Karl-Theodor zu Guttenberg - Was Tiraden eines Vaters in Berlin-Mitte über unser derzeitiges Weltbild verraten
Eines stubst seine Eltern an, die sich unablässig weiter aufregen: „Aber es scheint doch die Sonne. Der Himmel ist wunderschön.” Tatsächlich leuchtet er an diesem frühen Abend in schillernden Farben. Die Mutter grantelt: „Für zwei Minuten, dann regnet es wieder. Es ist zum Mäusemelken.“ Beide Mädchen feixen über die praktische Umsetzung des Mäusemelkens - bis wir alle vom Trubel auf der anderen Straßenseite abgelenkt werden.
„Unmöglich“ - Sogar ein entlaufener Dackel sorgt für Empörung
Dort ist ein junger Dackel seinem Herrchen entwischt. Mehrere Passanten versuchen erfolglos, ihn einzufangen. Er rettet sich in ein Lokal. Ausgerechnet. Eine herrlich groteske Szene. „Unmöglich, diese Hundehalter“, stänkert der Vater.
Ich frage mich, mit welchem Weltbild diese Kinder wohl aufwachsen. Verlieren wir mit zunehmenden Alter die Fähigkeit, uns an den vordergründig kleinen Dingen, Schönheiten und Kuriositäten dieser Welt zu erfreuen? Ist das „Ja, aber“ ein konstituierendes Merkmal unserer heutigen Mentalität? Es zieht sich jedenfalls durch Kommentarspalten, Rezensionen und allabendliche Talkrunden.
Die Begriffe Zuversicht und Optimismus scheinen derzeit gute Aussichten für eine Sonderausstellung im nahegelegenen Deutschen Historischen Museum zu haben.
Warum Sie „Ampelausfall in Berlin“ auch mit Humor begegnen können
Natürlich gibt es Gegenbeispiele. Menschen, die sich nicht aufgerufen fühlen, jeder Begebenheit eine negative Wendung zu geben. Die einem „Ampelausfall in Berlin“ mit Humor begegnen würden (bei aller Versuchung zu wunderbaren Analogien - und allem Verständnis für die zuweilen erdrückenden Sorgen unserer Zeit).
Lichtblicke - da andernfalls eine Gesellschaft, in der selbst ein halbvolles Glas als Zumutung empfunden wird, innerlich zu verdorren droht.
Beschwerde bei magischem Augenblick: Ich erwäge, Mäuse zu melken
Einige Tage später. Osterferien in Nordschweden. Ich sehe nach vielen vergeblichen Anläufen erstmals die Polarlichter und bin hingerissen von der Magie des Augenblicks. Bis sich jemand beschwert, dass die Aurora am Nachthimmel eine einzige Enttäuschung sei. Auf dem Handy wären die Farben viel spektakulärer. Ich erwäge, Mäuse zu melken.
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