Serie: „So geht es Deutschland wirklich“ - 700 Absagen! Amit verdiente 80.000 Euro - jetzt droht ihm der Bürgergeld-Albtraum
Überall fehlen Fachkräfte, doch 700 Bewerbungen erfolglos
Amit Mundra versteht nicht, dass Menschen wie er solche Schwierigkeiten bei der Jobsuche haben. Er sei doch „qualifiziert, erfahren und bereit, einen sinnvollen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung zu leisten“. Doch all seine Abschlüsse, Zertifikate und Fertigkeiten nützen ihm nichts.
Der Inder: „Ich lebe seit fast acht Jahren in Deutschland. Meine Familie - meine Frau und meine drei Kinder - sind vor mehr als fünf Jahren nachgezogen. Wir sind tief in die deutsche Gesellschaft integriert.“
Er habe in Deutschland schon zwei Master-Abschlüsse im internationalen Management gemacht und strebe jetzt den dritten an. Seine Frau arbeite in einem deutschen Unternehmen. Die Kinder im Alter von 11, 14 und 18 Jahren würden deutsche Schulen besuchen, Gesamtschule, Gymnasium und Berufsschule. „Sie fühlen sich Deutschland näher als Indien, ihrem Geburtsland. Mein jüngster Sohn spricht mehr Deutsch als Hindi.“
Matthäus, Kahn, Klinsmann symbolisierten für Amit Stärke, Disziplin, Erfolg
Mundra betont: „Wir sind gesetzestreue Bürger, sprechen fließend Deutsch und respektieren das deutsche System.“
Deutschland sei „schon immer eines meiner Lieblingsländer“ gewesen, erzählt der 46-Jährige. Lothar Matthäus, Oliver Kahn, Jürgen Klinsmann – die Fußballlegenden der 90er Jahre symbolisierten für ihn Stärke, Disziplin, Erfolg.
An dieser Geschichte wollte er mitschreiben und kam 2017 mit einem Studentenvisum nach Deutschland. Dafür gab er zwei Startup-Unternehmen auf, die er in Mumbai gegründet hatte. Mundra lebte zunächst im nordrhein-westfälischen Soest, später in Berlin und Siegen, jetzt gemeinsam mit seiner Familie in Düsseldorf auf 106 Quadratmetern, Warmmiete 1530 Euro.
2906,70 Euro Arbeitslosengeld, trotzdem im Minus
Der Familienvater berichtet, nach seinem ersten Master-Abschluss habe er mehr als fünf Jahre in einer deutschen Software-Firma gearbeitet und verschiedene Positionen innegehabt: Online-Marketing-Manager, Country Manager für Indien und Leiter der globalen Geschäftsentwicklung.
Im März 2024 habe sich das Unternehmen strategisch neu aufgestellt – und er sei entlassen worden. „Ich war schockiert“, blickt er zurück.
„Seitdem suche ich ununterbrochen nach einem neuen Job, aber ohne Erfolg“, sagt er. Dabei habe er seine Bewerbungen mit professionellen Personalberatern geschrieben („Visionäre Führungskraft mit mehr als 19 Jahren Erfahrung im erfolgreichen Aufbau von SaaS-Unternehmen…“). Die Abkürzung SaaS steht für „Software as a Service“. Damit können sich Benutzer über das Internet mit cloudbasierten Apps verbinden und diese nutzen.
„Weder mein Karriere-Coach noch die Agentur für Arbeit oder meine Bekannten konnten mir bislang sagen, warum es nicht klappt“, bilanziert der Inder.
Mundras Jahreseinkommen lag bei rund 80.000 Euro
Okay, sein Deutsch sei nicht auf dem Niveau von C1 oder C2, gibt Mundra zu. Das sind offizielle Kategorien, die jemandem bescheinigen, auf fast muttersprachlichem Niveau zu sein. „Aber ich habe funktionale Sprachkenntnisse und kann mich gut verständigen.“
Mundra, dessen Jahreseinkommen bei rund 80.000 Euro lag, ist nach seiner Entlassung nicht ins Bodenlose gefallen. Bis heute erhält er Monat für Monat 2906,70 Euro Arbeitslosengeld. Dazu kommen insgesamt 750 Euro Kindergeld für seine beiden Söhne und die Tochter. Doch nach allen Abzügen sei sein Konto „am Monatsende negativ“, erklärt Mundra.
„Das ALG1 ist für uns ein wichtiger Rettungsanker, nicht nur finanziell, sondern auch durch zusätzliche Unterstützung wie Sprachkurse und Programme zur Beschäftigungsförderung“, sagt der Zuwanderer.
Dennoch empfindet er seine Situation als sehr belastend. „Meine Frau, die gegen Krebs kämpft und operiert werden muss, arbeitet trotz ihres Zustands weiter, um uns finanziell zu unterstützen.“
„Ich möchte arbeiten, statt auf Staat angewiesen zu sein“
Das Schlimmste jedoch sei der Blick in die Zukunft: „Die Arbeitslosenunterstützung läuft im März 2025 aus. Dann stehe ich vor der düsteren Aussicht, Bürgergeld zu beantragen – eine Situation, die ich unbedingt vermeiden möchte“, so Mundra.
„Ich bin stolz auf meine Qualifikationen und Erfahrungen und möchte arbeiten, statt auf staatliche Unterstützung angewiesen zu sein.“
Deutschland sei für seinen Fachkräftemangel bekannt und habe kürzlich die Bedingungen gelockert, um mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland aufzunehmen. „Das ist zwar lobenswert, aber ich frage mich: Was ist mit denjenigen von uns, die bereits hier sind, sich integriert haben und nach Möglichkeiten suchen?“
Mundra: „Es ist entmutigend, sich in einem System unsichtbar zu fühlen, das vorgibt, Menschen wie mich zu brauchen.“ Der Inder: „Alles, was ich suche, ist eine Chance, mich zu bewähren und meine Familie aus eigener Kraft zu versorgen.“
„Die Bürokratie in Deutschland ist erdrückend“
Parallel zu seinem Bewerbungs-Marathon überlegt Mundra, sich mit einem eigenen kleinen Startup-Unternehmen selbständig zu machen. Allerdings musste er schnell feststellen: „Die Bürokratie in Deutschland ist erdrückend. Berge von Papierkram und Vorschriften ersticken die Kreativität und bremsen den Fortschritt.“ Auch die Finanzierung sei schwierig.