Streit um Hamburgs Klima-Plan: „Das ist kein Klimaschutz, das ist Selbstmord“

Erst kürzlich wurde das Hamburger Klimagesetz von Grünen und SPD reformiert, im Jahr 2045 will die Hansestadt klimaneutral werden. Manchen Bewohnern geht das jedoch nicht weit genug: Eine Initiative aus 160 Umweltorganisationen, Sozialverbände und Unternehmen hat mehr als 100.000 Unterschriften für ein schärferes Klimagesetz gesammelt. Die Initiatoren sind überzeugt: „Die Klimaneutralität 2045 kommt zu spät – und auf dem Weg dahin fehlt der Fahrplan. Wir müssen jetzt handeln.“ 

Nationale Vorreitergruppe beim Klimaschutz 

Die wichtigste Forderung der Initiative: Hamburg soll sich verpflichtend zur Klimaneutralität bis 2040 bekennen. Der rot-grüne Senat in Hamburg hatte in seinem Koalitionsvertrag die Klimaneutralität bis 2045 vereinbart und befindet sich damit im Gleichschritt mit dem Bund. Bisher gilt: Deutschland will bis 2045 „netto-treibhausgasneutral“ sein. Alle Treibhausgasemissionen müssten so weit reduziert werden, dass sie sich mit natürlichen oder technischen CO2-Senken ausgleichen.

Hamburg soll hingegen ehrgeiziger vorgehen, fordert die Initiative – um im Norden nicht alleine dazustehen. Denn auch die Bundesländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern peilen das Jahr 2040 an, Bremen will sogar 2038 klimaneutral werden. Durch die geographische Nähe zu den großen Windparks in der Nordsee ist der Norden bei der Energiewende schon weiter als viele andere Teile Deutschlands. Eine Gruppe von Städten, wie die bayerische Landeshauptstadt München, strebt sogar die Klimaneutralität ab 2035 an.  

In Hamburg braucht es am Sonntag eine einfache Mehrheit und mindestens 265.000 Ja-Stimmen, dann wird die Variante ab 2040 Gesetz. Die Entscheidung könnte in den Folgejahren nicht angefochten oder abgeschwächt werden, da sie als Volksentscheid besonders geschützt ist. 

„Ein ideologisch überfrachtetes Überforderungspaket“

Gegen den „Hamburger Zukunftsentscheid“ hat sich aber bereits Widerstand vor allem aus der Wirtschaft formiert. „Was hier als Zukunftsvision verkauft wird, ist in Wahrheit ein ideologisch überfrachtetes Überforderungspaket für unsere Stadt“, sagt der Hamburger Landesvorsitzende des Lobbyverbands „Die Familienunternehmer“, Sven Höppner. 

Eine Vorverlegung auf 2040 würde zu „explodierenden Kosten im Wohnungswesen und Verkehr führen“, schreibt der Verband. Inmitten „des dritten Rezessionsjahres in Folge sowie in Zeiten globaler wirtschaftlicher Unsicherheit“ sei das nicht tragbar. Die Pläne seien kein Klimaschutz, sondern „wirtschaftlicher Selbstmord“, kritisiert Höppner.

„Im Norden sind wir realistisch“

Die Organisatoren des „Zukunftsentscheids“ halten dagegen: Den Klimaschutz aufzuschieben, sei am Ende noch teurer. Im Gegenteil würden frühzeitige Investitionen hohe Folgekosten verhindern, Arbeitsplätze schaffen und die Hamburger Wirtschaft fit für die Zukunft machen. „Im Norden sind wir realistisch“, heißt es im Forderungskatalog der Initiative. 

Auch die Hamburger Lokalpolitik gibt sich uneins. In der Aktuellen Stunde im Hamburger Senat betonte die grüne Umweltsenatorin und stellvertretende Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne), dass „der Senat angehalten sei, sich bei Volksentscheiden zurückzuhalten und Neutralität walten zu lassen“. Grünen-Kreisverbände etwa in Hamburg-Harburg stellten sich hingegen klar auf die Seite der Initiative. 

Der Fraktionsvorsitzende des Koalitionspartners SPD im Hamburger Senat, Dirk Kienscherf, hält den Zukunftsentscheid hingegen für den falschen Weg: Die begrenzten Ressourcen an Personal, Material und Finanzen müssten „wirksam für den Klimaschutz eingesetzt“ werden. Genau dies mache der Hamburger Senat bereits, sagte Kienscherf in der Aktuellen Stunde. Am Sonntag wird sich zeigen, welches Argument sich durchsetzen wird.