Nach Kreta-Beben: Experte macht Mittelmeer-Prognose – und gibt deutlichen Reise-Ratschlag
Erdbeben erschüttern Kreta: Die Erde bebt zweimal kräftig innerhalb von rund einer Woche. Touristen müssen sich einem „Grundrisiko“ stellen.
Kreta – Es ist 5.19 Uhr am Donnerstagmorgen (22. Mai). Und in Griechenland bebt die Erde. Das Epizentrum liegt vor der bei Urlaubern beliebten Insel Kreta. Ein Blick zurück auf die vergangenen Monate zeigt: Es ist ein Erdbeben von vielen in Mittelmeerraum. Mit einer Stärke von 6,1 war es nun jedoch das zweite starke Beben innerhalb kurzer Zeit.
„Es erinnert daran, dass Griechenland – so sehr es auch eine beliebte Tourismusgegend ist – nun mal in einer seismisch hochaktiven Zone liegt. Und es ist immer möglich, dass es weitere Erdbeben gibt“, ordnet Sebastian Manstetten vom deutschen Krisenfrühwarn-Anbieter A3M bei IPPEN.MEDIA ein.
Erneutes Erdbeben im Mittelmeerraum bei Kreta – „Das geht bis in die Antike zurück“
Erst am 14. Mai hatte sich ebenso ein Beben der Stärke 6,1 ereignet. Das Epizentrum lag zwischen den griechischen Insel Kasos und Karpathos. „Die beiden Erdbeben sind tektonischer Natur und hängen nicht zusammen“, erklärt Experte Dr. Andreas Steinberg von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Gespräch mit unserer Redaktion klar. „Sie stehen auch nicht direkt mit den Erdbeben bei Santorini im Zusammenhang.“

„Tektonische Beben im Mittelmeerraum und besonders vor Kreta sind historisch bekannt – das geht bis in die Antike zurück. An der Stelle vor Kreta, an der heute das Beben stattgefunden hat, hat sich in der Nähe im Jahr 1856 schon einmal ein größeres Erdbeben (Magnitude größer als 7) ereignet. Von der tektonischen Region her ist das aktuelle Erdbeben insofern nicht unerwartet und eigentlich nichts Ungewöhnliches.“
Hintergrund: Tektonisches Beben im Mittelmeerraum
„Pro Jahr gibt es in dieser sogenannten Hellenischen Subduktionszone eine nördliche Bewegung der afrikanischen Platte von circa zehn Millimetern unter die ägäische Platte. Dadurch entstehen im Mittelmeer zwei Zonen: Ein Vulkanischer Rücken nördlich von Kreta bei Santorini und ein tektonischer Rücken direkt bei Kreta. Die beiden angesprochenen Erdbeben sind deutlich in der tektonischen Region lokalisiert worden“, erklärt Dr. Steinberg im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.
Die Häufung betrachtet er, wie auch Manstetten, als nicht außergewöhnlich und sagt: „Der Blick der Menschen ist derzeit einfach geschärft für Erdbeben in der Mittelmeerregion, daher wirkt es subjektiv besonders. Tatsächlich ist die Mittelmeerregion tektonisch jedoch immer sehr aktiv. Das sind aber keine ungewöhnlichen Prozesse, weil hier eine Subduktionszone vorhanden ist.“
Ganz allgemein könnten es immer wieder zu Erdbeben der Stärke 6 oder größer kommen. „Wenn ich in unsere Daten blicke, sehe ich allein im vergangenen Jahr rund um Kreta auf den ersten Blick rund 20 Erdbeben, die alle um die Stärke fünf oder höher liegen“, erklärt Manstetten.
Erdbeben im Mittelmeerraum – „Spannung kann zu einer anderen Zone transferieren“
Kleine Beben seien in Folge des Bebens vor Kreta wahrscheinlich, so Dr. Steinberg. Diese seien jedoch für Menschen kaum zu spüren. Der Seismologe spricht hierbei von Nachbeben ebenso wie durch Spannungsübertragung ausgelöste weitere Beben.
„Gelegentlich können sich solche tektonischen Erdbeben auch gegenseitig indirekt triggern. Das heißt: wenn ein Erdbeben Spannungen aufgebaut hat, kann die Spannung zu einer anderen Zone transferieren und dort vielleicht ein Erdbeben auslösen. Das ist ebenso kein ungewöhnlicher Prozess. Es ist nicht damit zu rechnen, dass hier ein Erdbebenschwarm entsteht aufgrund von Vergleichen mit vorherigen Ereignissen in der Region“, erklärt der BGR-Experte. Als unwahrscheinlich schätzt er zudem die Chance ein, „dass sich direkt als Folge ein so starkes Erdbeben ereignet wie das heutige“.
Stellen Erdbeben ein Risiko bei Reisen nach Griechenland dar?
„Wie alle Reisen ist auch eine Reise nach Griechenland mit einem Risiko verbunden“, sagt Manstetten und fügt an, „aber mit einem gleichbleibend niedrigen Risiko.“ Anders als zum Beispiel bei Waldbränden gebe es keine saisonalen Häufungen bei Erdbeben.
„Durch die Lage Griechenlands ist in Bezug auf Erdbeben einfach ein Grundrisiko gegeben. Dessen muss man sich bewusst sein. Ich würde mir davon als touristischer Reisender den Urlaub aber nicht verderben lassen“, rät er.
Im Gespräch betont er darüber hinaus: „Der griechische Zivilschutz und die Katastrophenschutzbehörden sind unglaublich gut aufgestellt. Auch bei dem heutigen Erdbeben haben sie wieder gezeigt, dass sie immer eher vorsichtig agieren.“ Er macht es beispielhaft daran fest, dass die Menschen Tsunami-Warnungen per SMS erhielten. Ein Tsunami blieb am Donnerstag schließlich aus. (mbr)