Auto-Papst Dudenhöffer: So kann die deutsche Autoindustrie die Wende schaffen
Permakrisen 2024: Situation schlimmer als Lehman-Pleite
Die Quartalszahlen der letzten Wochen haben deutlich gemacht, dass wir es nicht mit einem großen Problem zu tun haben, sondern mit einem ganzen Bündel von Problemen: in Deutschland, der EU, in China und seit einigen Tagen mit Donald Trump auch in den USA. Schon einmal standen die Autobauer und Zulieferer knöcheltief im Wasser, als 2009 mit der Lehman-Pleite die Weltwirtschaft zusammenbrach. Damals war die Instabilität des Finanzsystems der Auslöser. Damals konnten fiskalpolitische Maßnahmen und starke Nachfrageimpulse aus China den Karren aus dem Graben ziehen. Diesmal sieht es schlimmer aus. Wir stecken in einem strukturellen Loch. Es wird mehr Zeit und mehr Anstrengungen brauchen, um aus diesem Loch herauszukommen.
1. Das Deutschland-Problem
Beginnen wir mit dem Problem Deutschland. Deutschland ist ein Sanierungsfall. Die höchsten Energiekosten, Logistikstrukturen, die mit einstürzenden Brücken, einer ungeahnten Unzuverlässigkeit der Bahn und maroden Straßen unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit ebenso torpedieren wie hohe Lohnkosten, ein überbordendes Sozialsystem und hohe Verwaltungskosten für die ständig wachsende Zahl von Gesetzen. Es ist ein teures Vergnügen, in Deutschland Autos zu produzieren. Dennoch haben Hersteller und Zulieferer Milliarden in die Elektromobilität investiert. Nachdem die Ampel die Kaufprämie für Elektroautos gestrichen hatte, brach der Markt für Elektroautos in Deutschland ein. Plötzlich waren die Investitionen Abschreibungsruinen.
Wo keine Elektroautos verkauft werden, braucht man auch keine Batteriefabriken oder Maschinen und Anlagen zur Produktion von Elektroautos. Das war der erste Ertragsschock für die Branche. Ein Gewinnschock, den Wirtschaftsminister Robert Habeck mit seiner Nacht-und-Nebel-Aktion zum Stopp der Umweltprämie verursacht hat.
2. Das EU-Kommissions-Problem
Dann kam das Problem mit der EU-Kommission. Die EU-Kommission hatte sich darauf versteift, Elektroautos aus China mit Zöllen zu belegen. BMW-Vorstandschef Oliver Zipse sprach kürzlich von einem „Schuss ins eigene Knie“. Die gesamte Industrie sei gegen Zölle. Die EU-Kommissionspräsidentin interessiert das nicht, sie wirkt fast „autistisch“. So werden Elektroautos deutscher Hersteller, die in China produziert werden, durch Zölle künstlich verteuert.
Die EU-Kommission leistet sich den Schildbürgerstreich, Autos, die wir für den sogenannten EU Green Deal brauchen, künstlich zu verteuern. Dass man damit den Autokäufern keine Freude macht, sieht man an den Zulassungszahlen.
Jede Fußballmannschaft, die keinen Heimvorteil - also keine Fans - hat, steigt ab. Die EU-Kommission zerstört mit diesen lächerlichen Zöllen unseren Heimvorteil. Unsere Autohersteller kommen bei geringer Nachfrage nicht in den Genuss von Skaleneffekten. Zu den schlechten Kostenpositionen kommen jetzt auch noch Skalennachteile hinzu. Wer in Deutschland Elektroautos baut, wird damit doppelt bestraft.
3. Das China-Problem
Die Gewinne der letzten zehn Jahre der deutschen Automobilindustrie kamen aus China. China ist der absolut größte Automobilmarkt und das Nonplusultra für Premiumfahrzeuge. Nach 2030 wird der chinesische Automarkt so groß sein wie Europa und die USA zusammen. Wer nicht in China ist, ist nicht im Automobilgeschäft. Autos, die in Wolfsburg, Ingolstadt, München oder Stuttgart entwickelt wurden, haben sich in den vergangenen Jahren in China blendend verkauft und Bilderbuchgewinne eingefahren. Das ist vorbei, und genau das ist einer der gewichtigen Auslöser für die Gewinneinbrüche der letzten Wochen. Machen wir uns nichts vor: Diese Serie wird in den nächsten Jahren kaum zu stoppen sein.
In China sind inzwischen mehr als die Hälfte der Neuwagen sogenannte New Energy Vehicles (NEV), also vollelektrisch oder mit Plug-in-Hybridsystemen. Leider werden die deutschen Elektroautos in China verschmäht. Unter jungen Chinesen kursiert der Spruch: „Unsere Eltern fahren Audi, BMW, Mercedes oder Porsche. Das sind die Autos der Alten. Wir jungen Chinesen fahren NIO, Xiaomi, XPeng, BYD, Li-Auto & Co“. Und warum?
Weil die Autos die gleiche Qualität haben wie die deutschen, bessere Preise mit hochwertigen Batterien und eine digitale Ausstattung, von der man nur träumen kann. Die Betriebssysteme sind weiter als die von Google oder Apple. Navigation on Autopilot (NOA), automatisiertes Fahren und Smart Cockpit sind in China zu Hause. Das Auto der Zukunft ist in China zu Hause. Die Intelligenz, das Gehirn des neuen Autos sitzt im Reich der Mitte. Das ist die wahre Revolution.