Wie der Europawahl-Erfolg extremer Parteien Russland in die Hände spielt – und auch China profitiert

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Bekennende Russlandfreunde: Jubel bei der AfD über den zweiten Platz bei der Europawahl in. Deutschland © RALF HIRSCHBERGER/AFP

Die Zugewinne der Randparteien im Europaparlament stärken Russland und China: Rechtspopulisten und Linksfraktion stimmen oft im Sinne Moskaus und Pekings ab.

Es hatte am Sonntagabend noch nicht einmal die erste Hochrechnung zur Europawahl gegeben, da erzählte Sahra Wagenknecht in der ARD bereits von „Signalen aus dem Kreml“: Sie habe vernommen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin verhandlungsbereit sei. „Wir sollten Russland das Angebot machen, dass wir die Waffenlieferungen stoppen, wenn es einen sofortigen Waffenstillstand gibt“, so Wagenknecht. 6,2 Prozent hatte ihr BSW aus dem Stand bei der Europawahl geholt - und damit mehr als doppelt so viele Stimmen wie die Linke, aus der die Partei entstanden ist.

Der Auftritt zeigt, wie der Siegeszug von Gruppen wie das BSW sowie mehrerer rechtspopulistischer Parteien die Tonlage im Europaparlament verändern könnte. Diese Parteien werden zwar keine Mehrheit haben, um etwa Sanktionen gegen Russland im Ukraine-Krieg zu stoppen. Aber sie werden mehr Gewicht und mehr Redezeit bekommen als zuvor. Die könnten sie nutzen, um im Plenarsaal russlandfreundliche Narrative zu verbreiten.

Europawahl-Ergebnis bereitet Sorge: Neue Rechte pflegt Nähe zu Autokraten

Die vielfach aus der Friedensbewegung hervorgegangene Linke Europas stört sich grundsätzlich an Waffenlieferungen – viele neue Rechte wiederum pflegen ein inniges Verhältnis zu Autokraten, allen voran zu Putin. Sie zeigt sich gleichgültig gegenüber dem Leid in der Ukraine. Beide Extreme wollen Russland als Lieferant von billigem Gas zurückgewinnen und die Wirtschaftsbeziehungen wieder aufnehmen.

Putin weiß das genau, und umgarnt seit langem die rechten Parteien in Europa. Und auch das autoritäre China wird in der EU zunehmend aktiv, wie eine aktuelle Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung und der tschechischen Association for International Affairs beschreibt. Dabei präsentiere Peking „gerne ein betont positives Bild seines eigenen autoritären Staats, um an Einfluss zu gewinnen und die öffentliche Meinung in anderen Ländern zu beeinflussen“.

Schon im bisherigen EU-Parlament habe Putin zwei bis drei Dutzend „verlässliche Freunde“ unter den 705 Abgeordneten gehabt, ermittelte das US-Nachrichtenportal Politico kurz vor der Wahl. Neben einigen Linken finden sich diese Putin-Buddys vor allem am rechten Rand, was laut Politico auch mit ideologischen Überschneidungen wie der von Putin vertretenen Ablehnung des westlichen Lebensstils und gesellschaftlicher Vielfalt zu tun habe.

Russland und Putin spalten die rechten Fraktionen in Europa

Dabei gibt es durchaus Spaltungen in der Rechten. So trug die rechtskonservative Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) – in der unter anderem die polnische PiS, die spanische Vox und die Fratelli d‘Italia von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sitzen – den außenpolitischen Kurs der EU in den letzten Jahren weitgehend mit. Das könnte ihnen sogar die Tür zur Mitbestimmung im Europaparlament öffnen.

Aus der noch weiter rechtsaußen verorteten Rechtsaußen-Fraktion Identität und Demokratie (ID) hingegen kamen gemischte Signale: Zwölf Abgeordnete stimmten laut Politico regelmäßig gegen die Russland-Politik der EU, darunter AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah und seine AfD-Parteifreunde. Krah habe im EU-Parlament keinen einzigen der Texte unterstützt, die Russland kritisieren, schreibt Politico. „Andere AfD-Abgeordnete haben sich seinem Abstimmungsverhalten weitgehend angeschlossen.“ Das zeigt auch eine Auswertung von IPPEN.MEDIA in Zusammenarbeit mit Abgeordnetenwatch.

Europawahl bringt moderate Zuwächse für die russlandfreundlichen ID-Parteien

Die wegen Krahs Nazi-Ausfällen gerade erst aus der Rechtsfraktion „Identität und Demokratie“ (ID) geworfene AfD legte von elf auf 15,9 Prozent zu und wurde damit zweitstärkste Kraft in Deutschland, hinter der CDU. Die ebenfalls in der ID sitzende österreichische Rechtspartei FPÖ hatte im Jahr 2016 unter dem damaligen Parteichef Heinz-Christian Strache gar einen Freundschaftsvertrag mit der Kreml-Partei „Einiges Russland“ unterschrieben. Sie wurde nun mit 25,7 Prozent knapp stärkste Kraft.

Zur ID gehört zudem die französische Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen, die mit 31,5 Prozent stärkste Kraft wurde. Der RN wird in Russland hofiert und soll zudem großzügig von Moskau finanziert worden sein. Insgesamt gewann die ID neun Sitze hinzu auf nun 73. Das ist weniger als befürchtet, zählt aber den Stimmenzuwachs der geschassten AfD nicht mit. Die EKR holte vier zusätzliche Sitze, die Linke verlor. Das BSW war im scheidenden Parlament noch nicht vertreten und ist daher noch keiner Fraktion zugerechnet.

Randparteien wachsen bei der Europawahl: Auch China profitiert

Unauffälliger als Putin agierte China. Anders als Russland zielte es nicht darauf ab, das Vertrauen in demokratische Prozesse zu untergraben. Die diplomatischen Bemühungen chinesischer Akteure knüpfen laut der Studie meist erst im linken Spektrum Kontakte. Später folgten Regierungsparteien und rechtspopulistische Oppositionsparteien. Dabei organisierte Peking gegenseitige Delegationsbesuche, individuelle Treffen mit Politikern oder Kontakten zu „Freundschaftsgruppen“ in nationalen und europäischen Parlamenten. Doch zum Portfolio Chinas gehört auch Spionage, wie der Fall des vor einigen Wochen verhafteten Krah-Mitarbeiters Jian Guo zeigt.

Die Studie zeigte einige Beispiele chinafreundlicher Positionen von Vertretern der Randparteien. Rechte aus der ID-Fraktion und linke Parteien stimmten zwischen 2019 und 2024 demnach 139 Mal gegen Menschenrechtsresolutionen des EU-Parlaments. 307 Enthaltungen und 421 Ja-Stimmen aus den beiden Lagern zählten die Studienmacher zudem über die Abstimmungen hinweg – ein Indiz dafür, wie gespalten diese Gruppen auch intern sind. Generell stimmten vor allem die französische RN und die AfD gegen Mehrheitsbeschlüsse zu China. Die russlandfreundliche italienische Lega aus der ID-Fraktion votierte dagegen weitgehend China-kritisch.

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