Die Stadt Saporischschja hingegen galt bisher als relativ sicher, weil sie außerhalb der Reichweite dieser Waffen liegt. Das hat sich im September nun geändert. Auch Saporischschja ist Ziel von Angriffen geworden.
In einstigem Zufluchtsort der Ukrainer greifen Russen jetzt zu perfider Bomben-Taktik
Warum jetzt Saporischschja? Experten gehen davon aus, dass Russland die Bomben modifiziert und dadurch die Reichweite vergrößert hat. Dabei war die Stadt zu einem Zufluchtsort für diejenigen geworden, die vor den Kämpfen im Osten geflohen waren.
Sie ist außerdem von strategischer Bedeutung für die Verteidigung des Südens der Ukraine, Knotenpunkt für den Eisenbahn- und Straßenverkehr und verfügt über eine große Stahlindustrie.
Reporter der „New York Times“ haben mit Menschen vor Ort gesprochen. Besonders schlimm für die Bewohner: Die Flugdauer der Gleitbomben ist so kurz, dass Sirenen erst kurz vor dem Einschlag der Bomben ertönen.
„Die Leute in der Stadt erzählen uns, dass sie angefangen haben, in ihren Kleidern zu schlafen, weil diese Fliegerbomben so leise sind, dass man sie nur hört, wenn sie explodieren“, sagt Natalia Ardalianova, die bei Artak arbeitet, einer Hilfsorganisation, die bei der Evakuierung von Zivilisten aus Saporischschja hilft.
„Die Situation hat sich definitiv geändert – wir schlafen jetzt weniger.“
"Die Splitter fliegen bis zu 250 Meter weit"
Oleh Krulikovsky, Leiter eines Notfallteams in der Region Saporischschja, sagt, dass mehr Zivilisten verletzt würden. „Die Splitter fliegen bis zu 250 Meter weit“, sagt er. „Ich bitte die Leute immer wieder, sich wenigstens hinter einer Mauer zu verstecken, wenn sie sehen, dass sie es nicht bis zum Luftschutzbunker schaffen.“
Zivilisten in Saporischschja, die vor den heftigen Kämpfen in der Donbass-Region geflohen sind, fürchten nun, dass sie durch die Gleitbombenangriffe erneut vertrieben werden. Eine Frau sagt, sie würde nur gehen, wenn eine Bombe in ihrem Garten landen würde. „In den drei Jahren“, sagte sie, „hatten wir oft das Gefühl, wir würden sterben, aber wir haben überlebt, und wir werden auch jetzt überleben."
Von Julia Hoene
Das Original zu diesem Beitrag "Ukraine-Invasion Tag 979: Wachsende Bedrohung durch Gleitbomben in einst sicherer Stadt" stammt von Tagesspiegel.