„Jugendlichen fehlt das Interesse“: Firmen suchen Lehrlinge mit Ausdauer
Aktuell sind 890 Ausbildungsplätze im Landkreis München unbesetzt. Der Großteil der Lehrlinge fehlt in Handwerk, Industrie und Handel. Wenn sich ein Azubi findet, wissen die Betriebe nicht immer, ob das Interesse anhält.
Landkreis - Vier neue Maurer hat ein Bauunternehmen aus dem Landkreis im vergangenen Jahr eingestellt. Von den vier Azubis ist noch einer da. Aber auch der letzte sei wie seine ehemaligen Kollegen nicht zuverlässig. Komme zu spät oder schwänze die Berufsschule. „Wir werden ihm kündigen müssen“, erzählt der Personalchef. „Es fehlen Bewerber mit guter Qualität. Dabei können wir mit unserem Angebot punkten.“ Das Bauunternehmen übernehme alle Lehrlinge unbefristet, zahle mit 1500 Euro im dritten Lehrjahr mit die höchste Ausbildungsvergütung und habe ein faires Arbeitsklima.
Bewerbungsprozess beginnt immer später
Die Zahlen belegen, was längst jeder Häuslebauer weiß. Kaum einer will mehr Maurer werden. 20 Lehrlinge aus dem Raum München, Dachau und Ebersberg haben an der Abschlussprüfung im Sommer teilgenommen. Und auch in diesem Jahr suchen die Betriebe verzweifelt nach Nachwuchs. Im Landkreis sind noch 14 Stellen auf dem Bau offen. Insgesamt meldet die Bundesagentur für dieses Jahr 890 unbesetzte Ausbildungsplätze. Das Bauunternehmen hat keinen einzigen Maurerlehrling gefunden. Noch sind alle vier Stellen frei. „Wenn wir mehr gute Bewerbungen erhielten, würden wir sogar mehr einstellen“, sagt der Personalchef. Einige Praktikanten haben ihre Zusage kurzfristig zurückgezogen. Der Betrieb hat versucht, internationale Wege zu gehen. Doch Bewerber aus Marokko bedeuten Bürokratieaufwand. Und dann ist da noch das Problem mit der Wohnungssuche.
Schreiner Group erweitert Ausbildungszentrum
Die Schreiner Group aus Oberschleißheim war mutig und hat letztes Jahr die Anzahl der neuen Azubis um ein Drittel erhöht. Vor 14 Tagen eröffnete sie das erweiterte Ausbildungszentrum. Aktuell sind 27 der 29 Ausbildungsstellen besetzt. Ausbildungsleiter Michael Limmer sucht nach Medientechnologen im Druck. „Wir haben in den letzten Jahren festgestellt, dass wir kontinuierlich mehr tun müssen, um alle Ausbildungsstellen zu besetzen“, sagt er. Neben Messen geht der Betrieb in Schulen und veranstaltet Job-Speeddatings. Limmer fällt auf: „Der Bewerbungsprozess bei den Jugendlichen beginnt viel zu spät, wodurch die Entscheidung für einen Ausbildungsberuf manchmal überstürzt getroffen wird.“ Im Bewerbungsgespräch versuche er, die Motivation für den Beruf zu erkennen. Meistens täuscht ihn sein Gefühl nicht. In den ersten Ausbildungsmonaten verliere der Betrieb etwa fünf Prozent der Auszubildenden – der Durchschnitt in Deutschland liegt bei knapp 30 Prozent.
Malermeister klagt „Jugendlichen fehlt das Interesse“
Malermeister Valdrin Krasniqi aus Unterhaching hat dieses Jahr einen neuen Versuch gestartet. Als Krasniqi vor drei Jahren zweien seiner Lehrlinge kündigen musste und einer einfach nicht mehr kam, gab auch er auf. „Ich wollte den Jungen nicht mehr hinterherlaufen.“ Der Malerfachbetrieb legte die Azubisuche auf Eis. „Den Jugendlichen fehlt das Interesse an der Tätigkeit“, sagt er. „Dabei ist es ein toller Ausbildungsberuf mit Perspektive.“ Von seinen sieben Mitarbeitern haben zwei bei ihm gelernt. Ein ehemaliger Azubi beginnt jetzt den Meister. „Und selbst wenn die Gesellen danach noch weiter auf die Schule gehen, haben sie etwas in der Hand“, sagt Krasniqi. „Sie können viel mitnehmen.“ Nach langer Bedenkzeit hat er beschlossen, neue Ausbildungsstellen bei der Berufsagentur einzureichen. Bisher hat sich nichts ergeben.
In Garching ist auch der Landtechnikbetrieb Gruma noch auf der Suche nach zwei Land- und Baumaschinenmechatronikern. Die kaufmännischen Stellen sind seit ein paar Tagen alle vergeben. „Im Raum München ist die Konkurrenz groß“, sagt Gabriella Kemény aus der Personalabteilung. „Wir sind als Familienunternehmen nicht wie andere internationale Unternehmen tariflich unterwegs und können keine 40 Tage Urlaub bieten.“ Wenn junge Leute das Geld priorisieren, könnten mittelständische Betriebe nicht mithalten. In der Zweigstelle bei Augsburg seien bereits letztes Jahr im November alle zehn Ausbildungsplätze als Landmaschinenmechatroniker besetzt gewesen.
Jugendliche überall abholen
Ein gutes Jahr hat der Brauereigasthof Hotel Aying erwischt. „Toi, toi, toi, wir können uns nicht beschweren“, sagt Magdalena Westermeyer. Alle acht Azubistellen sind besetzt. Von der Köchin bis zum Hotelfachmann. Zweit weitere gute Bewerbungen liegen noch auf dem Tisch. Westermeyer sagt: „Wir haben versucht, die Jugendlichen überall abzuholen. Auch auf Social Media.“ Die meisten hätten sich nach einem Praktikum dazu entschlossen, die Ausbildung bei ihnen zu machen. „Aber uns ist bewusst: Es gibt gute und schlechte Jahre.“