztegemeinschaft, die auf Infektionskrankheiten wie Borreliose spezialisiert ist.
Nach ausführlicher Anamnese wurde das Blut dort nochmals untersucht, auf Borrelien und Co-Infektionen. Denn Zecken können mit ihrem Biss auch andere Erreger übertragen. Außerdem können Viren und Bakterien, die sich in geringer Anzahl bereits vor dem Zeckenbiss im Körper aufhalten, Überhand nehmen, wenn das Immunsystem dann durch Borrelien geschwächt wird.
Therapie aus Schulmedizin plus Naturheilkunde
„Bei diesen Untersuchungen stellte sich heraus, dass neben Borrelien auch eine Infektion mit verschiedenen anderen typischen Erregern vorliegt, etwa mit Babesien, Bartonellen, Chlamydien pneumoniae, Mykoplasmen.“ Entsprechend dieser Ergebnisse wurde Yannick ein neuer Behandlungsplan vorgeschlagen. Er besteht zu einem Teil aus drei verschiedenen Antibiotika, zum anderen Teil aus vielen Nahrungsergänzungsmitteln für die Immunabwehr. Dazu gehören Vitamine wie B12, C, D, sowie Selen und Zink, aber auch Algen und Kräuter wie Bärlauch, Brennnessel und weitere, die Leber und Nieren bei der Entgiftung unterstützen sollen.
Seit Kurzem wieder arbeitsfähig
Mit der Behandlung hat sich Yannicks Befinden wesentlich verbessert. „Ich kann sogar wieder 45 Kilometer Fahrrad fahren und bin endlich wieder arbeitsfähig“, freut er sich, auch wenn an Fußball noch nicht zu denken ist. Es ist ihm durchaus bekannt, dass seine Therapie nicht der Borreliose-Behandlung nach den für Deutschland geltenden Leitlinien entspricht, doch er hält sich an die Meinung „wer heilt, hat Recht“.
Drei Wünsche – mehr Therapiefreiheit, mehr Forschung und mehr Kassenleistung
Aufgrund seiner Erfahrungen und angesichts der vielen Betroffenen und Leidensgenossen hat Yannick abschließend drei Wünsche an die Medizin in Deutschland formuliert:
„1. Jeder Arzt sollte selbst entscheiden dürfen, wie er therapiert, ohne Repressalien durch seine Verbände und Vereinigungen befürchten zu müssen.
2. Mehr Forschung für Borreliose. In den USA gibt es einige neue Erkenntnisse, die die Therapie verbessern könnten. So zeigt etwa eine Studie, dass Borrelien im Körper Sporen bilden können, die von Antibiotika nur schwer erreicht werden, etwa mit der üblichen Behandlungsdauer.
3. Ärzte sollten sich nicht über die Borreliose-Therapie streiten. Sie sollten akzeptieren, dass Kollegen andere Wege, als den eigenen gehen. In den USA hat der Gesetzgeber in einigen Bundesstaaten sogar diesen öffentlich ausgetragenen Streit untersagt. Dort übernehmen Krankenversicherungen die Kosten für Behandlungen, wie ich sie bekomme – das wäre auch in Deutschland wünschenswert. Die wichtigsten Daten und Studien liegen dem wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestags seit 2017 vor.“
Yannicks Rat an alle Betroffenen lautet außerdem, alles zu hinterfragen, Studien zu lesen, Rat bei Selbsthilfegruppen zu suchen. Er erklärt: „Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl und Ärzten, die Ihnen wirklich helfen wollen. Fragen Sie sich beispielsweise, ob Sie von diesem Menschen einen Gebrauchtwagen kaufen würden.“
Transparenzhinweis: Dieser Artikel erschien erstmals im Juli 2021.