Freitagsabrechnung von Josef Seitz - Abstoßend! Die AfD sucht sich im Wahlkampf die falschen Freunde
Jetzt ist er also da, der feuchte Traum manches Wahlkämpfers: AfD-Frontfrau Alice Weidel und X-Häuptling Elon Musk werben Schulter an Schulter, Seite an Seite, Attacke für Attacke um Wähler in Deutschland.
Während unser Land in diesen Tagen flächendeckend für einen heftigen Wahlkampf mit sinnfreien Sprüchen auf austauschbaren Plakaten zutapeziert wird, bringt diese kühne Kombi sofort die Fantasie auf Touren. Schon sehe ich den Dreh des gemeinsamen TV-Werbespots vor dem inneren Auge.
Musk und Weidel – was für ein Werbespot!
Südtexas, Halbinsel Boca Chica, Weltraumbahnhof Starbase. Schnitt. Im staatstragend nachtblauen Blazer formt Alice Weidel ihre Hände zur Kanzlerinnenraute. Das gibt Alice I. genügend Auftrieb. Schnitt.
Raketenhaft hebt sie ab und startet in Richtung Sonne, Mond und Sterne. Schnitt. Nach der Rückkehr aus dem All fährt Elon Musk seine kräftigen Greiferarme aus, fängt Alice Weidel sanft auf und setzt sie sicher auf den Boden der Tatsachen. Schnitt. Mildes Abendlicht.
In den Sonnenuntergang hinein singt Céline Dion: „My Heart Will Go on!“ Halt, war das nicht die Titelmelodie von „Titanic“? Okay, die Musikauswahl sollten die Berater besser noch einmal überdenken.
„America first!“ – und auch sonst völlig losgelöst
Aber ganz im Ernst: Was bitteschön will uns diese transatlantische Koalition der völlig Losgelösten eigentlich sagen? Hier der „America first!“-Prediger Musk. Dort „Wir wollen an der Spitze weltweit stehen“-Weidel. Da wird es auf Platz 1 schon einmal ziemlich eng.
Hier der Milliardär, der seinen Sohn für tot erklärt, weil der sich als Frau wohler fühlt. Dort die AfD-Politikerin, die sich aus persönlichen Gründen in Gender-Diskussionen eher zurückhält.
Hier der US-Lautsprecher für die sozialen Medien, dort die Spitzenkandidatin einer Partei, die sich als patriotische Truppe gibt, weil die Deutschen alles am allerbesten und in jedem Fall selber können.
Der Mann, der unser Staatsoberhaupt beleidigt
Und ausgerechnet Alice Weidels AfD sucht nun also den Schulterschluss mit Elon Musk und versichert bereitwillig, wie eng man im Austausch stehe? Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht.
Mich stößt es ab, wenn ein US-Milliardär sich zum Start ins Jahr 2025 das Recht herausnimmt, unser Staatsoberhaupt zu beleidigen: „Steinmeier ist ein antidemokratischer Tyrann! Schande über ihn.“
Ich mag es auch nicht, wenn Elon Musk zum Start seines Tesla-Werkes zwar für ein paar PR-Bilder den deutschen Bundeskanzler Scholz einlädt, den er jetzt aber verspottet: „Olaf ist ein Narr!“
Warum will ausgerechnet Musk uns erklären, wen und wie wir wählen sollen?
Bei mir kommt da so kurz nach Weihnachten so ein Familiengefühl auf. Es ist ganz in Ordnung, wenn wir uns innerhalb unserer Familie deutliche Worte sagen.
Wenn aber die Anwürfe von außen kommen und im Fall Musk mit intergalaktischer Arroganz von so ganz weit oben: Dann sind mir Walter Steinmeier und sogar Olaf Scholz sofort wieder deutlich näher.
Dann spüre ich diesen spontanen Widerwillen, wenn sich die AfD für ihren Wahlkampf an den Berater eines US-Präsidenten heranschmeißt, der es so gar nicht gut mit uns Deutschen meint.
Und um es im ähnlichen Tonfall zu sagen: Who the f*** ist eigentlich dieser Elon Musk, wozu bitteschön brauchen wir noch einen Klugscheißer von außen, der uns erzählen will, wie wir Deutsche uns bei unserer Wahl verhalten sollen?
Wir sind zu gut für Elon Musk. Immer noch
Freuen wir uns doch einfach mal über ein paar schlichte Fakten. Am Donnerstag gibt das Statistische Bundesamt bekannt, dass es hierzulande im Jahresdurchschnitt 46,1 Millionen Beschäftigte gegeben habe – „so viele wie noch nie seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1990“.
Über die Jahreswende haben wir erlebt, dass erneuerbare Energien im Land unseren Bedarf zu 125 Prozent decken konnten. Schon seit dem Jahr 2006 kommen in Deutschland mehr Frauen als Männer zu akademischen Abschlüssen.
Seit 1950 sei die Kaufkraft deutlich gestiegen, rechnet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) vor: „Das Realeinkommen, also das inflationsbereinigte Einkommen, hat sich über die vergangenen Jahrzehnte deutlich verbessert. Löhne und Gehälter stiegen rasant.“
Hey, nur mal so als kühner Gedanke: Vielleicht können wir Deutsche ein paar Dinge ja doch noch ziemlich gut. Und das ganz ohne den transatlantischen Lautsprecher Elon Musk.