BMW hat sein neues Art Car in Paris vorgestellt. Gestaltet von der New Yorkerin Julie Mehretu. Sie fährt damit auf den Reifenspuren von Jeff Koons, Andy Warhol und Co.
Sie wollte erst nicht. Natürlich wollte sie nicht. Mag der Auftraggeber auch ein Gigant wie BMW sein, mag da entsprechend viel Geld für künstlerisches Austoben drinstecken: ein Art Car gestalten, eines für die Rennstrecke – in diesen Zeiten? Julie Mehretu ließ sich zweimal bitten. Thomas Girst, Leiter des Kulturengagements der BMW Group, tat’s. Und konnte sie schließlich überzeugen, bei diesem im besten Sinne abgefahrenen Projekt, das das Münchner Automobilunternehmen seit fast 50 Jahren stetig fortführt, mitzumachen. Eine Freundin bestärkte Mehretu auf pragmatische Weise: „Jetzt bemal doch einfach dieses verdammte Auto!“
Demnächst geht es in LeMans zum 24-Stunden-Rennen
Julie Mehretu erzählt das lachend am Dienstagabend. Nicht im BMW-Vierzylinder in München – für die Vorstellung des inzwischen 20. Art Cars ist die Weltpresse nach Paris geladen. Im Herzen des vierten Arrondissements, im Centre Pompidou, wird die silberfarbene Decke gelüftet, unter der Mehretus Kunstwerk auf vier Rädern bereitsteht, sich der Welt zu präsentieren. Ein Coup – die Journalisten aus etlichen Ländern kommen auch deshalb mit Freuden, weil das viel geliebte Kunstmuseum in Kürze für mehrere Jahre sanierungsbedingt schließen muss. Also ein letztes Mal für lange Zeit auf den legendären Außenrolltreppen hinauf in den sechsten Stock. Draußen beginnt es zu dämmern, bald flimmern die Lichter am Eiffelturm. Und nicht nur, weil dieser Anblick einfach eine Glühlampe zu kitschig ist, richten sich an diesem Abend alle Smartphone-Kameras lieber auf das neue Auto und die New Yorker Künstlerin, die in lässiger schwarzer Ledermontur (mit dezenten BMW-blauen Farbnuancen) davon erzählt, warum sie nach dem ersten Zögern schließlich doch zusagte. Nach dem Motto: Die Kupplung langsam kommen lassen, aber dann voll in den Turbo.
„Mir wurde klar, dass sich das ganze Art-Car-Projekt darum dreht, etwas Neues zu schaffen, erfindungsreich zu sein und Grenzen zu verschieben, um zu sehen, was möglich ist.“ Tatsächlich verdeutlichen die Modelle der bisherigen 19 Art Cars, die en miniature im Centre Pompidou stehen und mit denen nicht nur große Jungs am liebsten eine Runde über die Carrera-Bahn rasen würden, wie vielseitig Design, Optik und Funktion eines Autos sein können, wenn kreative Leute zusammenkommen. Von Andy Warhol bis Jeff Koons. Denn hier geht es ja nicht bloß um hübsche Verzierung. Wenn Cao Fei (Art Car 18, 2016) nicht mehr das Auto selbst bemalt, sondern die Farben um den Wagen kreisen lässt, sichtbar für die Betrachter erst durch digitale Hilfsmittel; oder Olafur Eliasson (Art Car 16, 2007) die Außenhülle eines wasserstoffbetriebenen BMW entfernt und sie durch eine durchscheinende Haut aus Stahlgeflecht, Metallplatten, Eisschichten komplett ersetzt, auf diese Weise eine Art modernes Fossil erschafft – da werden Technologie, Zeitgeist, Fortbewegung der Zukunft künstlerisch hinterfragt.
Julie Mehretu versteht ihr Art Car als ein „performatives Gemälde“. Eines, das für die Rennstrecke geschaffen sei und nicht fürs Museum. „Mein Art Car entstand in enger Zusammenarbeit mit Motorsport- und Ingenieurteams und es wird erst fertig sein, wenn das Rennen in Le Mans vorbei ist“ – jeder Kratzer, jede Macke ein Teil des Gesamtkunstwerks.
Wie alle Art Cars wird auch das der 53-Jährigen in wenigen Wochen am 24-Stunden-Rennen von Le Mans teilnehmen. Doch von Beginn an haben die New Yorker Künstlerin und BMW das 20. Art Car über das Fahrzeugobjekt hinaus konzipiert. Nach dem Rennen wird ihre Zusammenarbeit durch ein Projekt für Nachwuchskünstler in verschiedenen Ländern Afrikas fortgeführt: Bei der PanAfrican Translocal Media Workshop Series werden im Laufe des Jahres 2025 Workshops in verschiedenen afrikanischen Städten und Regionen ausgerichtet, um Künstlern und Filmschaffenden einen Raum für Begegnung, Austausch und Zusammenarbeit auf überregionale Weise zu eröffnen. Grenzen überschreiten, neue Wege wählen. Mit dieser Einstellung ist man noch immer gut gefahren.
Auch interessant
Kommentare
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.
Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!