Change-Profi Kishor Sridhar - Deutschland kann mehr! Wie wir trotz Wandel Wohlstand bewahren

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    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
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Getty Images / piranka Deutschland hat in seiner Geschichte gezeigt, dass es große Transformationen bewältigen kann
Donnerstag, 28.11.2024, 08:26

Deutschland steht vor einem radikalen Wandel - Krisen sind die neue Normalität. Change-Profi Kishor Sridhar zeigt, was wir in der deutschen Politik und in deutschen Unternehmen jetzt brauchen, um auch in Zukunft unseren Wohlstand zu wahren.

Was müssen wir in Unternehmen und Politik jetzt tun, um nicht zu scheitern?

Keine Frage: Deutschland steht mitten in einem epochalen Strukturwandel. Digitalisierung, Klimaneutralität und der zunehmende globale Wettbewerb erfordern tiefgreifende Veränderungen in Unternehmen und Gesellschaft. Doch Change ist nie einfach – und in Deutschland stößt der Wandel auf altbekannte Herausforderungen. Die Politik hat derzeit versagt, aber auch die Unternehmen dürfen jetzt nicht aufgeben. In Zeiten des Wandels tragen alle Verantwortung: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wir müssen es gemeinsam besser machen.

Über den Experten Kishor Sridhar

Über den Experten Kishor Sridhar

Kishor Sridhar, Executive Berater, Keynote Speaker und Buchautor, ist anerkannter Experte für Change, Führung und Digitalisierung. Er begleitet deutsche und internationale Entscheider und Führungskräfte operativ in der Unternehmensentwicklung und bei Veränderungsprozessen. In Change-Prozessen bringt er dabei praxisbewährte Erkenntnisse aus seinen Wirtschaftsstudien, wie z.B. „KI in deutschen Unternehmen“ ein und verknüpft diese mit psychologischen Effekten zum „Erfolgsfaktor Mensch“. Kishor Sridhar lehrt an der International School of Management in München u.a. Cross Cultural Leadership und New Work.

 

Als Change-Manager für deutsche Unternehmen sehe ich fünf entscheidende Eigenschaften – sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik – die wir jetzt brauchen, um den Wandel zu schaffen und nicht zu scheitern oder gar unsere Zukunft aufs Spiel zu setzen.

1. Vorbilder für Change

Die deutsche Unternehmenslandschaft ist nach wie vor geprägt von starren Hierarchien und einem Fokus auf Stabilität. Viele Veränderungsprojekte scheitern, weil sowohl Mitarbeitende als auch Führungskräfte den Wandel als Bedrohung wahrnehmen. Und hier unterscheiden sich viele Führungskräfte nicht sehr von Politikern.

Denken Sie an die Führungskräfte, die Sie bisher erlebt haben: Wie viele davon waren echte Vorbilder für Veränderung? Und wie viele verwalteten lediglich den Status quo? Effizienz ist wichtig, aber wenn wir auf eine Wand zusteuern, hilft es nicht, schneller und präziser zu fahren.

Wir brauchen Führungspersönlichkeiten – in Wirtschaft und Politik – die Wandel aktiv vorleben und keine bloße Wohlstandsverwaltung betreiben. Veränderung bedeutet Risiko, auch das Risiko, mal zu verlieren. Wir brauchen wieder die Bereitschaft, ein kalkuliertes Risiko einzugehen. Doch es ist auch eine menschliche Eigenschaft: Je mehr wir besitzen, desto weniger risikobereit werden wir.

2. Flexibilität im Denken und der Einsatz neuer Technologien

Unternehmen, Gesellschaft und Politik leiden in Deutschland häufig unter starren Prozessen, die schnelle Anpassungen behindern. Das zeigt sich besonders bei der Einführung neuer Arbeitsweisen oder Technologien. Digitalisierung wird oft missverstanden – sie ist keine reine Technologiefrage, sondern eine Denkweise.

Jeder sollte sich fragen: Welche meiner Aufgaben kann eine Software oder künstliche Intelligenz schneller, günstiger und besser erledigen als ich?

Der Fokus sollte darauf liegen, Routinetätigkeiten abzugeben, um sich auf das zu konzentrieren, was uns als Menschen auszeichnet: Beziehungen aufbauen, kreativ sein, neue Ideen entwickeln und Menschen fördern, vor allem aber neues Denken und neue Wege zu gehen.

Diese Denkweise erfordert jedoch Mut und Anstrengung. Stattdessen verharren viele lieber in alten Mustern – das ist bequemer. Bequemer ist es, sich hinter Gewohnheiten und dem Status quo, dem ur-deutschen „Das haben wir schon immer so gemacht“, zu verschanzen. Change ist und bleibt unbequem.

3. Weniger Perfektionismus – scheitern muss erlaubt sein

Perfektionismus ist eine Illusion; Wandel hingegen Realität. Entscheidend ist, aus Fehlern zu lernen und daran zu wachsen. Ich erlebe noch in zu vielen Unternehmen, dass Perfektionismus, also Fehlerlosigkeit, als der heilige Gral angesehen wird. Ja, wir wollen hohe Qualität und brauchen diese auch. Doch im Wandel müssen wir verstehen, dass wir auch Fehler zulassen müssen.

Innovation entsteht nur dort, wo Fehler toleriert werden. In Deutschland gilt Scheitern jedoch oft als Makel und wird mit Häme überzogen. In den USA wird ein Unternehmer trotz zahlreicher Rückschläge Präsident – auch wenn Trump kein Vorbild sein mag, können wir von der toleranten Fehlerkultur lernen. Qualität ist nicht Perfektion, sondern eine Kultur der permanenten Verbesserung.

Jede erfolgreiche Erfindung ist das Ergebnis von Versuch und Irrtum. Perfektionismus ist eine Illusion; Wandel hingegen Realität. Entscheidend ist, aus Fehlern zu lernen und daran zu wachsen.

4. Ehrliche Kommunikation

Eine positive Fehlerkultur erfordert klare Kommunikation. Wir müssen Mitarbeitenden und der Gesellschaft ehrlich vermitteln, dass Veränderung unausweichlich ist. Statt Worthülsen oder moralischer Überhöhung brauchen wir einfache, nachvollziehbare Botschaften. Olaf Scholz mag Schachtelsätze perfektioniert haben, doch Klarheit findet oft mehr Gehör.

Zu oft höre ich in Unternehmen Sätze wie: „Wenn wir das nicht so machen, wie ich meine, werden wir in vier Jahren nicht mehr am Markt sein.“ Solche Übertreibungen schrecken ab. Stattdessen sollten wir Positionen klar und verständlich begründen und offen für Kritik sein. Nur so schaffen wir ein Klima, in dem Wandel gelingen kann.

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5. Gemeinsame Vision und Sinn

Ohne eine klare Vision bleibt Veränderung abstrakt. Viele Mitarbeitende sehen den Sinn von Transformationsprozessen nicht, weil diese oft allein auf betriebswirtschaftliche Ziele wie Wachstum oder Effizienz ausgerichtet sind. Doch Visionen inspirieren – nicht Zahlen.

Fragen Sie sich doch mal selbst: Was ist die Mission und Vision Ihres Unternehmens? Und damit meine ich nicht den Spruch auf der Website, sondern was Ihr Unternehmen wirklich antreibt.

Die großen Unternehmer Deutschlands waren alles Visionäre. Carl Benz wollte das Automobil für jedermann zugänglich machen. Hasso Plattner strebte mit SAP an, Unternehmen transparenter und effizienter zu machen. Der Erfinder des Fischer-Dübels, Arthur Fischer, wollte Montage und Befestigungen im Bauwesen vereinfachen. Das waren keine leeren Worte, sondern die treibende Kraft hinter ihren bahnbrechenden Innovationen.

Nach dem Krieg war die Vision klar: Nie wieder Krieg, deutsche Ingenieurskunst und Strebsamkeit. Diese Vision schuf das Wirtschaftswunder und den Wohlstand, von dem wir heute noch profitieren. Wir brauchen wieder eine Vision – in unseren Unternehmen und als Gesellschaft.

Wir müssen wieder Deutschlands Potenzial nutzen

Wir in Deutschland haben in der Vergangenheit schon manche große Transformationen bewältigt. Und vielleicht gehört das Jammern auf (noch) hohem Niveau dazu. Doch um auch künftig erfolgreich zu sein, braucht es ein Umdenken in Unternehmen, aber auch in der Politik:

  1. Förderung einer konstruktiven Fehlerkultur – Statt Fehler zu stigmatisieren, sollte ein Umfeld geschaffen werden, in dem Misserfolge als Lernchancen und Teil des Innovationsprozesses anerkannt werden. Dies kann durch steuerliche Anreize für Risikoinvestitionen erfolgen.
     
  2. Bürokratie abbauen und Flexibilität fördern – Der Staat muss Bürokratie abbauen und digitale Transformation beschleunigen. Regeln sind wichtig, doch sollten sie praxisnah sein.
     
  3. Klare Vision und transparente Kommunikation – Weniger Parteiinteressen. Wir brauchen eine klare, zukunftsorientierte Vision für die nächsten Jahrzehnten entwickeln und diese verständlich kommunizieren. Was bisher erfolgt ist, ist diffus und von Untergangsszenarien geprägt. Was Menschen antreibt, sind jedoch Visionen mit Hoffnung und Sinnhaftigkeit.
     
  4. Investitionen in Bildung und digitale Kompetenzen – Wir brauchen gezielte Bildungsprogramme, die die digitale und kreative Kompetenz der Arbeitskräfte fördern. Aber auch bereits in den Schulen sollte die digitale Kompetenz gestärkt werden. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass junge Menschen per se mit digitaler Technik umgehen können. Ich erlebe immer wieder bei jungen Studierenden jenseits von Instagram oder TikTok eine absolute digitale Ahnungslosigkeit.
     
  5. Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – Politik sollte nicht einfach nur mit Unternehmen reden. Niemand braucht mehr Alibi-Veranstaltungen. Bedürfnisse der Unternehmen müssen aufgegriffen und umgesetzt werden, denn sie schaffen die Arbeitsplätze. Doch Unternehmen sollten sich nicht hinter dem Versagen der Politik verstecken, denn Erfolg bedeutet, es trotz widriger Umstände zu schaffen.

Deutschland hat in seiner Geschichte gezeigt, dass es große Transformationen bewältigen kann – sei es das Wirtschaftswunder oder die Wiedervereinigung. Als Change-Manager appelliere ich an Unternehmen und politische Entscheider: Nutzen wir das immense Potenzial, das wir als Land und Wirtschaft haben. Gemeinsam können wir die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellen.

Dieser Content stammt vom FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Bereich. Sie sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.