Hat Söder sich verrannt? Breites Bündnis will Gender-Verbot stoppen
53 Verbände rufen die bayerischen Fraktionen dazu auf, Söders Gender-Verbot zu verhindern. Mit den Freien Wählern ist das letzte Wort vielleicht noch nicht gesprochen.
München – „Wir werden das Gendern in Schule und Verwaltung untersagen“ – mit dieser Ansage zog Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bei seiner ersten Regierungserklärung nach der Landtagswahl im Dezember bundesweit Aufsehen auf sich. Sofort protestierten Lehrer- und Elternverbände gegen den Plan. Söder ließ das kalt: „Ich glaube, dass das Gendern unsere Gesellschaft eher spaltet als alles andere“, sagte er. Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) setzte noch einen drauf, indem er auch ein Gender-Verbot für Hochschulen ankündigte.
Doch Söder muss sich wohl auf massiven Gegenwind einstellen, will er das Gender-Verbot in Bayern tatsächlich durchziehen: Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften und Verbänden fordert die bayerischen Landtagsabgeordneten jetzt auf, das angekündigte Verbot an den Schulen und Hochschulen zu verhindern.

Alle Fraktionen bis auf AfD erhielten Brief zum geplanten Gender-Verbot von Söder
Die Fraktionsvorsitzenden aller Parteien im bayerischen Landtag – bis auf die AfD – erhielten am Donnerstag (8. Februar) einen offenen Brief, in dem eindringlich vor dem Gender-Verbot gewarnt wird. „Ein staatlich verordnetes Genderverbot befördert eine queerfeindliche Stimmung im Land und ist Wasser auf die Mühlen derer, die seit langem gegen queere Menschen hetzen, ihre Lebensrealitäten als ungleichwertig stigmatisieren und im Extremfall als ‚lebensunwert‘ gewaltsam verfolgen“, heißt es.
Söders geplantes Gender-Verbot würde alle Bemühungen nach mehr queerer Sichtbarkeit zunichte machen, heißt es: Nicht-binäre Menschen, die sich nur teilweise in die Kategorien Mann und Frau einordnen, würden „aus der Sprache verdrängt und diskriminiert“.
Söder will Gender-Verbot in Bayern: „Schulen sollten Schutzraum sein“
53 Verbände und Organisationen unterstützen den offenen Brief. Initiiert haben ihn der Deutschen Gewerkschaftsbund Bayern und seiner Jugendorganisation, die Landesverbände der Bildungsgewerkschaft GEW und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft sowie der Lesben- und Schwulenverband.
Vor einem Gender-Verbot an Schulen warnen die Unterzeichner auch deshalb, weil queere Kinder und Jugendliche eine besonders verletzliche Gruppe seien. Ihre Suizidrate sei vier bis sechs Mal so hoch wie bei Gleichaltrigen – auch aufgrund Mobbings. „Bayerns Schulen sollten ein Schutzraum, ein Ort der Wertschätzung und Akzeptanz für alle Kinder und Jugendliche sein, unabhängig von ihrer geschlechtlichen und sexuellen Identität“, betonen die Autoren des Schreibens.
Söder will Gendern in Bayern verbieten – Das sagt die Freie-Wähler-Ministerin Stolz
Wie genau das Verbot des Genderns an Schulen, Hochschulen und Behörden überhaupt umgesetzt werden soll – und ob und wie man es sanktionieren will – ließ Söder bisher offen. Das werde man noch „alles sehen“, sagte er laut SZ im Dezember beim Besuch an einer Schule. Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) werde das Vorhaben „mit Empathie, aber auch mit Konsequenz umsetzen“.
Stolz sagte damals dazu nur, dass es ihr um einen „alltagsnahen, pragmatischen Umgang mit dem Thema Gendern“ gehe. Zusammen mit den Schulen wolle man Lösungen entsprechend der Linie des Rats für deutsche Rechtschreibung finden.
CSU und Freie Wähler: Unterschiedliche Haltung zum Gendern im Wahlprogramm
Womöglich ist das letzte Wort hier noch nicht gesprochen – schließlich scheuen sich die Freien Wähler derzeit nicht, der CSU trotz gemeinsamer Koalition Kontra zu bieten. Erst kürzlich machte Kultusministerin Stolz ihre eigene Haltung deutlich, als sie entgegen Söders Ansage dafür plädierte, dass in Bayern zugunsten von mehr Deutsch- und Mathestunden auch beim Religionsunterricht gekürzt werden darf. Söder tat dies als „Missverständnis“ ab – und stellte forsch klar, man sei sich einig: „Bei Religion wird nicht gekürzt.“
Unterschiedliche Positionen beim Thema Gendern zwischen CSU und Freien Wählern fielen schon beim Wahlprogramm der beiden Parteien für die Landtagswahlen ins Auge: Die CSU ist dagegen, dass an bayerischen Schulen Formulierungen genutzt werden, die neben „weiblich“ und „männlich“ weitere Geschlechter abbilden. Die Freien Wähler positionieren sich hierzu dagegen neutral. (smu/dpa)