Krieg im Nahen Osten - 21 israelische Soldaten in Gaza durch Panzerabwehrraketen getötet

Entscheidung im Völkermord-Verfahren: Israel vor dem UN-Gericht

Freitag, 26. Januar, 07.49 Uhr: Inmitten der schweren Kämpfe im Gazastreifen fällt an diesem Freitag vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag eine erste Vorentscheidung im brisanten Völkermord-Verfahren gegen Israel. Dabei geht es noch nicht um den Hauptvorwurf des Völkermordes, sondern zunächst um einen Eilantrag über Schutzmaßnahmen für die Palästinenser. Dieser ruft die UN-Richter zu einer Anordnung an Israel auf, die militärischen Handlungen im Gazastreifen sofort einzustellen.

Entscheidungen des Gerichtshofs sind bindend. Auch wenn er keine Machtmittel hat, diese durchzusetzen, wäre eine Zurechtweisung durch das höchste UN-Gericht doch eine Schlappe für Israel. Der internationale Druck würde wohl weiter zunehmen. Die Richter können auch anordnen, dass Israel Bericht erstatten muss über Maßnahmen zum Schutz der Palästinenser. Auch das hätte eine beträchtliche Außenwirkung

Südafrika hatte Ende Dezember Klage gegen Israel eingereicht und dem Land die Verletzung der Völkermord-Konvention vorgeworfen. Es ist das erste Mal, dass sich Israel vor dem UN-Gericht einem Völkermord-Vorwurf stellen muss. Bei der Anhörung im Den Haager Friedenspalast vor etwa zwei Wochen hatte Israels Vertreter die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen. „Israel ist im Krieg mit (der Islamistenorganisation) Hamas, aber nicht mit dem palästinensischen Volk“, hatte der Rechtsberater des israelischen Außenministeriums, Tal Becker, gesagt. Israel wies auch die Forderung nach einem Ende des Militäreinsatzes zurück. Damit würde dem Land das Recht auf Selbstverteidigung genommen, hieß es zur Begründung.

Hamas wirft Israel Tötung von auf Hilfe wartenden Palästinensern vor

20.14 Uhr: Bei den israelischen Angriffen im Gazastreifen sind nach Angaben der radikalislamischen Hamas 20 Zivilisten getötet worden, die an einer Kreuzung auf humanitäre Hilfe warteten. Zudem seien 150 Palästinenser verletzt worden, erklärte am Donnerstag das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium. Die israelische Armee äußerte sich zunächst nicht zu den Vorwürfen. Sie wies aber UN-Angaben zurück, dass Israel Flüchtlinge zur Räumung einer zuvor beschossenen UN-Unterkunft aufgefordert habe.

Der Beschuss der auf Hilfe wartenden Palästinenser habe sich am Stadtrand von Gaza ereignet, erklärte das Hamas-Gesundheitsministerium. Die Hamas, die von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft wird, sprach von einem „schrecklichen Kriegsverbrechen“. Auch Augenzeugen berichteten der Nachrichtenagentur AFP, sie seien von israelischen Soldaten angegriffen worden. 

„Die Menschen sind hingegangen, um Lebensmittel und Mehl zu bekommen, weil sie nichts zu essen haben“, berichtete Abu Ata Basal, der Onkel eines Verletzten. „Auf einmal tauchten Panzer auf und eröffneten das Feuer auf Menschen.“ Der an der Hand und am Bein verletzte Mohammed al-Rifi sagte: „Wir waren unterwegs, um Mehl zu bekommen - und sie haben uns vier Mal beschossen.“

Die Opfer wurden den Angaben zufolge in das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza gebracht. Dort sah ein AFP-Journalist mehrere Leichen und Verletzte. Die israelische Armee gab auf AFP-Anfrage zunächst keine Stellungnahme ab.

Der Vorfall ereignete sich nur einen Tag, nachdem beim Panzerbeschuss einer UN-Unterkunft für Binnenflüchtlinge in Chan Junis im Süden des Gazastreifens nach UN-Angaben mindestens zwölf Menschen getötet und 75 weitere verletzt wurden. Der Beschuss sorgte international für Kritik. US-Außenminister Antony Blinken rief Israel am Donnerstag erneut auf, beim militärischen Vorgehen im Gazastreifen Zivilisten zu schützen. Die UN-Unterkunft sei „wichtig und muss geschützt werden“.

Die israelische Armee erklärte, sie prüfe den Vorfall in der UN-Unterkunft. Dabei werde auch untersucht, ob es sich bei dem Beschuss um „Hamas-Feuer“ gehandelt habe. Zugleich wies das israelische Militär Angaben des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) und von Betroffenen zurück, wonach die Menschen in der Unterkunft aufgefordert worden seien, das Gelände zu verlassen. 

Die israelische Armee habe für die Evakuierung der Bewohnern der Unterkunft - dort sollen tausende Flüchtlinge untergebracht sein - eine Frist bis Freitag 17.00 Uhr (Ortszeit, 16.00 Uhr MEZ) gesetzt, sagte eine UNRWA-Sprecherin der Nachrichtenagentur AFP. Dies wies die israelische Armee zurück. „Es wurde keine spezifische Evakuierungsaufforderung ausgesprochen“, hieß es.

Auch am Donnerstag wurde Chan Junis nach Angaben eines AFP-Journalisten wieder heftig bombardiert. Viele Einwohner versuchten, aus der Stadt zu fliehen. Die israelische Armee erklärte, es seien mehrere militante Palästinenser „im Nahkampf“ getötet worden.

Der Krieg zwischen Israel und der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas war durch deren Überfall auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden. Israelischen Angaben zufolge töteten Hamas-Kämpfer etwa 1200 Menschen und verschleppten rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. 

Als Reaktion auf den Angriff startete Israel einen massiven Militäreinsatz in dem Palästinensergebiet. Nach jüngsten Hamas-Angaben, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seit dem Beginn der israelischen Offensive mindestens 25.900 Menschen im Gazastreifen getötet.

Die internationalen Bemühungen um ein Ende des Krieges oder zumindest eine Feuerpause und eine Freilassung der Geiseln erlitten derweil am Donnerstag einen Dämpfer. Das Außenministeriums Katars, einer der wichtigsten Vermittlerstaaten, zeigte sich „bestürzt“ über Äußerungen des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu. 

Netanjahu hatte laut einer dem israelischen Sender 12 vorliegenden Tonaufzeichnung bei einem Treffen mit Familien der Geiseln gesagt, er danke Katar keineswegs für dessen Vermittlerrolle - denn das Emirat sei „noch problematischer“ als die Vereinten Nationen oder das Rote Kreuz. Katar habe die Möglichkeit, Druck auf die islamistische Palästinenserorganisation Hamas auszuüben, sagte Netanjahu demnach. „Und warum? Weil es sie finanziert.“

Das Außenministerium in Doha nannte Netanjahus Äußerungen „verantwortungslos und schädlich für die Bemühungen, unschuldige Leben zu retten“. Sie würden den Vermittlungsprozess untergraben aus Gründen, die Netanjahus „politischer Karriere mehr zu dienen scheinen“ als den „israelischen Geiseln“.

Weiter schwere Kämpfe in südlicher Gaza-Stadt Chan Junis

20.12 Uhr: Das israelische Militär und palästinensische Gesundheitsdienste berichten von weiteren schweren Kämpfen im Westen der Stadt Chan Junis im südlichen Gazastreifen. Israelische Einheiten hätten die Umgebung des Amal-Krankenhauses bombardiert und beschossen, teilte der Palästinensische Rote Halbmond am Donnerstag mit. Das Spital sei völlig umstellt. Rettungskräfte und Hilfesuchende könnten es nicht mehr erreichen. Auch in der Umgebung des Nasser-Krankenhaus trieb das israelische Militär Augenzeugen zufolge seine Vorstöße intensiv voran. Tausende Menschen seien auf der Flucht.

Die israelischen Streitkräfte teilten am Donnerstag mit, dass sie ihren Kampfeinsatz im Al-Amal-Viertel von Chan Junis ausgeweitet hätten. „Die Soldaten operieren in dicht bevölkerten, urbanen Gebieten, treffen auf Terroristen und eliminieren sie im Nahkampf“, hieß es in der Mitteilung des Militärs. Dutzende Hamas-Kämpfer seien getötet oder verletzt worden. Beträchtliche Mengen an Waffen, darunter Sprengkörper für Drohnen, wurden gefunden. 

Das israelische Militär hatte zu Wochenbeginn eine Offensive im Westteil von Chan Junis gestartet, in den es bislang noch nicht vorgedrungen war. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums, die sich unabhängig nicht überprüfen lassen, wurden Dutzende Menschen getötet.

Die größte Stadt im südlichen Gazastreifen gilt als eine Hochburg der islamistischen Hamas. Israel vermutet in dem Tunnelnetzwerk in der Gegend die Führung der Terrororganisation sowie auch israelische Geiseln.

Auslöser des Gaza-Kriegs war die verheerende Terrorattacke der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres. In israelischen Gebieten nahe dem Gazastreifen ermordeten sie mehr als 1200 Menschen und verschleppten weitere 250 als Geiseln. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. 

Netanjahu erzürnt Katar mit Äußerungen über Vermittlerrolle

Donnerstag, 25. Januar 2024, 02.24 Uhr: Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hat mit kritischen Äußerungen zur Vermittlerrolle Katars im Gazakrieg den Unmut des Emirats auf sich gezogen. Das katarische Außenministerium zeigte sich am Mittwoch im Kurzbotschaftendienst X, früher Twitter, „bestürzt“ über die Netanjahu von Medien zugeschriebenen Aussagen. „Sollten diese Äußerungen wirklich echt sein, dann sind sie verantwortungslos und schädlich für die Bemühungen, unschuldige Leben zu retten.“

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