„Eigentlich skandalös“: Steuer-Boom lässt sogar das Finanzministerium rätseln – Experte hat eine These

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Umsatzsteuereinnahmen steigen um 16 Prozent. Eine Erklärung durch das Finanzministerium bleibt aus. Experten äußern auf Anfrage aber eine erste These.

Der eigene Monatsbericht hat im Bundesfinanzministerium wohl für ratlose Gesichter gesorgt: Neben der Lohnsteuer sind im Vergleich zum März 2024 auch die Einnahmen der Umsatzsteuer gestiegen. Um 16 Prozent. Den Anstieg der Lohnsteuer erklären sich Wirtschaftsexperten noch mit den Tarifverhandlungen 2024 und steigenden Löhnen. Doch zur Umsatzsteuer fehlt eine offizielle These. „Für den starken Anstieg liegen keine sichtbaren Gründe vor“, heißt es im Bericht des Bundesfinanzministeriums.

Steuerbetrug aufgedeckt: Umsatzsteuer könnte von Kriminalitätsbekämpfung profitieren

„Das mit der Lohnsteuer ist weniger spektakulär“, sagt Florian Köbler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG) auf Anfrage des Münchner Merkur. 2024 seien viele tarifliche Lohnverhandlungen erst umgesetzt worden. Spannend sei aber wirklich die Umsatzsteuer. Das Bundesfinanzministerium schlüsselt nur kleine Teile auf, etwa den Anstieg des Einzelhandelsumsatzes um 3,5 Prozent. Köbler hat indes zumindest eine Vermutung, wie es zum Gesamtplus von 16 Prozent kam.

Direkt wirtschaftliche Gründe habe der Anstieg nicht. „Ich habe mit zwei Kollegen gesprochen und wir glauben, es hat etwas mit ein paar Fällen aus dem Frühjahr zu tun, bei denen Umsatzsteuerbetrug aufgedeckt wurde. Unter anderem im dreistelligen Millionenbereich“, erklärt der Experte.

Köbler bezieht sich dabei auf Ermittlungen des Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF) in Nordrhein-Westfalen, die etwa im März einen Steuerbetrug in Höhe von 106 Millionen Euro aufgedeckt haben. Steuerbetrug sei kein Einzelfall, sagt der gelernte Finanzwirt. „Deutschland ist immer noch absoluter Hotspot für diese Verbrechen.“ Durch das Austricksen des Finanzamtes mit Steuerkarussellen und Strohleuten ließen sich Umsatzbetrüger vom Staat einfach Steuern zurückbezahlen, die nie gezahlt wurden.

Deutschland entgehen mehrere Milliarden Euro Steuern im Jahr

Sollte die deutsche Steuerlandschaft digitalisiert werden, so wie es auch im neuen Koalitionsvertrag angesetzt ist, würde die Wirtschaft davon profitieren, so Köbler. „Es ist eigentlich skandalös, dass das Finanzministerium da nicht in die Pötte kommt. Steuerhinterziehung ist eine der größten Stellschrauben. Ohne hätte man nicht mehr diese Haushaltsprobleme.“

Sollte die geplante Digitalisierung kommen, könne die Umsatzsteuer in den nächsten Jahren erstmal weiter steigen. Bis dahin sei etwa die Arbeit des LBFs und das verstärkte Bestreben von Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen ein „Leuchtfeuer“ bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung oder Umsatzsteuerbetrug, sagt der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft.

Die DSTG setzt sich für Beamte und Arbeitnehmer in der Steuerverwaltung ein, macht aber auch auf Missstände im deutschen Steuerrecht aufmerksam. Der finanzielle Verlust durch Steuerbetrug für den Bund liegt je nach Schätzungen zwischen 75 und 125 Milliarden Euro.

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