Landsberg: Der Papierbach-Investor hat sich verkalkuliert

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Die Entwicklung des Urbanen Lebens am Papierbach (ULP) ist ins Stocken geraten. Welche Zugeständnisse die Stadt dem Investor macht, wird heute Abend im Stadtrat entschieden. © Stadt Landsberg/allgäu drones

Landsberg - Das Pflugfabrik-Projekt ist in der Krise. Die Rendite-Erwartung von US-Ölmagnat Thomas O’Malley wurde verfehlt. Nun soll die Stadt einspringen.

Das wird eine schwierige „ausführliche Beratung und Beschlussfassung“ in der heutigen Stadtratssitzung. Der amerikanische Investor Thomas O’Malley, geschäftsführender Gesellschafter der „Horse Island Asset Management“ mit Sitz in Old Greenwich, Connecticut, sowie die Führungsriege von Projektentwickler ehret + klein, Starnberg, fordern von Stadtrat und Verwaltung der Stadt Landsberg, mit Millionenzahlungen und weiteren Zugeständnissen dafür zu sorgen, dass ihre verfehlten Rendite-Erwartungen beim Bauprojekt „Urbanes Leben am Papierbach“ doch noch in Erfüllung gehen. Sie sind inzwischen nur noch bedingt baubereit. Unausgesprochen steht der Stillstand im Raum.

Am vergangenen Freitag kam es zu einem Gespräch in Bestbesetzung, das die Pressestelle der Verwaltung am Tag danach in einer nahezu inhaltlosen Presseerklärung als „äußerst konstruktiv und geprägt von gegenseitigem Respekt“ beschrieb. Fasst man diese und eine ähnlich schwache Aussendung wenige Tage zuvor zusammen, verfestigt sich das Bild: Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl (UBV) bemüht sich darum, „die Fertigstellung des Bauprojekts abzusichern“ und „eine Lösung zu finden, die sowohl den Bedürfnissen der Stadt als auch den Zielen des Investors gerecht wird“. Doch kurz vor dem Showdown im Stadtrat wird klar: Der Investor hat Vorstellungen, die das System sprengen und aus dem geplanten „lebenswerten Stadtviertel“ eine blutleere Wohnsiedlung machen.

Problem Gewerbe

Nach den bisher bekannt gewordenen Informationen ist Dreh- und Angelpunkt der Klagen des Investors nicht die Wohnbebauung; die Vermarktung war erfolgreich und es gibt sogar weitere Nachfrage. Das Problem ist die „Unvermarktbarkeit“ der vorgesehenen gewerblichen Flächen. Insbesondere für den geplanten Supermarkt hagele es Absagen. Aber auch fast alle anderen für Restaurants, Handel und Handwerk vorgesehenen Lokale seien nicht verkauft worden. Nun fehlten Millionen Euro in der Kasse. Das reduziere das Eigenkapital des Projekts, daher seien die Banken skeptisch geworden, weitere größere Kredite zu geben. Beim geplanten Supermarkt sei die Unverkäuflichkeit strukturell bedingt. Die Besucher müssten im Parkhaus parken, was die Zahl der externen Nutzer stark reduziere. Mit einem größeren Supermarkt „auf der grünen Wiese“ mit vielen oberirdischen Parkplätzen sei das nicht vergleichbar.

Die Vorstellung von Investor und Projektentwickler ist offenbar, auf diese Gewerbeflächen zu verzichten und sie zumindest teilweise für weitere Wohnungen zu verwenden. In Stadtratskreisen wird das als harter Schlag für das Gesamtprojekt gewertet. Ein „urbanes Leben“ ohne Einkaufsmöglichkeit, ohne Bäcker und ohne Restaurant sei kaum denkbar. Gleichzeitig soll die Stadt das entstandene Defizit finanziell ausgleichen oder die Gewerbeflächen zum erhofften Preis kaufen. Eine solche Zahlung der Stadt an die Investorenseite sprengt aber das System: Grundsätzlich gibt es im Fall einer Umwandlung von Brache in Bauland limitierte Zahlungsströme des Bauwerbers in Richtung Kommune (früher „Abschöpfung“, heute „SoBoN“), nicht umgekehrt. Dass jemand Baurecht bekommt und Geld obendrauf, ist nicht vorgesehen.

Kulturbau ade

Ebenso verzichten möchte die Investorenseite auf den Kulturbau. Sie würde das Gebäude gerne für die Stadt errichten und anschließend an sie verkaufen oder verpachten. Aber betreiben wolle sie es nicht, heißt es nun. Auch die in Aussicht gestellte Verquickung mit dem Hotel (an dem offenbar festgehalten werden soll) wird nun ausgeschlossen.

Die Stadt hatte aber gar nicht vor, ihren Kulturbetrieb von der Altstadt an den Papierbach zu verlagern; sie hatte daher nur geringen Raumbedarf angemeldet. Zum großen Thema wurde der Kulturbau erst durch die Initiative von Kulturschaffenden, deren Vorstellungen bis hin zur „Lech-Philharmonie“ gingen. Weder ehret + klein noch der Stadtrat oder die Verwaltung hatten dem beizeiten ausreichend klar widersprochen.

Die Grundidee für den Kulturbau war ohnehin eine andere. Der Kulturbau sollte ursprünglich quartiers- und gemeinschaftsbildend sein. Die Rede war von einem florierenden Ort der Begegnung, einem „Kreativ-Hub“, einem „multifunktionalen, lebendigen Treffpunkt für kulturellen Austausch und kreatives Miteinander“. In der Tat ist ein Quartier auch dadurch gekennzeichnet, dass seine Bewohner eine hohe Interaktionsdichte verwirklichen: Hausaufgabenhilfe, Chorproben, Reparaturwerkstatt, soziales Café, gemeinsames Kochen, 60plus-Gespräch. Wer wissen will, wie das Angebot anderswo aussieht, sei auf die Gemeinschaftseinrichtungen im Bahnstadt-Quartier in Heidelberg, im Ludwigshöhviertel in Darmstadt und im Freiburger Vauban-Quartier verwiesen. Doch das soll in Landsberg nun in weite Ferne rücken.

Lockerungen

Die Investorenseite brachte immer wieder auch eine finanzielle Beteiligung der Stadt an den Altlasten auf dem Gelände ins Gespräch. Allerdings war die Stadt weder Verursacher der Lasten (das war wohl die Pflugfabrik) noch Eigentümer der Grundstücke (das war Heinz Pöttinger); sie wären die richtigen Anspruchsgegner. Das sagten Michael Ehret und Stefan Klein auch bei Projektbeginn: „Das Thema Altlasten ist partnerschaftlich mit der Familie Pöttinger geregelt“.

Weitere aktuelle Forderungen: Die Tiefgaragen sollen ab jetzt nur noch eingeschossig gebaut werden, ohne dass eine entsprechende Ablöse fällig wird; einer ersten Reduzierung – mit Ablöse – hatte die Stadt bereits einmal zugestimmt. Tatsächlich wurden weniger Stellplätze benötigt als zuvor kalkuliert; hier ist also noch Luft. Das Jugendzentrum soll zur Kindertagesstätte umgebaut werden, um die Neubaukosten zu sparen; dadurch soll die Entsorgung von Altlasten an dieser Stelle entfallen. Die Zuschüsse der Investorenseite zur großen Kita an der Spöttinger Straße und zum neuen Jugendzentrum an der Lechstraße sollen reduziert werden. Mieten und Kaufpreise in den Bereichen Sozialwohnungen und zweite Kita sollen, grob formuliert, auf Wohnungsniveau angehoben werden. Der Neubau beim alten Verwaltungsgebäude soll aufgestockt werden.

Diese Forderungen sind nicht kumulativ zu verstehen, sondern stellen eine Art Menü dar, aus dem die Stadt die Auswahl treffen soll. Es geht offenbar um eine Einsparungssumme, die wertmäßig bei mindestens fünf Millionen Euro liegen soll. Dieses „Wahlrecht“ macht eine komplette Ablehnung schwierig. In Stadtratskreisen kann man sich Lockerungen jedenfalls leichter vorstellen als Zahlungen. Zumal: Wenn man jetzt fünf Millionen Euro „spendet“, wer schützt die Stadt davor, dass in einem Jahr eine neue Forderung kommt? Wer einmal den Systemwechsel akzeptiert, kann beim zweiten Mal wohl kaum noch „nein“ sagen.

Ein Kernpunkt ist und bleibt die Frage, ob am Papierbach ein Quartier entsteht oder nur eine Schlafstadt. Herrscht dort Lebensfreude oder Nachtruhe? Wohnt man mittendrin oder knapp daneben?

Michael Ehret und Stefan Klein haben dazu bei Projektbeginn klar Stellung genommen: „Es geht uns nicht darum, hier einen Schlafbezirk zu machen, sondern einen lebenswerten Bezirk, der sich mit der Altstadt integriert … Wir wollen eine Mischung aus Wohnbau, Gewerbe, Handel.“

Oberbürgermeister Mathias Neuner (CSU) hatte zuvor versprochen: „Urbanes Leben heißt: Wir werden hier Wohnraum schaffen, Büros, Gewerbe, Einzelhandel, vielleicht gibt es auch eine kulturelle Nutzung, das steht noch nicht fest. Wir werden dieses Gebiet dem Leben der Stadt Landsberg zuführen. Das Gebiet, das ja ein Filetstück ist, wird jetzt der Urbanität zugeführt. Herr Pöttinger hat nach jemandem gesucht, der professionell solche Gebiete entwickeln kann, der auch ein Profi ist in der Erstellung von städteplanerischen Konzepten, aber auch in der Umsetzung. In meinen Augen ist ein guter Partner gefunden worden.“

Ein guter Partner? Das stellt sich heute für viele Beobachter anders dar.

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