In der Kaffeemühle von Peugeot mahlte André Charon seine Lieblingsbohnen

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Treue Begleiterin: In ihrem Leben ist Marie-Claude Hitscherich mit ihrer Familie fünf- bis sechsmal umzogen. Die Kaffeemühle von Papa war aber immer mit dabei. © Anatol Kraus

Kempten – Wir alle haben sie: Stücke, die uns an etwas erinnern, die eine Verbindung zu unserer Vergangenheit, vielleicht auch zu unserer Heimat, in der wir nicht mehr leben, darstellen. Der Kreisbote hat sich aufgemacht, eben solche Stücke und ihre Besitzer zu finden und die Geschichte dahinter zu erfahren.

Als Marie-Claude Hitscherich für dieses Interview in die Redaktion des Kreisboten kam, bat sie auf Nachfrage um eine Tasse Espresso. Kaffee ist es auch, der sie mit einem besonderen Gegenstand aus ihrem Leben verbindet: Die Kaffeemühle von ihrem Papa André Charon.

Besondere Anlässe

Es sei immer wieder etwas Schönes, Kaffee zu riechen, schwärmt Hitscherich. „Papa sagte: ‚Wir trinken jetzt Kaffee!‘ Und dann holte er die Kaffeemühle.“ Auf die Kaffeebohnen, die er kaufte, schwor er ganz besonders. „Ich sehe Papa seit meiner Kindheit, wie er sie darin mahlte. Und dann hat er sie herausgenommen und nochmal gemahlen.“ Im Alltag waren die Charons eigentlich keine Kaffeetrinker, vielleicht am Wochenende. Kaffee gab es hauptsächlich, wenn Besuch kam oder die Familie. Ihre beiden Eltern hätten die Kaffeemühle von Peugeot gekauft, als sie geheiratet haben, das war 1937, kurz vor dem Krieg.

In der Schlacht von Dünkirchen geriet ihr Vater in Kriegsgefangenschaft als die britischen und französischen Truppen von der Wehrmacht eingekesselt worden waren. Erst habe er beim Autobahnbau am Rhein Zwangsarbeit verrichten müssen, sei aber dann dank eines menschlichen Wächters, der gesehen habe, dass er umkippe, nach Norden an die holländische Grenze versetzt worden. Fünf Jahre blieb er dort und habe sogar seinen Nachbarn wiedergetroffen.

Versöhnung mit Folgen

Nach dem Krieg setzte sich Charon für die Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland ein, an die auch Charles de Gaulle und Konrad Adenauer damals geglaubt hatten. So war er einer der Mitbegründer der Partnerschaft zwischen den Gemeinden Sézanne in der Champagne und Malsch bei Karlsruhe. Damit sei er aber auch „schuld“, dass sie ihren Mann Helmut kennengelernt habe, schmunzelt Hitscherich.

Die ersten 19 Jahre ihres Lebens war sie in dem Pariser Vorort Montreuil im Département Seine-Saint-Denis aufgewachsen und hatte gerade ihr Diplom als Übersetzerin in den Fremdsprachen Englisch und Deutsch in der Tasche. Dann legte im Mai 1968 ein Generalstreik Frankreich lahm, und an Arbeit war nicht mehr zu denken. Eine Brieffreundin aus Ettlingen, einer Nachbargemeinde von Malsch, rief daher an und fragte, ob sie kommen wolle. Die Freundin holte sie am Bahnhof ab und es ging am Abend auf ein Fußballfest. Sie lernte dort deren Freund Klaus kennen und sah, wie die Deutschen feierten, mit langen Biertischen und Musik: „Und Klaus kam nicht alleine, er kam mit Helmut.“

Glückliche Fügung

Ihr Schwiegervater sei Gastwirt aus Malsch gewesen, fährt Hitscherich fort. Er hatte Beziehungen und rief die einzige Firma im Ort an, eine wichtige Firma für Sanitärtechnik: „Die Freundin von meinem Ältesten ist gerade da, es ist eine Französin, und eigentlich müsste sie einen Job finden.“ Und man antwortete ihm: „Unsere Auslandskorrespondentin hat gerade gekündigt. Ja, dann brauche ich keine Anzeige schalten.“ Hitscherich habe sich vorgestellt und wurde sofort genommen. Das war 1969. 1970 haben Marie-Claude und Helmut dann geheiratet.

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