Habeck und Baerbock überstehen Asyl-Streit – Grüne liefern sich hitzige Debatte über Flüchtlingspolitik
Die Grünen-Delegierten streiten beim Marathon-Parteitag emotional über Flüchtlingspolitik. Am Ende setzen sich die Pragmatiker um Robert Habeck durch.
Karlsruhe – Der Gegenwind, der ihnen angeblich ständig ins Gesicht bläst, ist die am meisten strapazierte Metapher beim Bundesparteitag der Grünen in Karlsruhe.
Bundesparteitag der Grünen: Hitzige Debatte zur Flüchtlingspolitik
Die Amtsträger und Kandidaten, die dieses Bild bemühen, betonen gerne, dass sie trotzdem nicht wackeln, und werden mit Applaus belohnt. Das tut gut in Zeiten, in denen die Grünen unter der Unbeliebtheit ihrer Ampel mit SPD und FDP leiden. Viele finden warme Worte für den Einsatz der eigenen Minister, insbesondere für Robert Habeck (Klima) und Annalena Baerbock (Äußeres).
Zur harten Konfrontation kommt es nur in der Nacht zum Sonntag bei einer Debatte zur Flüchtlingspolitik und anstehenden Verschärfungen. „Kein Mensch ist illegal“-Rufe schallen durch den Saal. Empörte Grüne mit anklagenden Plakaten schreiten durch die Reihen. Die Vorsitzende der Grünen Jugend, Katharina Stolla, warnt: „Wer Rechten hinterherläuft, der gerät ins Stolpern.“ Ein anderer Funktionär ruft: „Es ist unehrlich, über Begrenzung zu reden, wenn die Welt in Flammen steht.“

Habeck hält dagegen. Handlungsleitend dürfe nicht das Verlangen sein, in dieser Frage „auf der richtigen Seite zu stehen“. Die Vorschläge der Nachwuchsorganisation seien in Wahrheit „ein Misstrauensvotum in Verkleidung“ und eine indirekte Aufforderung, die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP zu verlassen. Er erinnert an den Ernst der Lage: „Ein Parteitag einer Regierungspartei ist kein Spiel.“
Bundesparteitag der Grünen: Annalena Baerbock appelliert an den Realitätssinn
Auch Baerbock appelliert an den Realitätssinn der Delegierten und betont, Deutschland vertrete mit seiner liberalen Haltung zur Flüchtlingspolitik auf EU-Ebene eine Minderheitsposition, ebenso wie die Grünen in Deutschland.
Am Ende gibt es zwar viel lautstarke Unterstützung, aber keine Mehrheit für die Anträge der Grünen Jugend. Der Nachwuchs verlangt, den Ministern sowie Fraktionen die Zustimmung zu „weiteren Asylrechtsverschärfungen“ zu verbieten. Konkret ausgeschlossen werden sollten „restriktivere Regelungen für Rückführungen, Kürzung von Sozialleistungen für Geflüchtete, Absenkung von Schutzstandards, eine Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten“, schnelle Verfahren an Außengrenzen und die Zurückweisung in sichere Drittstaaten.
Um einen Eklat zu verhindern, erklärt sich der Parteivorstand zu einigen Änderungen an seinem Beschlusstext bereit. Der stand unter dem Titel „Humanität und Ordnung: für eine anpackende, pragmatische und menschenrechtsbasierte Asyl- und Migrationspolitik“. So wurde der Satz gestrichen: „Daneben müssen, wo die Kapazitäten erschöpft sind, durch rechtsstaatliche und menschenwürdige Maßnahmen auch die Zahlen sinken.“
Bundesparteitag der Grünen: „Unzufrieden über den asylpolitischen Kurs der Ampel“
Am Ende gibt sich die Grüne Jugend zufrieden. Stolla sagt am Sonntag, vom Parteitag gehe „ein klares Zeichen aus: Die Partei ist unzufrieden über den asylpolitischen Kurs der Ampel, den die Grünen mitverantworten.“ Die Grüne Jugend verstehe es jetzt als ihre Aufgabe, die gesellschaftliche Stimmung zum Thema zu drehen. „Wir werden in den nächsten Wochen mit vielen Verbündeten auf die Straßen gehen und laut gegen den Rechtsruck sein – für Solidarität mit Geflüchteten und eine soziale Politik.“ (VON ANNE-BEATRICE CLASMANN UND MARTINA HERZOG)