Mit Wind und Solar an die Spitze - Der Ölstaat Texas zeigt dem Rest der USA, wie Energiewende geht

Im Energiebereich ist Texas vor allem für die Produktion fossiler Energien bekannt, aber bei Solar- und Windstrom holt der US-Staat in rasantem Tempo auf. Nach Angaben des US-Solarverbands SEIA hat nur Kalifornien mehr Photovoltaik-Kapazitäten installiert als Texas, die anderen 48 Bundesstaaten hat man bereits hinter sich gelassen. Und: Der Verband geht davon aus, dass Texas innerhalb der nächsten fünf Jahre sogar Kalifornien überholen wird. Bereits hat jetzt der US-Staat so viele Speicher installiert, dass während Hitzewellen genug Solarenergie für mehrere Monate eingespeichert werden kann.

200 Dollar für jeden Haushalt

Woher kommt die rasche Wende? Ums Klima geht es den Texanern dabei nur bedingt. Abseits der Metropolen Dallas, Houston, Austin oder San Antonio ist Texas immer noch ein stramm republikanischer Bundesstaat. Umfragen zufolge hält nur die Hälfte aller republikanischen Wähler den Klimawandel für ein ernsthaftes Problem, bei Anhängern der Demokraten sorgen sich hingegen knapp 90 Prozent. Die Motivation der Texaner ist eine andere: Geld.

Denn was die Kosten und die Erlöse angeht, haben Erneuerbare Energien die fossile Konkurrenz längst abgehängt. Weil die Erzeugungskosten für Wind und Solar immer geringer werden, treibt deren Ausbau die Energiekosten stark nach unten - vor allem, weil auch in den USA die Gaspreise angestiegen sind. Nach einer Analyse des Thinktanks „Ideasmiths“ haben texanische Haushalte dank Erneuerbarer Energien zuletzt 200 Dollar pro Jahre eingespart, Tendenz steigend. Auch große Konzerne wie der Industriegas-Hersteller Air Products aus Pennsylvania bauen dank der günstigen Energiepreis ihre neuen Werke in Texas.

„An Erneuerbaren ist nichts Falsches, okay?“

„Leute bauen die Erneuerbaren Energien aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Energiesicherheit aus“, schrieb die bekannte US-Klimajournalistin Hannah Ritchie im Januar, „und das ist in Ordnung“. Denn immerhin, so Ritchie, zähle am Ende das Ergebnis und nicht die Motivation. Tatsächlich ermittelte eine vielzitierte US-Studie bereits im Jahr 2020, dass Demokraten und Republikaner zwar beide den Ausbau von Wind und Solar befürworten - aber aus unterschiedlichen Motiven. Während bei Anhängern bei Demokraten die Gründe „Globale Erwärmung“ und „Luftverschmutzung“ ganz oben auf der Prioritätenliste standen, waren es bei den Republikanern „Energiekosten“ und „Unabhängigkeit vom Ausland“. 

Auch so ist es zu erklären, dass republikanische Abgeordnete in Washington gegen die großen Klima-Förderpakete des demokratischen Präsidenten Joe Biden stimmen, nur um sich dann zuhause im Wahlkreis über Arbeitsplätze und Steuergelder zu freuen. „An Erneuerbaren Energien ist nichts Falsches, okay?“, sagte der texanische Vize-Gouverneur Dan Patrick im März letzten Jahres auf einer Konferenz zu Vertretern der Öl- und Gasindustrie. „Sie helfen dabei, die Luft sauber zu machen und sie halten unsere Preise günstiger. Deswegen kommen viele Firmen hierher - weil unser Preis pro Kilowatt so viel billiger ist als in anderen Staaten.“

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Viel Ertrag im „Windgürtel“

Zumal die republikanisch dominierten Bundesstaaten beim Ausbau Erneuerbarer Energien eine Reihe wichtiger Vorteile genießen. Die Republikaner sind vor allem in den ländlich geprägten, weitläufigen Bundesstaaten in der Mitte der USA stark, die Demokraten hingegen in den dicht besiedelten Küstengebieten. Das bedeutet: Die republikanischen Staaten haben Platz, und ihr Baurecht ist traditionell sehr viel großzügiger. Kalifornien etwa stößt beim Ausbau Erneuerbarer Energien immer öfter auf Hindernisse durch Bürgerproteste und Bürokratie-Dschungel - ein Nachteil, den Texas nicht hat.

Auch die geografische Lage begünstigt die republikanischen Bundesstaaten. Der Mittlere Westen der USA wird auch als „Wind Belt“ bezeichnet, als „Windgürtel“, in dem es einen besonders hohen Ertrag für Windräder gibt. Südliche Bundesstaaten wie Texas oder Oklahoma verzeichnen außerdem viele Sonnenstunden pro Jahr. Bei der Windenergie sind die vier führenden US-Staaten allesamt republikanisch: Texas, Iowa, Oklahoma und Kansas.

„Krieg gegen die Erneuerbaren“

Eine Bedrohung gibt es allerdings für das texanische Energiewunder: Die eigene Politik. In öffentlichen Reden loben die Landespolitiker des Bundesstaats zwar den Beitrag der Erneuerbaren Energien, im Kongress in Austin jedoch führen sie eine Attacke nach der anderen auf den Erneuerbaren-Sektor. Von öffentlichen Fördergeldern werden die Erneuerbaren Energien zunehmend ausgeschlossen - im Gegensatz zur Öl- und Gasindustrie, die ebenfalls gerade einen kleinen Boom verzeichnet.

Als Gründe führen die Gesetzesinitiativen oftmals Energiesicherheit und Diversifizierung an, Kritiker vermuten jedoch andere Motive: Ideologie und Lobbyismus. Erste Energiekonzerne und Startups überlegen bereits öffentlich, wieder aus Texas abzuwandern. Von einem „Krieg gegen die Erneuerbaren“ sprach das Magazin „Texas Monthly“ bereits im letzten Juni, mit der Botschaft „Texas ist nicht mehr 'open for business'“. Vielleicht wandert das texanische Energiewunder also bald woanders hin.