„Dies ist die Zukunft des tausendjährigen Russlands“: Putin appelliert plötzlich an russische Frauen

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Wladimir Putin wandte sich in einer Rede jetzt an Russlands Frauen. © Collage: IMAGO / SNA

Wladimir Putin muss im Ukraine-Krieg erhebliche Verluste hinnehmen. Er braucht neue Soldaten und Arbeitskräfte. Der Präsident wendet sich an Russlands Frauen.

Moskau – Russland muss im Ukraine-Krieg weiter schwere Verluste hinnehmen und sucht im eigenen Land händeringend nach neuen Soldaten. Gleichzeitig sorgen die Sanktionen des Westens für wirtschaftliche Probleme in Russland. Zudem ist Wladimir Putin in der internationalen Politik deutlich isoliert. Doch der Kreml-Machthaber gibt sich siegessicher. In einer aktuellen Rede wandte er sich nun auch an Russlands Frauen – mit einer auf den ersten Blick überraschenden Forderung.

„Die Rettung und Vermehrung des russischen Volkes ist unsere Aufgabe für das kommende Jahrzehnt. Ich werde noch mehr sagen – für kommende Generationen. Das ist die Zukunft der russischen Welt und des tausendjährigen, ewigen Russlands“, sagte Putin laut Tass am Dienstag in einer Videobotschaft zur Tagung des sogenannten Weltkonzils des Russischen Volkes, einer Organisation unter Schirmherrschaft der russisch-orthodoxen Kirche. Es sind Worte, die aus deutscher Sicht an ein dunkles Zeitalter der eigenen Geschichte erinnern.

Putin fabuliert über „die Zukunft des tausendjährigen Russlands“ – und wendet sich an Frauen

Vor dem Hintergrund hoher Verluste im Ukraine-Krieg forderte Wladimir Putin Russlands Frauen in seiner Rede auf, bis zu acht Kinder zu bekommen. Der russische Präsident erzählte dabei von der Generation der Großmütter und Urgroßmütter. Diese hätten sieben, acht oder mehr Kinder gehabt. „Lassen Sie uns diese hervorragenden Traditionen bewahren und wiederbeleben“, zitiert Business Insider aus Putins Rede. Große Familien müssten die Norm werden, so die Forderung des Kreml-Herrschers, denn: Die Familie sei nicht nur das Fundament des Staates und der Gesellschaft, sie sei auch ein „geistiges Phänomen, eine Quelle der Moral“.

Ob der Appell des Präsidenten aber Gehör findet, scheint fraglich. Gerade erst hat eine Gruppe russischer Frauen ihrem wachsenden Unmut Luft gemacht. Die Ehefrauen russischer Soldaten veröffentlichten einen Appell, indem sie Putin „Verrat“ am eigenen Volk und „leere Versprechungen“ im Zusammenhang mit der Teilmobilmachung für den Ukraine-Krieg vorwerfen. Die offene Kritik an Russlands Vorgehen nennt der britische Geheimdienst „bemerkenswert“.

Die Aussagen Putins kommen zu einem Zeitpunkt, zu dem die Geburtenrate in Russland seit Jahrzehnten rückläufig ist. Seit seinem Amtsantritt vor 24 Jahren versucht Putin, die Geburtenrate anzuheben. Dazu führte er einige staatliche Anreize, wie Zahlungen an Familien mit mehr als einem Kind ein. Diese Schritte hatten aber so gut wie keinen Erfolg.

Putin plagen Personalprobleme – im Ukraine-Krieg und in Russland selbst

Ganz überraschend kommen die Aussagen Putins also nicht. Doch sie zeigen auch, dass Russland aktuell große Personalprobleme plagen.

Im Ukraine-Krieg sind laut einer Studie des Exil-Magazins Meduza bis Ende Mai 2023 zwischen 40.000 und 55.000 russische Männer unter 50 Jahren gestorben. Bezieht man Männer mit ein, die so schwer verwundet wurden, dass sie nicht in den Militärdienst zurückkehren konnten, steigt diese Zahl demnach auf mindestens 125.000 Soldaten. Und: In diesen Zahlen sind weder vermisste oder gefangene Soldaten, noch ukrainische Staatsangehörige aus den besetzten Gebieten, die für Russland kämpfen, mit einberechnet.

Ukraine-Verluste und Massenabwanderung treffen Russland schwer

Die Nato geht von noch größeren russischen Verlusten in der Ukraine aus. Nach Einschätzung des Verteidigungsbündnisses hat die Zahl der getöteten oder verwundeten russischen Soldaten mittlerweile die Marke von 300.000 überschritten. „Militärisch hat Russland einen erheblichen Teil seiner konventionellen Streitkräfte verloren“, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch nach einem Bündnistreffen mit dem ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba in Brüssel. Dazu gehörten auch Hunderte Flugzeuge und Tausende Panzer. Stoltenberg warnte zugleich davor, große Hoffnungen darauf zu setzen, dass die Verluste zu einem schnellen Ende des Kriegs in der Ukraine führen. Der russische Präsident Wladimir Putin habe eine hohe Toleranzschwelle, was die Opfer angehe, sagte der Norweger. 

Gleichzeitig fehlen Wladimir Putin nicht nur Soldaten, sondern auch Arbeitskräfte in Russland selbst. „Russland mangelt an Arbeitskräften“, sagte Alexei Raksha, ein Demograf, der zuvor bei der Statistikbehörde Rosstat arbeitete, gegenüber AFP. Dies sei ein „altes Problem“, das sich aber durch die Mobilisierung für den Ukraine-Krieg und eine daraus folgende Massenabwanderung verschlimmert habe. Dabei verlassen vor allem die gut ausgebildeten jungen Menschen das Land. Rashka schätzt, dass allein im Februar und März 2022, also kurz nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs, knapp 150.000 Menschen Russland verlassen haben. Nachdem Putin die Mobilmachung im September angekündigt hatte, sei eine weitere halbe Million gefolgt, so der Experte. (rist)

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