Spionage und Sabotage nehmen drastisch zu: Merz-Minister startet Sicherheits-Offensive
Hybride Kriegsführung ist längst Realität in Deutschland. Nun startet die Bundesregierung eine umfassende Aufrüstung der Behörden.
Berlin – Deutschland steht nach Einschätzung der Bundesregierung und der Sicherheitsbehörden massiv unter Druck durch ausländische Spionage und gezielte Sabotageakte. In der Haushaltsdebatte für das Jahr 2025 kündigte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) deshalb eine umfassende Sicherheits-Offensive an. „Deutschland ist Ziel einer hybriden Kriegsführung“, erklärte Dobrindt am Mittwoch im Bundestag. Spionage und Sabotage hätten „massiv zugenommen“. Die Antwort der Bundesregierung sei eine deutliche Aufstockung der Mittel für Polizei, Verfassungsschutz und Bevölkerungsschutz.
Gegen Spionage und Sabotage: Merz-Minister startet Sicherheits-Offensive
Für das laufende Jahr sieht der Haushalt des Innenministeriums Ausgaben in Höhe von 15,17 Milliarden Euro vor – das sind fast zwei Milliarden mehr als im Vorjahr. Besonders im Fokus steht dabei die Bundespolizei, die um 1.000 Stellen verstärkt werden soll. SPD-Haushaltsexperte Martin Gerster betonte mit Blick auf die hohe Zahl an Überstunden, so n-tv.de, diese Verstärkung werde „dringend benötigt“. Im Etat ist zudem Geld für die Anschaffung von sogenannten Tasern vorgesehen, die als Distanz-Elektroimpulsgeräte umstritten sind, aus Sicht der Bundespolizei aber „die Lücke zwischen Schusswaffe und Schlagstock“ schließen.
Bundesinnenminister Dobrindt kündigte außerdem an, den Bevölkerungsschutz „aufzurüsten“. Investiert werden solle in Fahrzeuge, Technik und Digitalfunk. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Aufbau eines Zentrums für deutsch-israelische Cyberforschung.
Hintergrund der Offensive sind nicht zuletzt wiederholte Angriffe, die russischen Geheimdiensten zugeschrieben werden. Im Juni 2025 berichtete etwa NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung über einen Sabotage-Fall auf dem Flughafen Leipzig, bei dem ein Paket mit Ziel London explodierte. Nach Einschätzung der Behörden, schrieb n-tv.de, steckte der russische Militärgeheimdienst GRU hinter der Aktion – und vergleichbare Vorfälle gab es auch in Birmingham und Warschau.
Russland, China, Iran und die Türkei: Cyberangriffe nehmen zu
Nicht nur bei Sabotageakten, sondern auch im Bereich der Cyberkriminalität registrieren die Behörden eine deutliche Zunahme russischer Aktivitäten. Bereits 2015 und 2023 trafen spektakuläre Angriffe den Bundestag und die SPD, zuletzt 2024 auch die CDU. In allen Fällen wurde die Cybergruppe APT 28 („Fancy Bear“) verantwortlich gemacht, die ebenfalls dem GRU zugeordnet wird.
Claudia Plattner vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) betonte gemäß n-tv.de auf einer Bundespressekonferenz im Juni: „Die Lage ist angespannt.“ Besonders große Sorgen bereiteten ihr staatliche Stellen, die Spionage und Sabotage betrieben – neben Russland vor allem auch China, Iran und die Türkei.
Deutsche Wirtschaft und Infrastruktur im Visier der Angreifer
Russische Hacker attackieren gezielt Unternehmen, besonders solche mit militärisch nutzbarem Know-how oder aus der Rüstungsindustrie. Die Zahl der erfolgreichen Cyberangriffe ist in den vergangenen zwölf Monaten um vier Prozent gestiegen – 15 Prozent der befragten Firmen waren betroffen, so eine Studie des TÜV Rheinland. Vor allem Ransomware-Angriffe, bei denen IT-Systeme lahmgelegt und Lösegeld gefordert wird, nehmen zu.
Laut Studien, so der Spiegel, wiegen sich viele Unternehmen in falscher Sicherheit: 91 Prozent bewerten ihre eigene IT-Sicherheit als „gut oder sehr gut“. Das BSI spricht von „Wunschdenken“. Gerade kleine Unternehmen erfüllen im Risiko-Check oft nicht einmal die Hälfte der Anforderungen – der Check sei in der IT-Sicherheit so etwas wie das „Seepferdchen“ beim Schwimmunterricht, absolutes Einstiegsniveau.
Kritik an Dobrindts Sicherheitspolitik und die Rolle der Polizei
Innenminister Dobrindt versprach unlängst, technisch, juristisch und organisatorisch aufzurüsten: „Wir müssen in Deutschland technisch, juristisch und organisatorisch aufrüsten.“ Künstliche Intelligenz müsse bei den Nachrichtendiensten eine größere Rolle spielen. Die Bundesregierung solle zudem die EU-Richtlinie „Network and Information Security“ (NIS 2) rasch umsetzen, um die Cybersicherheit europaweit zu erhöhen. In Anlehnung an den israelischen „Iron Dome“ forderte er einen „Cyber Dome“ zur Sicherung der kritischen Infrastruktur in Deutschland.
Doch an der Ausrichtung der Offensive gibt es Kritik. Leon Eckert (Grüne) bezeichnete das Budget als eigentlich exzellente Ausgangslage für mehr Sicherheit, bezweifelte aber angesichts der aus seiner Sicht falschen Schwerpunktsetzung des Ministers, dass das Ziel erreicht werde. Dobrindt inszeniere sich mit der Zurückweisung von Asylsuchenden als „bayerischer Löwe“, laufe aber rechten Narrativen nach. Auch Dietmar Bartsch (Linke) kritisierte, Dobrindts Agieren schütze „die Bürger nicht vor den Feinden der Demokratie“.
Entwicklung der Polizeibeamtenzahlen in Deutschland
Bereich | Zahl 2019 | Zahl 2024 | Veränderung (absolut) |
---|---|---|---|
Gesamtpolizeibeschäftigte (bundesweit) | ca. 307.600 | ca. 330.500 | +22.900 |
Bundespolizei (Polizeivollzugsbeamte) | ca. 37.600 | ca. 39.100 | +1.500 |
Bundespolizei (Anwärter) | ca. 2.100 | ca. 7.100 | +5.000 |
Landespolizeien (Polizeivollzugsbeamte) | ca. 270.000 | ca. 273.600 | +3.600 |
Bundeskriminalamt (BKA) | ca. 8.500 | ca. 9.080 | +580 |
Geplante Neueinstellungen 2025 (Bundespolizei) | +1.000 | - |
Quellen: destatis.de, bmi.bund.de, statista.com, bka.de
Großes Unsicherheitsgefühl trotz hoher Polizeidichte, Dobrindt warnt
Trotz des Personalaufbaus – im Osten Deutschlands sind inzwischen über 300 Polizisten pro 100.000 Einwohner im Einsatz – bleibt das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung schwach. Das Land zählt weiterhin zu den sichersten der Welt: Nach Eurostat liegt Deutschland im unteren Drittel der gefährlichen Destinationen in Europa, die Wahrscheinlichkeit, Opfer schwerer Gewalt zu werden, ist gering. Dennoch ist laut einer Studie des Bundeskriminalamts und der Polizeibehörden der Länder, merkt der Spiegel an, das Unsicherheitsgefühl groß, vor allem in Ostdeutschland.
Die Polizei kämpft zudem mit strukturellen Problemen: Viele Beamte verbringen den Großteil ihrer Dienstzeit nicht im Außendienst, sondern in der Verwaltung. Obwohl Bürger sich eine sichtbare Polizei wünschen, sind Uniform und Präsenz im öffentlichen Raum rückläufig. Digitalisierung und Bürokratie-Entlastung greifen offenbar nur langsam.
Innenminister Dobrindt stellt die Weichen für eine massive Aufrüstung der Sicherheitsbehörden – doch die Herausforderungen durch hybride Bedrohungen bleiben gewaltig. Wie schnell sich die Sicherheitslage tatsächlich verbessert, ist offen. Sicher ist laut Dobrindt, wie er bereits vor wenigen Wochen sagte, nur eines: „Der nächste Angriff aus Russland kommt bestimmt.“ (chnnn mit dpa)