Deutsche Luftwaffe in Rumänien: Fünf Flugminuten vom Ukraine-Krieg entfernt

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Ein Bundeswehr-Soldat steht auf dem Flugplatz Mihail Kogalniceanu, in der Nähe von Constanta (Rumänien), vor einem deutschen Eurofighter. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Vier Eurofighter schützen die Nato-Südostflanke hier vor russischen Provokationen – defensiv, aber mit deutlicher Präsenz in der Luft.

Constanta (Rumänien) – Der Krieg in der Ukraine ist für die deutschen Eurofighter-Piloten in Rumänien fünf Flugminuten entfernt. Vom Flugplatz Mihail Kogălniceanu in der Nähe von Constanta am Schwarzen Meer überwacht die deutsche Luftwaffe seit dem 27. November den Nato-Luftraum. Etwa 100 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Am Mittwoch (6. Dezember) wurden die deutschen Soldaten erstmals „scharf alarmiert“, teilte die Luftwaffe mit.

Es habe verstärkte russische Aktivitäten gegeben, nachdem ukrainische Kräfte einen SU-24M-Bomber abgeschossen haben sollen – danach näherte sich ein russischer Flieger dem Nato-Luftraum, vermutlich auf der Suche nach Trümmerteilen des zerstörten Jets. Zu einer direkten Konfrontation oder einer Penetration des rumänischen Luftraums kam es nicht.

Deutsche Luftwaffe in Rumänien – zweimal täglich starten je zwei Eurofighter zu Routineflügen

Die Luftwaffe überwacht beim enhanced Air Policing South (eAPS) mit vier Eurofighter-Kampfjets vom Taktischen Luftwaffengeschwader 31 „Boelcke“ aus Nörvenich in Rumänien den Luftraum über Nato-Gebiet. Was dort passiert, soll gesehen werden. Einen Tag vor der Alarmmeldung fliegt die Luftwaffe eine Gruppe Journalisten ans Schwarze Meer. Zweimal täglich starten dort jeweils zwei Eurofighter zu Routineflügen, nur 15 Minuten haben sie, um „airborne“, also in der Luft, zu sein, so Oberstleutnant Markus Kuchenbaur, der das Kontingent führt.

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Am Boden überwachen Soldaten mit dem Abwehrsystem gegen kleine unbemannte Luftfahrzeuge (Asul) den Raum. Das gesamte Kontingent umfasst etwa 150 Soldatinnen und Soldaten, davon 80 des Taktischen Luftwaffengeschwaders und vierzig aus dem Objektschutzregiment Luftwaffe Friesland. Am 22. Dezember reisen die deutschen Soldaten wieder ab.

Schnelle Verlegung nach Rumänien – öfters Luftraumverletzungen an der ukrainischen Grenze

Es ist ihnen wichtig, zu betonen, wie schnell und spontan sie die vier Eurofighter, Zelte, vierzig Container voller Material und die Soldaten nach Rumänien verlegt hätten. Erst im September sei die Anweisung an das Luftwaffengeschwader 31 gekommen, das enhanced Air Policing South in dem Nato-Land zu übernehmen, weil die Türkei, die eigentlich vorgesehen war, es nicht rechtzeitig schaffte. Eine Herausforderung für die Logistik. Zuvor war die Luftwaffe schon 2021 und 2022 Air Policing-Missionen in Rumänien geflogen. Im Baltikum tut sie das schon seit fast 20 Jahren.

In Rumänien kam es an der ukrainischen Grenze schon öfter zu Luftraumverletzungen durch russische Shahed 136-Drohnen aus iranischer Produktion, sagt Kuchenbaur. Mal seien es Trümmerteile von Flugkörpern, die in der Ukraine abgeschossen wurden und in Rumänien landeten, mal Drohnen, die unkontrolliert über ihre Destination hinausflogen, deren Übertritt aber als „nicht beabsichtigt“ klassifiziert wurde.

Russische Luftwaffe über Schwarzem Meer sehr aktiv

Über dem Schwarzen Meer, außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone vor der Küste, beginnt der internationale Luftraum. „Die Russen nutzen ihn sehr aktiv“, sagt Kuchenbaur und seien bedacht, nicht in die Zone einzudringen. Anhand der Flugspuren könne man sehen, dass sie sich bewusst seien, „da ist die Nato, diese Zwölf-Meilen-Zone wollen wir nicht penetrieren“, sagt Kuchenbaur. Die deutschen Piloten habe er instruiert, „defensiv zu agieren, aber Präsenz in der Luft zu zeigen“. Ein Zeichen, das auch Radare in 200 bis 300 Meilen Entfernung auf der russisch besetzten Krim registrierten.

Und komplett uneigennützig ist die Mission nicht. Für das Asul-System des deutschen Herstellers ESG, das zum Schutz der Deutschen Drohnen stört, ist der Einsatz Werbung. Das rumänische Heer denke darüber nach, das System zu erwerben, sagt Kuchenbaur. In Rumänien suche man außerdem nach einer Möglichkeit, den Schützenpanzer Gepard mit dem System zu verbinden, damit der Gepard Zielzuweisungen von Asul erhalten und Drohnen abschießen könne.

Rumänien nutzt als einziges Nato-Land noch die Gepard-Panzer, die in Deutschland vor über zehn Jahren ausgemustert wurden, und in der Ukraine eine überraschend hohe Trefferquote haben.

Politische Annäherung mit Bukarest

Auch politisch sendet der Einsatz ein Signal nach Bukarest. „In den letzten zwei Jahren, seit Beginn des Krieges, haben wir eine sehr starke Intensivierung des politischen und sicherheitspolitischen Austausches feststellen können“, sagte der deutsche Botschafter in Rumänien, Peer Gebauer, zu Table.Media.

Im April 2023 besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz Rumänien, 13 Jahre nach dem letzten Besuch eines deutschen Regierungschefs in Bukarest. Präsident Frank-Walter Steinmeier war in den vergangenen zwei Jahren zweimal dort. Im Juli besuchte der rumänische Ministerpräsident Marcel Ciolacu Berlin.

2024 Übung deutsch-französischer Brigade in Rumänien

Deutschland wendet sich in der Nato kleineren Ländern im Osten Europas zu, während sich die Beziehungen zu traditionellen Partnern wie Frankreich verschlechtern. In Litauen laufen die Vorbereitungen für die Stationierung der Brigade, und Rumänien ist auch in der EU ein wichtiger Partner. Bei schwierigen Fragen sei Rumänien „Teil der Lösung“ und nutze nicht „wie andere Staaten es tun, Vetos, um nationale Interessen durchzusetzen“, sagt Gebauer.

Ciolacu hatte sich bei seinem Besuch in Berlin eine ständige deutsche Truppenpräsenz in seinem Land gewünscht. Er dürfte einen Trostpreis bekommen. Im Januar 2023 hatte der kriselnde deutsch-französische Ministerrat beschlossen, dass die deutsch-französische Brigade 2024 in Rumänien üben solle. Das könnte zur Verbesserung des schlechten deutsch-französischen Verhältnisses führen und die Beziehung zu Rumänien vertiefen.

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