Gastbeitrag von Felix Creutzig - EU-Regeln für Autobranche lockern? Dafür zahlen die Bürger am Ende den Preis

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Marijan Murat/dpa Vor den Feiertagen rechnet der ADAC mit viel Verkehr und Stau auf den rheinland-pfälzischen Straßen. (Symbolbild)
Montag, 06.01.2025, 09:30

Autobauer, die die Elektromobilität verschleppt haben, befürchten Strafzahlungen, wenn die CO2-Flottengrenzwerte 2025 sinken. Doch die Beschränkungen aufzuweichen, würde die Transformation und Wettbewerbsfähigkeit der Branche massiv gefährden. Den Preis dafür zahlen am Ende wieder die Bürger. 

Europa steht vor einem Scheideweg: Während europäische Regulation die CO2-Grenzwerte für Neuwagen nächstes Jahr wie geplant verschärft, kämpft die deutsche Autoindustrie um ihre Wettbewerbsfähigkeit . Günstige Elektroautos aus China setzen den Markt unter Druck, während ambitionierte Vorgaben zu Emissionen die Transformation der Branche beschleunigen sollen – mit ungewissen Folgen für Arbeitsplätze und Innovationen. In dieser Lage drängen VW und Mercedes – anders als BWM oder Opel – darauf, die kommenden CO2-Grenzwerte aufzuweichen. 

Doch eine Aufweichung der CO2-Flottengrenzwerte in der EU ab 2025 wäre ein schwerwiegender strategischer Fehler, der der deutschen Autoindustrie langfristig schaden würde . Statt sich auf die Zukunftsmärkte der Elektromobilität zu fokussieren, würde eine solche Entscheidung die Industrie an die Vergangenheit ketten – auf einem schrumpfenden Markt für Verbrennungsmotoren.

Warum der Übergang zur Elektromobilität unausweichlich ist

Der Zukunftsmarkt ist klar: Elektroautos. Sie sind bereits auf dem Weg, bei den Produktionskosten wettbewerbsfähig zu werden. Durch fallende Batteriekosten werden sie bis spätestens Ende dieses Jahrzehnts günstiger sein als Verbrenner. Diese Entwicklung beschleunigen technologische Fortschritte, Skaleneffekte und massive Investitionen in die Ladeinfrastruktur. Zugleich wachsen die Betriebskosten von Verbrennern durch steigende Energiepreise, CO2-Abgaben und höhere Wartungskosten. 

Der Übergang zur Elektromobilität ist nicht nur unausweichlich, sondern auch wirtschaftlich unverzichtbar für eine Industrie, die global wettbewerbsfähig bleiben möchte. Eine Strategie, die weiterhin auf Verbrennungsmotoren setzt, ignoriert diese Dynamik und bindet Ressourcen an ein veraltetes Konzept. 

Verbraucher zahlen die Zeche

Derzeit dürfen neu zugelassene Autos im EU-Schnitt nicht mehr als 115,1 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren. 2025 würde dieser Grenzwert auf 93,6 Gramm fallen . Die CO-Grenzwerte aufzuweichen, würde bedeuten, die Kosten auf die Verbraucher abzuwälzen. Wie das? 

Niedrigere CO2-Flottengrenzwerte würden den Verkauf von Elektroautos bremsen, da der Druck auf Hersteller, emissionsfreie Fahrzeuge anzubieten, nachließe. Dies hätte unmittelbare Folgen: In drei Jahren wären mehr Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf den Straßen, was den CO2-Ausstoß erhöhen würde. Dieser zusätzliche Ausstoß würde im Emissionshandelssystem ETS-II abgebildet, das künftig auch den Verkehrssektor umfasst. Höhere Emissionen führen zu einer Verknappung der Zertifikate und damit zu steigenden Preisen. Diese Mehrkosten gehen direkt an die Verbraucher weiter, indem Benzin- und Dieselpreise an der Tankstelle steigen.. Die Strategie der Brüsseler Lobbyisten läuft also darauf hinaus, die Kosten der Transformation von der Automobilindustrie auf die Bürger zu verlagern, während gleichzeitig die dringend notwendige Reduktion der Emissionen verzögert wird. 

„Technologieoffenheit“ ist eine Nebelkerze, um den Verbrenner zu erhalten

Eine Flexibilitätsoption , die ein Überschreiten der Flottengrenzwerte in 2025 ermöglicht und im Gegenzug die Flottengrenzwerte für 2026 überkompensiert, hätte auf die CO2-Preise des ETS-II in den darauffolgenden Jahren allerdings so gut wie keinen Einfluss . In diesen Jahren würden mit oder ohne Flexibilitätsoption genauso viele CO2-Emissionen im Verkehrsbereich entstehen. In dieser Hinsicht wäre eine auf 2025 und 2026 begrenzte Flexibilitätsoption tragbar. 

Die Vermutung, dass bei bestehenden CO2-Grenzwerten für 2025 per se Milliardenzahlungen auf die deutsche Autoindustrie zukämen, ist mit Vorsicht zu behandeln. Vielmehr entstehen durch die Grenzwerte Anreize, mehr E-Autos vergünstigt auf den Markt zu drücken , Verbrenner dagegen ohne Rabatt anzubieten: ein gewünschter Effekt, um die Flottengrenzwerte zu erreichen, die Strafzahlungen zu vermeiden, und einen wichtigen Schritt in Richtung Klimaziele zu machen. 

Auch das Argument, die Aufweichung der Flottengrenzwerte sei nötig, um „Technologieoffenheit“ zu gewährleisten, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Nebelkerze . Hinter dem Schlagwort verbirgt sich oft das Ziel, den Verbrennungsmotor künstlich am Leben zu halten. Während Wasserstoff- und E-Fuels als Alternativen für den Antrieb propagiert werden, sind diese Technologien weder in ausreichendem Maß verfügbar noch wirtschaftlich für den breiten Einsatz in Pkw geeignet.

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Die Kosten für die Herstellung von E-Fuels sind unverhältnismäßig hoch, und der Energieverlust bei ihrer Produktion und Nutzung ist gewaltig. Biotreibstoffe wiederum sind in großer Menge kaum nachhaltig zu haben. Tatsächlich sind diese „alternativen Technologien“ oft nur ein Vorwand, um den Übergang zur Elektromobilität zu verzögern und fossile Geschäftsmodelle zu schützen. 

Die deutsche Autoindustrie hat die Chance, ihre globale Führungsposition zu sichern, indem sie konsequent auf Elektromobilität setzt. Die Wettbewerber aus China und den USA investieren massiv in Elektrofahrzeuge und dominieren bereits zentrale Märkte. Wer jetzt auf einen stagnierenden Vergangenheitsmarkt setzt, riskiert, im globalen Wettbewerb abgehängt zu werden. Statt die Grenzwerte aufzuweichen, sollte die EU ihre Flottengrenzwerte stringent beibehalten und damit die Weichen für eine nachhaltige, zukunftsfähige Mobilität stellen . Das ist nicht nur gut für das Klima, sondern entscheidend für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie.

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