Analyse von Thomas Jäger - Putins Biden-Aussage überrascht - dahinter steckt aber ein durchschaubares Kalkül

Auf die Frage, wen er sich als nächsten amerikanischen Präsidenten wünsche, antwortete der russische Präsident Putin: „Biden, er ist erfahrener. Er ist vorhersehbar, er ist ein Politiker der alten Schule". Bedenken wegen seines Alters könne er nicht teilen, er habe davon bei ihrem Treffen in Genf nichts gemerkt.

Das verwundert auf den ersten Blick. Aber nur auf den ersten.

Denn einerseits ist dies klassische Desinformation: Putin will freilich, dass Trump und die Republikaner die Wahl gewinnen, denn das Chaos, das sie anrichten würden, wäre ganz im Interesse Russlands.

Was in den USA und Europa passiert, spielt Putin in die Hände

Schon jetzt sorgen sie dafür, dass die Regierung Biden die wichtigsten außen- und innenpolitischen Aufgaben nicht bewältigen kann. Die Republikaner verweigern die Zustimmung zu einem harten Einwanderungsgesetz, weil Trump das Chaos an der Südgrenze für den Wahlkampf nutzen möchte. Biden soll die Lage nicht in den Griff bekommen. Die Republikaner verweigern die Unterstützung für die Ukraine und Israel, beides zum Vorteil Russlands.

Die Republikaner und Trump lösen in Europa eine aufgeregte Diskussion darüber aus, wie man sich ohne die Unterstützung der USA vor Russland schützen könne. Die Antwort lautet: gar nicht.

Das alles spielt Putin in die Hände, er erfreut sich daran und hofft, dass Trump und seine ihm ergebene Partei das die nächsten vier Jahre weitertreiben können. Weil er das will, sagt er, er wünsche sich Biden, denn niemand soll später sagen können, dass sich Russland in die Wahl eingemischt hat. Freilich werden sie das tun, wie 2016 zum Vorteil von Trump.

Es überrascht nicht, dass Putin Baerbock statt Scholz seine Kritik wählte

Die Antwort „Biden“ hat aber noch eine zweite Dimension und die meint Putin ebenso ernst, auch wenn sie versteckt daherkommt. Denn er äußerte sich auch über die deutsche Außenministerin Baerbock, die er „feindselig“ nannte. Nicht nur Russland gegenüber sei sie feindselig, sondern auch „feindselig gegen das eigene Land".

Putin kritisierte die amerikanische Außenpolitik und insbesondere die Unterstützung der Ukraine hart. Aber er sieht sie als im amerikanischen Interesse liegend an. Was Biden unternimmt, nutze den USA. Das steckt in Putins Kritik an Bidens Hilfe für die Ukraine drin. Das sieht er bei Baerbock und Deutschland allerdings anders.

Es überrascht nicht, dass er nicht Bundeskanzler Scholz für seine Kritik wählte, denn mit ihm wird er in Zukunft möglicherweise noch reden wollen. Die Außenministerin eignet sich für eine solch harte Kritik, weil sie in Putins Augen keine Rolle spielt.

Gleichzeitig legt er damit sein Weltbild erneut offen, dass sich die großen europäischen Staaten auf Kosten der kleinen Länder verständigen sollten. Putin hoffte auf Deutschland als Capo in Europa, eine Rolle, die sich einige Parteien in Deutschland inzwischen sehr gut vorstellen können, weshalb sie grundsätzlich die russische Politik in Europa unterstützen.