Mietschuldenübernahme für Bürgergeld-Empfänger: Experte sieht Urteil als „Ohrfeige für Jobcenter“

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Das Jobcenter zahlt in der Regel die Mietkosten für Bürgergeld-Empfänger. Doch gilt das auch für Mietschulden? Ein Gerichtsverfahren gibt Aufschluss.

Kassel – Die Vorschriften für Bürgergeld-Empfänger sind vielfältig und teilweise kompliziert. Immer wieder kommt es zu Unklarheiten, die mitunter auch vor Gericht geklärt werden müssen. So war es auch in einem Fall vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, in dem es um die Übernahme von Mietschulden ging.

Mietkostenübernahme bei Bürgergeld-Empfängern: Welche Regeln gelten?

Für Bürgergeld-Empfänger werden Mietkosten in der Regel durch das Jobcenter übernommen. Im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs gilt eine sogenannte Karenzzeit. Das heißt, dass in diesem Zeitraum die tatsächlichen Kosten der Unterkunft unabhängig von ihrer Höhe übernommen werden. Danach werden nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft berücksichtigt. Entsprechende Grenzwerte werden von den Landkreisen und kreisfreien Städten für ihr Gebiet festgelegt. Zudem übernimmt das Jobcenter auch die Nebenkosten.

Doch wie sieht es bei Mietschulden aus? Übernimmt hier auch das Jobcenter die angefallenen Kosten? Die einfache Antwort lautet: Ja. Das Gerichtsverfahren aus NRW, welches bereits 2014 mit einem Urteil endete, verschafft hier zusätzlich Klarheit.

Die Regierungsparteien haben sich darauf geeinigt, die Mietpreisbremse bis 2029 zu verlängern. Verbände reagieren gespalten.
Das Jobcenter übernimmt die Mietkosten für Bürgergeldempfänger. (Symbolbild) © IMAGO/Michael Gstettenbauer

Gericht entscheidet zugunsten von Bürgergeld-Empfängern: Jobcenter muss 4.384,91 Euro Schulen zahlen

In dem Fall ging es um eine Frau und ihre Tochter, die im April 2013 eine Wohnung zu einer Kaltmiete von 412,90 Euro bezogen. Dafür erhielten sie bis zum 30. November 2013 Grundsicherungsleistungen, durch die die Mietkosten komplett gedeckt wurden. Trotzdem kam es zu Mietrückständen und der Vermieter kündigte das Mietverhältnis. Um das zu verhindern, zahlte das Jobcenter darlehensweise 3.079,33 EUR zur Deckung der Kosten. Denn wie auch das Portal buergergeld.org erklärt, werden Mietschulden von Bürgergeld-Empfängern durch das Jobcenter ausschließlich als Darlehen beglichen. Grundlage ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs (SGB) II.

Allerdings beantragte die Frau dann keinen Weiterbewilligungsantrag. Dadurch entstanden wieder Mietrückstände und der Vermieter kündigte die Wohnung erneut. Nun lehnte das Jobcenter die Übernahme der Mietschulden allerdings ab – mit der Begründung, dass bereits Kosten gedeckt wurden. Die Frau hätte laut Jobcenter vorausschauender handeln müssen: Die Entstehung von zur Kündigung führenden Mietschulden sei absehbar gewesen, hieß es in der Urteilsbegründung.

Das Gericht entschied, dass das Jobcenter 4.384,91 Euro für entstandene Mietschulden und die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Räumungs- und Vollstreckungsverfahrens zahlen muss. Detlef Brock, Sozialrechtsexperte bei gegen-hartz.de, zog zu dem Fall folgendes Fazit: „Hier hat das Jobcenter eine Ohrfeige und vor allem eine richtig teurere Nachhilfestunde vom Landessozialgericht bekommen.“

Nach schwerwiegendem Urteil: In welchen Fällen muss das Jobcenter Mietschulden nicht zahlen?

Tatsächlich gibt es nur wenige Fälle, in denen die Mietschulden von Bürgergeld-Empfängern nicht vom Jobcenter übernommen werden müssen. So zum Beispiel, wenn der Rückstand auf Gesetzwidrigkeiten beruht oder falls ein Missbrauch von Sozialleistungen vorliegt.

Zudem kann dieser Fall laut dem Informationsportal gegen-hartz.de tatsächlich auch dann eintreten, wenn es trotz entsprechender Unterstützung wiederholt zu Rückständen gekommen ist. Das sei aber laut dem Gericht nicht der Fall gewesen. In dem Urteil heißt es: „Die Übernahme der Mietschulden ist bei Vorliegen der Voraussetzungen der gesetzlich gewollte Regelfall, die Nichterbringung des Darlehens der Ausnahmefall. Die aufgelaufenen Verbindlichkeiten sind jeweils in Zeiträumen entstanden, in denen der Antragstellerin ausreichende Mittel zur Deckung ihres Lebensbedarfs nach Aktenlage nicht, zumindest nicht durchgehend zur Verfügung gestanden haben.“

Unterdessen bekommen Bürgergeld-Empfänger auch einige Reparatur-Kosten innerhalb der eigenen vier Wände vom Jobcenter erstattet – wenn sie einige Dinge befolgen. (jus)

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