Was Putin mit der Charkiw-Offensive wirklich plant – Ukraine-Botschafter äußert bitteren Verdacht
Russland eröffnet im Ukraine-Krieg eine neue Front. Hinter der Charkiw-Offensive im Osten des Landes könnten mehrere Absichten stecken.
Charkiw – Der Angriff kam früher als erwartet, aber nicht überraschend: Die russische Offensive nahe der ostukrainischen Millionenstadt Charkiw war lange Zeit befürchtet worden. Am Freitag (10. Mai) stießen die russischen Gruppen im Ukraine-Krieg über die Grenze zwischen Belgorod und Charkiw vor – und eröffneten eine neue Front. Derzeit gibt es mehrere Deutungsmöglichkeiten, wieso Russland nun in diese Richtung vorrücken will.
Charkiw-Offensive von Russland: Ukrainischer Botschafter äußert bitteren Verdacht
Es gebe „bittere Kämpfe“, sagte Wolodymyr Selenskyj zu den neuen Angriffen im Osten der Ukraine. In der Grenzregion konnten russische Truppen bereits vorrücken und vier kleinere Dörfer erobern. Das Ziel sei eindeutig: „Russland versucht die zweitgrößte Stadt der Ukraine zu vernichten – mit Raketen, Drohnen, Gleitbomben“, erklärte der ukrainische Botschafter Oliksii Makeiev in einem Interview mit ntv. Die Millionenstadt werde von ukrainischen Soldaten geschützt. Die Lage sei aber dramatisch: „Das dauert schon seit mehr als zwei Jahren an, weil Russland diesen Vernichtungskrieg bis zum Ende führen will, um Ukraine zu vernichten“, so Makeiev. „Das ist die Realität in Charkiw.“
Angriff auf Charkiw: Russland könnte Offensive intensivieren – und plant wohl Artillerie-Attacke
Die Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) vermutet, dass Putins Truppen die Offensive in den kommenden Tagen intensivieren könnte. Ziel könnte sein, in Artilleriereichweite zu Charkiw zu gelangen – und die ukrainischen Streitkräfte von der Grenze zum Oblast Belgorod zurückzudrängen. Aktuell könne laut ISW aber keine genaue Frontlinie bestätigt werden.

Täuschungsmanöver: Putin will ukrainische Fronten schwächen
Militärexperten hingegen gehen davon aus, dass der Angriff in dem Grenzabschnitt als Täuschungsmanöver diene. Ben Hodges, US-Generalleutnant a.D. und ehemaliger Oberbefehlshaber der US-Armee in Europa, hat eine klare Theorie: Russland versuche „die Kapazitäten der Ukraine in eine bestimmte Richtung zu binden und dann in Wirklichkeit irgendwo anders anzugreifen“. Er erklärte, gegenüber dem Tagesspiegel, dass es folglich mehr Schwachstellen im Donbass gebe – was das Vorrücken Russlands weiter vereinfachen solle.
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Verteidigung: Ukraine bittet um Waffenlieferungen
Um die Fronten zu halten, brauche die Ukraine mehr Waffen von westlichen Verbündeten. „Jedes Waffensystem hilft, Menschenleben zu retten. Deswegen braucht die Ukraine Flugabwehrsysteme, um unsere Städte von russischen Drohnen und Raketen zu schützen“, so Makeiev. Putin habe die russische Wirtschaft auf Kriegswirtschaft umgeschaltet – „Russland ist da überlegen.“
Gleichzeitig räumt Hodges ein, dass Russland, trotz militärischer Überlegenheit, geschwächter sei als vermutet. Russland hätte die fehlenden Waffenlieferungen an die Ukraine in den letzten Wochen nicht zu ihrem Vorteil nutzen können. Und trotzdem: Charkiw sei gefährdet. (hk)