16-jähriger Messerangreifer erschossen - Sicherheitsexperte erklärt: Polizist muss im Bruchteil einer Sekunde unter Hochstress entscheiden
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass
Ein Polizist muss sich seit mehreren Monaten wegen tödlicher Schüsse auf einen Flüchtling verantworten. Die Anklage lautet Totschlag. Zur Erinnerung: Er wehrte einen Messerangriff eines 16- jährigen Senegalesen mit seiner Maschinenpistole ab. Neben ihm sind auch der Einsatzleiter, sowie 2 weitere Polizisten angeklagt.
Der 16-jährige sei in hohem Tempo mit einem Messer in der Hand auf die Polizisten zugelaufen. Ein zuvor wurde von zwei Polizisten Pfefferspray ergebnislos eingesetzt. Am Folgetag kam es zu Demonstrationen vor der Polizeiinspektion, in dem Parolen geschrien wurden, dass der Polizist ein Mörder und Rassist sei.
Meine Einschätzung: Im Rechtsstaat ist es üblich, dass Einsätze auf ihre Recht- und Verhältnismäßigkeit hin überprüft werden. Ein Schusswaffengebrauch, vor allem mit tödlichem Ausgang, gehört unter diese Rubrik.
Auf der anderen Seite: Wenn ein mit einem Messer bewaffneter Mensch, fast egal welchen Alters – und ein 16-Jähriger kann durchaus als Erwachsener im Sinne einer Gefährdungseinschätzung eingruppiert werden – trotz mehrfachen Einsatzes von Reizstoff nicht an seiner Handlung gehindert wird, bleibt nur noch der Schusswaffeneinsatz. Hierbei ist selbstverständlich die Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. Dabei ist zu bedenken, dass sich der Angreifer schnell auf einen zubewegt, Hochstress des Schützen, bedauerlicherweise mit tödlichem Ausgang.
Wenn ich nun lese, dass die Kollegen suspendiert wurden und sich bereits seit längerem ihr Verhalten juristisch geprüft wird, stellt sich die Frage, welche Signalwirkung für künftige Fälle von diesem Vorgehen ausgeht. Welche Handlungssicherheit sollen die Polizisten in solchen Hochstresssituationen erfahren?
Nun hoffe ich, dass die Kollegen psychiatrische Unterstützung erfahren und die Freistellung vom Dienst deren Fürsorge dient.
Schießen oder nicht schießen – Bruchteil einer Sekunde
In einer solchen Situation kommt es oft zu einem Tunnelblick. Die Aktion erlebt man wie in Watte gepackt – entweder wie in Zeitlupe oder rasend schnell. In solchen Momenten ist die Wahrnehmung deutlich verändert. Die Bedrohung, das Messer, wirkt überdimensional groß. Polizisten sind Allrounder – vom freundlichen bürgernahen Polizisten, über den Schlichter bei häuslicher Gewalt oder der Verkehrsunfallaufnahme bis hin zu lebensbedrohlichen Situationen wie in diesem konkreten Fall. Diese Vielfalt macht den Beruf des Polizisten so vielseitig und spannend. In einer solchen Hochstressphase muss ein Polizist prüfen: Darf ich schießen, muss ich schießen, gefährde ich Unbeteiligte?
Dabei sollte berücksichtigt werden, dass der Schusswaffeneinsatz nur ein kleiner Teil der kompletten Ausbildung darstellt. Von daher muss die Justiz dies berücksichtigen und kann nicht von den gleichen Voraussetzungen wie bei einem SEK-Einsatz ausgehen, wo die Gefährdungssituation entsprechend hoch eingestuft wurde.
Ich erinnere mich an ein Training, bei welchem ich Richter und Staatsanwälte beschulte. In diesem Training waren sie in der Rolle von Polizisten und mussten bei verschiedenen Szenarien reagieren. Nicht nur, dass sie von der Reizüberflutung her nicht mehr wussten, wie häufig sie geschossen hatten, sie wussten auch oft nicht mehr, was der Grund für den Schusswaffeneinsatz war. Weil jemand eine schnelle Bewegung machte, dachten sie, dass er ein Messer zieht – die Situation war völlig anders in der Realität. Sie konnten es nicht glauben und hätten jeden Schuss gerechtfertigt und konnten nur durch Videoaufnahmen überzeugt werden.
Alle waren sichtlich beeindruckt und einstimmig von der Wichtigkeit dieser speziellen Erfahrung überzeugt. Zitat: „Solch ein Training hätten wir schon viel früher machen sollen, nun können wir die Situation der Polizei viel besser einschätzen.“
So wäre ein solches Training den ermittelnden Juristen im Falle Duisburg zu empfehlen.
Die innere Sicherheit kostet Geld. Gerade in Zeiten mit solchen angespannten Sicherheitslagen braucht es eine realistische und am Einsatz orientierte Aus- und Weiterbildung. Wir erinnern uns, dass gegen die am Einsatz beteiligten Kollegen ein Strafverfahren eingeleitet wurde, da sie zu zögerlich reagiert hätten, oder an die Einsparungen bei der Bundespolizei durch die Innenministerin, Frau Faeser.
Mein Wunsch wäre es, unseren Polizisten den Rücken zu stärken und zu deren Handlungsfähigkeit beizutragen.